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Meinung: Urteil zum Numerus Clausus war längst überfällig


Auswahlverfahren gekippt
Warum die Entscheidung zum Numerus Clausus überfällig war

MeinungJuliane Wellisch

19.12.2017Lesedauer: 2 Min.
Meinung
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Evangelisches Krankenhaus in HammVergrößern des Bildes
Wer ist für das Medizinstudium geeignet? Abiturnoten geben nur einen unvollständigen Eindruck von der Eignung für den Arztberuf. (Quelle: Guido Kirchner/dpa-bilder)

Das Bundesverfassungsgericht hat das Auswahlverfahren per Numerus Clausus im Fach Humanmedizin für teilweise verfassungswidrig erklärt. Die jetzt fälligen Änderungen beim Zulassungsverfahren sollten die Akteure als Chance begreifen.

Mediziner müssen Symptome erkennen und deuten können – selbst wenn der Patient nicht die richtigen Worte findet, um diese zu beschreiben. Von Ärzten wird ein breites Fachwissen verlangt, das stets durch neue Erkenntnisse erweitert oder infrage gestellt wird. Darüber hinaus müssen sowohl niedergelassene Ärzte als auch Mediziner an Krankenhäusern jenseits von Diagnosen und Behandlungsempfehlungen jeden Patientenkontakt dokumentieren – für Krankenakten, Kollegen und Kostenträger.

Bei einem solchen Anforderungskatalog an Mediziner ist es kaum mehr zeitgemäß, die Studienzulassung mittels Numerus Clausus zu beschränken. Schließlich fließen in die Abiturnote auch medizinferne Fächer wie Geografie, Kunst oder die zweite Fremdsprache ein. Soft Skills, die beim Umgang mit kranken Menschen essentiell sind, werden genauso wenig abgebildet, wie die Fähigkeit, über auswendig Gelerntes hinaus, Zusammenhänge zu erkennen.

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Richter widersprechen der Auswahl nach Abiturnoten nicht

Die heutige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts beanstandet die Vergabe des Studiums anhand der Abiturnote nicht grundsätzlich. Vielmehr wird unter anderem bemängelt, dass die Chancen der Bewerber in erster Linie davon abhängen, "welchen Ortswunsch sie angegeben haben und nur in zweiter Linie von ihrer Eignung für das Studium". Darüber hinaus können Hamburg und Bayern eigenständig weitere Auswahlkriterien festlegen, die sich nicht im gesetzlichen Kriterienkatalog finden.

Hinzu kommt: Die Abiturnoten in den verschiedenen Bundesländern seien nicht vergleichbar und es gebe bei der Zulassung keine Mechanismen, hier einen Ausgleich zu schaffen. Die Richter sehen in alldem Gründe, warum das derzeitige Zulassungsverfahren nicht dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes (Art. 3, Abs. 1) entspricht. Bund und Länder müssen nun ein Verfahren im Gesetz verankern, das die Eignung für das Medizinstudium in standardisierter und strukturierter Weise prüft.

Urteil als Chance begreifen

Das Urteil wendet sich also nicht gegen die Beurteilung nach Noten selbst. Allerdings bietet es die Gelegenheit, das Zulassungsverfahren grundsätzlich auf die Probe zu stellen. Das Abitur – oder besser gesagt die Hochschulreife – soll eigentlich Schulabsolventen auszeichnen, die in der Lage sind, ein Studium an einer Hochschule aufzunehmen und die Fähigkeiten haben, ein solches auch zu bestehen. Nicht nur im Bereich der Humanmedizin wurde der mögliche Bewerberkreis durch den immer schärferen Numerus Clausus jedoch immer mehr beschränkt. Viele geeignete Abiturienten werden daher praktisch von vornherein vom Studium ausgeschlossen.

Bessere Eignungsprüfung ist nur der erste Schritt

Neben der Abiturnote könnten zukünftig Eignungstests, die Gewichtung von relevanten Einzelnoten sowie die Berücksichtigung von Fähigkeiten, die etwa in einer Berufsausbildung erworben wurden, dabei helfen, eine gerechtere Beurteilung der persönlichen Eignung für das Medizinstudium vorzunehmen.

An dem Grundproblem werden allerdings auch neue Regelungen zur Studienzulassung nichts ändern. Es stehen zu wenige Studienplätze für zu viele Bewerber zur Verfügung. Angesichts einer drohenden medizinischen Unterversorgung, insbesondere in ländlichen Gebieten, sollte daher zusätzlich die Zahl der Studienplätze für Medizin in ganz Deutschland ausgebaut werden. Auf diese Weise würden nicht nur mehr geeignete Bewerber zum Studium zugelassen, auch dem Ärztemangel könnte so besser entgegengewirkt werden.

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