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Freundschaft: Können Mädchen und Jungen beste Freunde sein?


Jungen und Mädchen
Können Mädchen und Jungen beste Freunde sein?

t-online, Nicola Wilbrand-Donzelli

Aktualisiert am 27.04.2017Lesedauer: 4 Min.
Jungs spielen am liebsten mit Jungs - dafür gibt es handfeste Gründe.Vergrößern des BildesJungs spielen am liebsten mit Jungs - dafür gibt es handfeste Gründe. (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)
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Sie sind unzertrennlich, verbringen viel Zeit miteinander, spielen gemeinsam oder lachen und streiten zusammen: beste Freunde. Doch wie intensiv sind solche "verschworenen Gemeinschaften" in jungen Jahren wirklich und welche Rolle spielt das Geschlecht? Der Psychologe und Freundschaftsexperte Horst Heidbrink gibt Antworten.

"Lilli, du bist jetzt meine beste Freundin", strahlt die fünfjährige Ella, nachdem sie am Tag zuvor ihrer Freundin Gil dasselbe sagte. Und der vierjährige Aaron, der bisher vor allem mit Kumpel Lars spielen wollte, hat sich nun als besten Freund Kindergartenkollege Eric auserkoren. Die Mütter der Knirpse kennen solche spontanen Sympathiebekundungen ihrer Sprösslinge und wissen, dass es nichts Ungewöhnliches ist, wenn sich die Vorlieben ihres Nachwuchses ständig ändern und wöchentlich ein neuer Lieblingskumpel beziehungsweise eine neue "Busenfreundin" nach Hause eingeladen wird.

Freundschaften zu schließen, muss man erst lernen

Gerade während der frühen Kindheit sind solche wechselhaften Beziehungen zwischen Kindern typisch. Die Kleinen müssen nämlich erst lernen, wie Freundschaft funktioniert - ein Prozess, der sich während der gesamten Jugend verändert, weiß der Psychologe und Freundschaftsforscher Horst Heidbrink von der Fernuniversität Hagen: "Zwischen drei und vier Jahren beginnen die meisten Kinder, bewusst Kontakte zu knüpfen und so etwas wie Freundschaften zu schließen", so der Experte gegenüber der Elternredaktion von t-online. "Dann haben sie eine Vorstellung von ihrem Ich - dazu gehört auch ihre Geschlechtsidentität - und sie können sich bewusst in andere einfühlen."

Zweckorientierte Spielkameradschaft während der Kindergartenzeit

Doch dieses Miteinander hat in diesem Alter noch keine Dauerhaftigkeit, ist eher an eine räumliche Nähe und an die Verfügbarkeit des Gegenübers gekoppelt als an die Persönlichkeit des Freundes. Die Kinder sind noch eher zweckorientierte Spielkameraden, die vor allem durch ihr gemeinsames Tun miteinander verbunden sind. Das harmonische Verhältnis kann so etwa bei einer Meinungsverschiedenheit schon nach wenigen Stunden wieder vorbei sein, wenn sich beispielsweise ein Kind bedrängt und in seiner Entscheidungsfreiheit eingeengt fühlt.

"Echte Kooperation, die Fähigkeit Kompromisse zu schließen und aufeinander zuzugehen oder sich aus freien Stücken beim Freund zu entschuldigen, können Kinder erst, wenn sie etwa neun Jahre alt sind", erklärt Heidbrink. "Dann haben sie gelernt, sich selbst auch mit den Augen des anderen zu sehen und beginnen zu verstehen, dass Freundschaft eine soziale Beziehung ist, bei der die Balance zwischen Geben und Nehmen eine wichtige Rolle spielt."

Freundschaft basiert auf Gleichheit, Freiwilligkeit und Balance

Obwohl sich jüngere Kinder auch alters- und geschlechtsunabhängig miteinander beschäftigen, bevorzugen es doch die allermeisten Mädchen und Jungen, mit Ihresgleichen zu spielen, denn das Prinzip der Gleichheit ist neben der Freiwilligkeit ebenfalls eine wichtige Voraussetzung für das Funktionieren einer freundschaftlichen Beziehung. "Aus zahlreichen Untersuchungen weiß man", erläutert der Psychologe, "dass beste Freunde meist gleichaltrig sind, sehr oft dasselbe Geschlecht haben und dazu bestimmte Interessen und Einstellungen miteinander teilen." Die Temperamente und Charaktere müssten sich dagegen nicht unbedingt gleichen. Hier machten Gegensätze sogar Sinn.

