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Mobbing: Schüler stellen peinliche Lehrer-Videos ins Internet


Mobbing gegen Lehrer
Der Lehrer rastet aus - Handy raus und Film ab!

t-online, Tanja Zech

Aktualisiert am 05.12.2016Lesedauer: 5 Min.
Vorsicht: Jeder Kontrollverlust im Unterricht kann direkt bei Youtube landen.Vergrößern des BildesVorsicht: Jeder Kontrollverlust im Unterricht kann direkt bei Youtube landen. (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)
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Seit es Smartphones gibt, kann die ganze Welt auf Youtube darüber lachen, wie sich "Lehrer X" zum Deppen macht. Die hämische Schülerschaft lauert auf jeden filmreifen Ausraster. Doch die Folgen für filmende Schüler und betroffene Lehrer können gravierend sein.

Im vor-digitalen Zeitalter mussten die Schüler noch kreative Eigenleistung erbringen, um Lehrer-Ausraster weiterzuverbreiten: Die Szene mit wirkungsvollem Spannungsbogen aufschreiben, eine Karikatur oder einen mehrteiligen Cartoon zeichnen, das Werk auf den Kopierer vervielfältigen und für die nächste Ausgabe der Schülerzeitschrift einreichen.

Heute reichen drei, vier Klicks auf dem Smartphone: Den Lehrer provozieren, die Kamera starten und dann das Video auf Facebook, Youtube oder WhatsApp hochladen.

Umfrage: Sieben Prozent der Lehrer schonmal heimlich gefilmt

Bei einer repräsentativen Umfrage des IT-Branchenverbands Bitkom gaben sieben Prozent der Lehrer an, dass Schüler schon einmal heimlich gefilmte Videos von ihnen ins Internet gestellt haben. Am häufigsten waren demnach Lehrer an Realschulen betroffen (zehn Prozent), am seltensten jene an Gymnasien (fünf Prozent).

Die sieben Prozent seien nur die Spitze des Eisbergs, meint der Vorsitzende des Philologenverbands, Heinz-Peter Meidinger. Viele solcher Videos würden von den betroffenen Lehrern vermutlich gar nicht entdeckt, beispielsweise weil sie in geschlossenen Facebook- oder WhatsApp-Gruppen der Schüler kursieren. Inzwischen hätten nahezu alle Schüler Smartphones dabei. "Trotz des Gebots, diese im Unterricht auszuschalten, nehmen wir an, dass 80 bis 90 Prozent weiterlaufen und allenfalls stummgeschaltet sind", sagt Meidinger.

Seit es Kamera-Handys gibt, diskutieren Lehrer in Foren über heimlichen Aufnahmen. Unter dem Pseudonym "Elternschreck" höhnte ein Pädagoge in einem Beitrag von 2014: "Ach ja, natürlich gibt es Kollegen, die behaupten, dass die Schüler in ihren Unterrichten nicht filmen können. Die haben aber nicht schlecht gestaunt, als ich ihnen im Internet Filmsequenzen ihres Unterrichts gezeigt habe."

Lehrer in Gewalt- und Porno-Videos hineinmontiert

Zwischen recht harmlosen "Lehrer-rastet-aus"-Videos mit verwackelten Bildern und rauschendem Ton tauchen hin und wieder extreme Inhalte auf: Fotos von Lehrern, beziehungsweise Lehrerinnen werden in Kopf-ab-Animationen und Porno-Videos montiert. Mit heutiger Bildbearbeitungssoftware und Schnittprogrammen ist das inzwischen ein Kinderspiel.

In diese Kategorie übler Scherze fällt auch, dass Schüler in Dating-Portalen gefälschte Profile mit Name, Foto und Telefonnummern von Lehrern anlegen.

Das "Kopf-ab" Video war ein Fall vor einigen Jahren an Meidingers Gymnasium in Deggendorf, der Racheakt eines Schülers, der sich über eine schlechte Note geärgert hatte. Die Konsequenz war ein Schulverweis. "Damals war dem Schüler gar nicht bewusst, dass sein Video auf Youtube automatisch ein Millionenpublikum erreicht", erinnert sich der Rektor. So naiv sind die Schüler inzwischen nicht mehr. Dennoch dürften immer noch viele die rechtlichen Konsequenzen ihres Handelns unterschätzen.

Schüler wegen Verletzung der Persönlichkeitsrechte strafbar

Heimliche Fotos, Videos und Tonaufnahmen von Personen verletzen generell das Persönlichkeitsrecht. Werden die Aufnahmen auch noch öffentlich zur Schau gestellt, handelt es sich auch um einen Verstoß gegen das Recht am eigenen Bild nach Paragraph 22 des Kunsturhebergesetzes (KunstUrhG).

Schüler, die heimlich ihre Lehrer filmen und die Aufnahmen über das Internet verbreiten, machen sich also strafbar. Allerdings: Wer noch nicht 14 Jahre alt ist, kann rechtlich nicht belangt werden. Lehrer können bei den Seitenbetreibern eine Unterlassung erwirken und verlangen, dass das Video entfernt wird.

Muss Medienkompetenz ein Schulfach werden?

"Während der Umgang mit der Technik für die meisten Schüler selbstverständlich ist, mangelt es oft an dem notwendigen Wissen, was erlaubt ist und was nicht", kommentierte Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder die Umfrage zu den Lehrervideos. "Es fehlt an unseren Schulen allzu oft an einer fächerübergreifenden Vermittlung von Medienkompetenz." In derselben Mitteilung verweist der IT-Verband auf seine kostenlosen Workshops zu diesem Themenbereich.

