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TV: Entfremden Doku-Soaps unsere Kinder vom echten Leben?


Erziehung
Entfremden Doku-Soaps unsere Kinder vom echten Leben?

Von dpa
14.12.2011Lesedauer: 4 Min.
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Sie schreien sich an, sie stänkern, sie pöbeln - vornehmlich an Nachmittagen geht es im Privatfernsehen richtig zur Sache. Da geht es ums Sorgerecht, um Nachbarschaftsstreit, ums Erbe und um Mobbing. Wenn die Wirklichkeit nicht genug Stoff bietet, dann wird nachgeholfen, um die Quote hochzutreiben. Das geht mit der "Scripted Reality", der von TV-Machern inszenierten Wirklichkeit. Doch die ist umstritten - nicht zuletzt wegen ihrer Wirkung auf Kinder und Jugendliche.

Durchschaut das Publikum die Inszenierung?

Der Fernsehmarktführer RTL macht mit TV-Formaten wie "Mitten im Leben", "Verdachtsfälle", "Familien im Brennpunkt" und "Die Schulermittler" richtig Quote und Kasse. Auch Sat1 ist mit seinen Gerichtsshows und "Zwei bei Kallwass" gut dabei, Pro Sieben hat sich längst wieder für Serienwiederholungen entschieden.

Doch zunehmend hat sich ein gesellschaftlicher Diskurs über das Für und Wider dieser Art von Quotenjagd entwickelt. Denn die TV-Reihen, die den Anschein erwecken, sie seien dokumentarisches Material aus der Wirklichkeit, sind nach Drehbuch inszenierte Geschichten, auch die Gerichtsshows funktionieren mit erdachter Handlung. Die Sender weisen in ihren Vor- und Abspännen auch auf die konstruierten Storys hin - von "Scripted Reality" ist daher die Rede. Doch merken die Zuschauer wirklich, was echt und was nicht echt ist?

Jeder Zweite glaubt, dass Doku-Soaps Probleme lösen

Die Kritiker beginnen sich jetzt stärker zu formieren. Neuester Beleg dafür ist eine Studie der Gesellschaft zur Förderung des internationalen Jugend- und Bildungsfernsehens, eine Einrichtung beim Bayerischen Rundfunk, die damit zwar beim natürlichen Gegner der Privatsender, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, angesiedelt ist, aber diese Studie zusammen mit der Landesanstalt für Medien in Nordrhein-Westfalen (LfM) in Auftrag gegeben hat - und die kontrolliert die privaten Fernsehveranstalter. RTL hält wiederum mit einer eigenen Untersuchung dagegen.

Der Kern der neuen Studie sagt aus: 51 Prozent der Kinder und Jugendlichen zwischen sechs und 18 Jahren meinen, dass die Reality-Soaps mit erdachter Handlung bei der Lösung von Problemen helfen (Antwortmöglichkeiten: "Stimmt total" und "Stimmt eher"). 51 Prozent finden auch, man könne mal so richtig über dumme Leute ablachen. 30 Prozent der Befragten glauben tatsächlich, dass es sich bei den Filmen um echte Dokumentationen handele, immerhin 48 Prozent sind der Auffassung, die Soaps seien nachgespielte Szenen aus der Wirklichkeit.

Kritiker: Fernsehen reduziert Menschen auf "gut" und "böse"

Die Studie kommt zum Ergebnis, dass "das fehlende Erkennen des fiktionalen Charakters" zu einer "fehlenden Distanzierung bei der Konfrontation mit der Problemlage" führe. Das TV reduziere die Menschen auf "gut" und "böse" - mehr nicht. Die Untersuchung ist jedoch nicht vollständig repräsentativ, insgesamt sind 861 Kinder und Jugendliche befragt worden. Für Maya Götz vom Internationalen Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) ist es wichtig, dass ein gesellschaftlicher Diskurs über "Scripted Reality" zustande komme. Für sie sind die "Scripted Reality"-Formate allein aus der "Marktlogik" entstanden, weil die Realität nicht mehr spektakulär gewesen sei und daher immer neue Stoffe hätten erfunden werden müssen. Die Folge: Eine Aneinanderreihung von Skandalen ohne Ende.

Privatsender kontert mit eigener Studie zu "Scripted Reality"

Der Privatsender RTL hält mit einer eigenen Studie vom März 2011 dagegen. Die repräsentative Forsa-Umfrage stützt sich auf Personen über 14 Jahren. Demnach wüssten 82 Prozent der Befragten dass, die Geschichten ausgedacht sind. Allerdings meinen auch viele (77 Prozent), dass diese Sendungen einen Einblick in andere Lebenswelten gäben, dass die Serien sehr unterhaltsam seien (71 Prozent), die Geschichten gar nicht so weit von der Realität entfernt seien (67 Prozent) und dass sie immer ein lösungsorientiertes Ende böten (55 Prozent).

RTL "Wir nehmen Belange von Kindern sehr ernst"

Dass gerade Kinder in Mitleidenschaft gezogen würden, will RTL gar nicht zulassen: "Wir nehmen die Belange von Kindern auf verschiedene Art und Weise sehr ernst", sagt Sendersprecher Christian Körner. "Dennoch möchten wir festhalten: RTL ist kein Kinderprogramm, das machen unsere Kollegen von Super RTL im Tagesprogramm viel besser, auch und gerade unter pädagogischem Aspekt. Was zuhause geschaut wird, entscheiden jedoch die Eltern. Sie entscheiden auch, ob sie selbst dabei sind oder nicht."

Die Verantwortung liegt bei den Eltern

Eltern, so argumentiert der Privatsender weiter, sollten ihren sechs- oder siebenjährigen Kindern erklären und für sie einordnen, was um sie herum in ihrer Lebenswelt passiere - das gelte vermutlich nicht nur für eine TV-Sendung bei RTL nachmittags um 14 Uhr. "Woher sonst sollten Kinder in einem Alter, in dem sie Vor- und Abspann noch nicht einmal lesen können, selbst wenn sie wollten, Einordnung bekommen?" Und die Älteren sähen das Programm als genau das, was es ist: Unterhaltung.

Trotz Kapitulation der "Super Nanny" hält RTL am Quotenrezept fest

RTL fährt mit seinen Sendungen Quoten ein, die deutlich über dem Durchschnitt liegen. Preiswerte Meterware beschert dem Sender einen maximalen Werbeerlös. Doch nie hat ein Programmgenre am Nachmittag länger als fünf bis acht Jahre durchgehalten: Die täglichen Talks verschwanden bei RTL ebenso aus dem Programm wie die Gerichtsshows. Sogar die umstrittene "Super Nanny" Katharina Saalfrank warf das Handtuch unter anderem deswegen, weil die Inszenierung sich in ihre Pädagogik einmischte, wie sie mitteilte. RTL bleibt seiner Strategie aber treu: "Erst Ende letzter Woche erreichten wir mit 'Familien im Brennpunkt' starke 34 Prozent Marktanteil, Thema der Sendung: Internetmobbing", sagt Körner. Er betont: "Solange wir auch am Nachmittag Themen und Nerv der Zuschauer treffen, werden wir die entsprechend gekennzeichnete Erzählweise kaum ändern."

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