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Supermarkt "The Good Food" bietet nur aussortierte Waren an


Knubbelige Möhren, abgelaufenes Öl
In diesem Supermarkt gibt es nur aussortierte Lebensmittel

  • Claudia Zehrfeld
Von Claudia Zehrfeld

10.04.2017Lesedauer: 4 Min.
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Nicole Klaski steht in ihrem Laden "The Good Food" in Köln.Vergrößern des Bildes
Nicole Klaski in ihrem Laden "The Good Food" in Köln (Quelle: Annika Eliane)

Jährlich werden in Deutschland viele Tonnen Lebensmittel in den Müll geworfen, die eigentlich noch essbar wären. Nicole Klaski will gegen die Lebensmittelverschwendung etwas tun. Deshalb hat sie in Köln "The Good Food" eröffnet – einen Supermarkt für abgelaufene Waren und krummes Gemüse. Wie das bei den Kunden ankommt, erzählt sie im Interview.

t-online.de: Wie kamen Sie auf die Idee, einen Supermarkt für abgelaufene und „unperfekte“ Lebensmittel zu eröffnen?

Nicole Klaski: Eigentlich aus der Verärgerung heraus, dass so viele Lebensmittel weggeworfen werden. Wir haben zuvor schon an Marktständen Sachen verkauft, die sonst in der Tonne gelandet wären. Danach haben wir mehrere Pop-up-Stores gehabt, die nur eine Zeit lang existiert haben. Und dabei haben wir gemerkt, dass wir mit unserem Tun unglaublich viele Lebensmittel retten und wieder unter die Leute bringen können. Da das so gut klappt, wollen wir das nun konstant im neuen Ladenlokal anbieten.

Was kann man bei Ihnen im Laden bekommen?

Immer das Gemüse, was der Bauer nicht geerntet hat. Im Moment sind das zum Beispiel Kartoffeln und Möhren – und zwar solche, die zu klein oder zu groß oder zu knubbelig gewachsen sind. Aber auch Salat, Äpfel, Birnen und Kohl hatten wir in der vergangenen Woche viel. Und auf der anderen Seite verkaufen wir auch Sachen, die abgelaufen sind – ich sage immer lieber „die das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten haben“. Da haben wir jetzt gerade zum Beispiel Kokosnussöl. Ein anderer großer Posten sind Backwaren vom Vortag. Und auch Getränke bieten wir oft an. Bier wird zum Beispiel unglaublich oft aussortiert, das war mir vorher gar nicht bewusst.

Das bedeutet also, dass Sie kein festes Sortiment haben?

Genau. Das ändert sich eigentlich jede Woche – bis auf Kartoffeln und Möhren, die haben wir jetzt monatelang im Sortiment. Ansonsten ist an Gemüse eben das da, was saisonal und regional ist.

Woher kommen Ihre Waren?

Das Gemüse kommt vom Bauern aus der Region. Da fahren wir zwei Mal die Woche hin und ernten es. Die anderen Sachen bekommen wir in der Regel direkt von den Herstellern.

Haben Sie eine Sondererlaubnis, um Abgelaufenes verkaufen zu dürfen?

Das braucht man nicht. Aber wir unterliegen natürlich einer Verpflichtung, dass wir den Kunden informieren müssen, dass das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten ist. Genau das wollen wir ja auch. Wir haben im Laden überall kleine Schilder stehen, auf denen „Abgelaufen, aber lecker“ steht und wollen eben kundtun, dass die Lebensmittel noch total lecker sind, obwohl sie nicht in den konventionellen Handel gelangen.

Abgelaufene Produkte können ja auch verdorben sein. Wie prüfen Sie das?

In den meisten Fällen haben wir das Glück, dass die Hersteller die Ware selbst durch ein spezielles Prüfverfahren testen. Das machen sie netterweise mit den abgelaufenen Sachen noch einmal. Schließlich will auch der Hersteller ein Produkt mit seinem Namen nicht in einem schlechten Zustand in den Handel bringen. So sind wir auf der sicheren Seite.