Also geht der Schwarze Peter zurück an die Schulen, die Medienkompetenz im Lehrplan vernachlässigen? "Ja, das ist eine Streitfrage in der Bildungspolitik", seufzt der Philologen-Vorsitzende. Er vertritt die Position, dass für Netiquette in sozialen Netzwerken, Persönlichkeits- und Urheberrecht nicht unbedingt in einem speziellen Fach gebündelt werden müssen, sondern in verschiedenen Zusammenhängen im üblichen Unterricht behandelt werden können. Schließlich gehören diese Themen in der digitalen Gesellschaft zum Allgemeinwissen.

Dienstunfähig wegen Schmäh-Videos

Den Schülern müsse klar werden, dass jeder Blödsinn, den sie einmal ins Internet geladen haben, an ihnen haften bleibt und technisch zu ihnen zurückverfolgt werden kann.

Allerdings belasten die Schmäh-Videos erstmal die betroffenen Lehrer. Je nach Härtegrad und persönlicher Sensibilität könne das öffentliche Bloßstellen psychische Folgen bis hin zur Dienstunfähigkeit haben. "Ich kenne ein Dutzend Fälle aus allen Bundesländern", sagt Meidinger. Die Lehrerin, die mit dem manipulierten Porno-Video verunglimpft wurde, habe kein Klassenzimmer mehr betreten können.

Bleibt die Frage, wie das heimliche Filmen bestraft, beziehungsweise pädagogisch aufgearbeitet werden kann. "Für die Schüler muss deutlich werden, dass sowas Konsequenzen hat", betont Meidinger. Gleichzeitig sollten Schulen durch entsprechende Unterrichtskonzepte darauf reagieren. Schon alleine aus Fürsorgepflicht gegenüber den betroffenen Lehrern dürften die Schulleitungen solche Vorfälle nicht herunterspielen oder unter den Tisch kehren.

Schüler sind heute nicht gemeiner als früher

Ist Lehrermobbing schlimmer geworden? "Wir haben heute keine schlechtere Schülergeneration als vor zehn Jahren", betont Meidinger. "Aber heute sind die Auswirkungen größer, weil sich alles schnell im Netz verbreitet." Gleichzeitig rückt er die Relation zurecht: "Die Hauptopfer von Mobbing sind ja nicht die Lehrer, sondern Mitschüler."

Schulen müssten ein Klima der Wertschätzung schaffen. Viele hätten bereits einen Schulvertrag, eine Art Verhaltenskodex für den Umgang miteinander. Der müsse selbstverständlich sowohl für die reale Person als auch für deren Internet-Identität gelten.

Handyverbote greifen nicht

Handyverbote oder das Konfiszieren der Geräte sind keine Lösung, da macht sich der Chef des Philologenverbands keine Illusionen. Selbst die bundesweit strengste Regelung in Bayern ist ein Papiertiger: Handys dürfen auf dem Schulgelände nicht eingeschaltet sein, Schüler dürfen nur nach Erlaubnis eines Lehrers Telefonate führen. Theoretisch. "Das lässt sich nicht komplett zu überwachen", weiß Meidinger.

Wann Lehrer Handys beschlagnahmen dürfen

Pauschal alle Handys vor dem Unterricht in einer Kiste einzusammeln, sei auch keine gute Lösung. Lehrern droht Ärger, wenn Displays verkratzen oder Schüler sich hinterher ein fremdes Smartphone unter den Nagel reißen. Allerdings hat ein Lehrer das Recht, Geräte für die Dauer des Unterrichts einzukassieren, wenn Schüler sich davon ablenken lassen oder stören. Er darf jedoch nicht im Handy eines Schülers "schnüffeln" oder die Speicherkarte an sich nehmen, weil er darauf Dateien vermutet, die sein Persönlichkeitsrecht verletzen. Das ist die Sache von Polizei oder Staatsanwaltschaft.

Diese Situation schildert eine Lehrerin im Forum: "Wir hatten auch so einen Fall in einer Klasse. Da wurden dann alle Handys der Klasse eingesammelt. Schulleitung war dabei und die Polizei wurde geholt. Mit Hinweis drauf, dass die sich alle Handys anschauen werden. Da wurd's einigen mächtig heiß und sie haben flugs die verpfiffen die gefilmt hatten."

Vorsicht, Kamera! Lehrer schlucken ihren Ärger

Manche Lehrer üben sich in Selbstbeherrschung. Einer schreibt in einem Forum: "Heute gehe ich in jede Unterrichtsstunde mit dem Bewusstsein, dass ich gefilmt werden könnte und verhalte mich bewusst kontrolliert und stets korrekt wie ein Buchhalter. [...] Dann sage ich mir 'Stopp, Du wirst jetzt gefilmt, verhalte Dich jetzt, gerade wenn Du wütend bist, besonders korrekt. Man wird Dich heute Nachmittag im Internet sehen'."

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Die Internetseite lehrerfreund.de listet "10 Tipps, wie Sie verhindern, dass Videos aus Ihrem Unterricht im Web auftauchen". Darunter die Empfehlungen, höflich zu bleiben, sich zusammenzureißen und nicht in langweilige Monologe zu verfallen und die rechtlichen Konsequenzen heimlicher Aufnahmen im Unterricht zu thematisieren.

Der wirksamste Schutz davor, Opfer von ehrverletzenden Schüler-Videos zu werden, ist natürliche Autorität. "Ich denke, dass das stark vom Lehrer und der Qualität des Unterrichts abhängt. Die Kollegen müssen konsequent reagieren, wenn ihnen Handynutzung im Unterricht auffällt."

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