Hat „The Good Food“ jeden Tag geöffnet?

Wir haben von Mittwoch bis Samstag auf. Dienstags fahren wir immer zum Bauern, da wird frisch geerntet. Meistens fahren wir am Donnerstag oder Samstag noch einmal zu anderen Bauern. Denn der Durchsatz ist gerade so stark, dass dann eine Transporterladung schon leer ist.

Das Konzept kommt also gut bei den Kunden an.

Ja, wir bekommen durchweg positive Rückmeldungen. Die Kunden sagen ständig: „Ich bin immer ganz neugierig, was es heute im Sortiment gibt.“ Gerade eben war noch jemand da und meinte: „Ich wusste gar nicht, was ich heute kochen soll. Und dann stehe ich hier und sehe das Gemüseregal und zack, weiß ich, was es heute Abend zu essen gibt.“ Wir können zwar keinen kompletten Einkaufszettel erfüllen. Aber bei uns kann man sich zumindest ein Mittagessen oder Abendessen zusammenstellen.

Was der Kunde für die Waren zahlt, entscheidet er in Ihrem Laden selbst. Wissen die Käufer immer, wieviel sie geben sollen?

Die Kunden sind häufig überrumpelt und fragen „Oje, wie viel soll ich geben?“. Manche sagen, das sei eine große Hürde. Uns ist das dennoch sehr wichtig. Denn so beschäftig man sich wieder mit dem, was man einkauft – und erfährt im Gespräch zum Beispiel, dass der Bauer dafür Saatgut sähen und später die Früchte ernten musste und was da für eine Logistik dahinter steckt, das Gemüse vom Feld in den Laden zu bringen und so weiter. So wird noch einmal verdeutlicht, dass diese frischen Gemüsesorten nicht einfach so im Laden wachsen, sondern dass da Arbeit hinter steckt.

Was für Menschen kaufen bei Ihnen ein?

Wir haben Kunden dabei, die wissen, dass sie bei uns günstig einkaufen können und trotzdem gute Produkte bekommen. Und es kommen Menschen, die sehr hohe Standards an ihren Einkauf legen, also zum Beispiel viel Wert auf Frische. Bei uns kommt das Gemüse eben direkt vom Feld – frischer geht es kaum. Deshalb zahlen manche entweder genauso viel wie im Bioladen, weil die Qualität genauso gut ist, oder sie legen sogar noch etwas drauf, weil sie möchten, dass wir weitermachen.

Wie kommt das Konzept bei den Bauern an?

Der Bauer hat natürlich ein lachendes und ein weinendes Auge. Er ist ein wenig traurig, weil er die Sachen gerne selbst verkaufen würde. Aber das funktioniert nicht. In seinem Hofladen greifen die Kunden immer zum Perfekten – beziehungsweise zu dem, von dem sie glauben, dass es das Perfekte ist. Und die kleinen oder zu großen Kartoffeln bleiben liegen. Deshalb freut sich der Bauer auch, dass wir kommen und er die nicht nur angebaut hat, um sie wieder unterzupflügen.

Trotz allem bleibt doch sicher auch mal bei Ihnen im Laden am Ende des Tages etwas übrig. Was passiert damit?

Das, was stehen bleiben kann, bleibt natürlich stehen. Und die Backwaren gehen immer ratzeputz weg. Dann nehme ich oft Sachen für meine WG mit oder auch mal für das gesamte Haus. Und wenn einmal viel zu viel übrig bleibt: Wir haben einen Koch im Team, der die Sachen zu Suppen einkocht.

Nicole Klaski, 34 Jahre, wurde in der Nähe von Köln geboren. Sie hat einen Master in Human Rights und arbeitete bereits in einer lokalen NGO in Nepal. Den Laden "The Good Food" eröffnete sie im Februar 2017. Es ist der erste Supermarkt dieser Art in Deutschland. Die etwa zehn Mitarbeiter arbeiten dort ehrenamtlich – Klaskis Ziel ist es aber, feste Stellen zu schaffen.

Das Interview führte Claudia Hamburger.

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