Die ungleichen Spielweisen von Jungen und Mädchen

Wie verschieden Jungen und Mädchen agieren und wie klein die Schnittmengen für eine mögliche enge Freundschaft sind, wird vor allem beim Spielen deutlich: "Mädchen beschäftigen sich gerade im Kindergarten und im Vorschulalter gerne zu zweit und tauchen dann bevorzugt in soziale Rollenspiele zum Beispiel mit Puppen ein, bei denen viel kommuniziert wird und ganze Drehbücher abgespult werden. Die Wissenschaft nennt dies 'Face-to-Face-Spiel'", erläutert Heidbrink.

Diese Art zu spielen ist Jungs dagegen eher fremd. Sie suchen keinen Kumpel zum Reden, wollen lieber etwas gemeinsam erleben, etwa beim Fußball oder anderen Hobbys zusammen aktiv sein und sich dabei mit anderen messen. "Das sogenannte 'Side-by-Side-Spiel' charakterisiert dieses maskuline Miteinander sehr treffend", kommentiert der Psychologe. "Durch diese unterschiedlichen Weisen Freundschaften zu leben, ist es auch eher unwahrscheinlich, dass ein Junge und ein Mädchen zu 'Best Friends' werden können."

In der Schule grenzen sich die Geschlechter deutlich voneinander ab

Und diese Tendenz verstärkt sich sogar noch mit dem Schuleintritt: Im Unterschied zum Kindergarten sind nun alle in einer Klasse etwa gleichaltrig und suchen deshalb in der der jeweiligen Geschlechterrolle eine neue Positionierung, mit der sie sich klar abgrenzen können. Dabei sind Jungs in ihrer Abschottung gegenüber dem anderen Geschlecht strikter als Mädchen, die zwar auch am liebsten mit ihren Freundinnen zusammen sind, aber gleichzeitig oftmals kein Problem darin sehen, sich der männlichen Welt anzunähern - vor allem dann, wenn sie eher zu den burschikosen Typen zählen, gleiche Interessen haben wie ihre Klassenkameraden und zum Beispiel bei actionreichen Spielen, wie etwa Fußball mitmachen. Dann werden Mädchen auch von den Jungs akzeptiert.

Jungen sind ihren männlichen Peergroups stark verpflichtet

Den Grund für die ungleiche Annäherungsbereitschaft zwischen den Geschlechtern während der ersten Schuljahre vermutet Experte Heidbrink vor allem darin, wie die Gesellschaft auf das typisch Weibliche und das typisch Männliche blickt: "Wenn Mädchen etwa Sportarten betreiben, die sonst eher Jungs bevorzugen, und beispielsweise partout keine Kleider und Röcke tragen wollen, ist das bei uns sozial akzeptiert. Jungen hingegen, die weniger wild sind und eher feminine Interessen haben, erzeugen gemeinhin eher Skepsis und werden schnell als Weichlinge betrachtet."

Kein Wunder also, so der Psychologe weiter, dass der Druck in der männlichen Peergroup besonders groß sei und es viel Selbstbewusstsein bedürfe, mit den Frotzeleien der Kumpel umzugehen, falls doch mal eine Annäherung an die Mädchen versucht würde.

Cliquenwirtschaft mit gemischten Freundschaftkonstellationen während der Pubertät

In der Pubertät, wo sich das Miteinander gleichaltriger Teenager meist in Cliquen abspielt, weichen dann die Freundschaftsgrenzen zwischen den Geschlechtern auf. In dieser Phase haben intensive Freundschaften einen besonders hohen Stellenwert, denn sie dienen als Vorbereitung, sich vom Elternhaus abzulösen: "Hier gibt es zum einen die ausgesprochen innigen Zweier-Mädchenverbindungen, die sehr oft einen fast intimen Ausschließlichkeitscharakter haben und zum anderen entwickeln sich in solchen Gruppen auch enge Beziehungen zwischen Mädchen und Jungs", erläutert der Psychologe. "Doch solche Freundschaften können sich schnell zu einer romantischen Liebesbeziehung entwickeln - die Grenzen sind da fließend." Die verschworene Zweiergemeinschaft der "besten Freunde" steht dann unter neuen Vorzeichen.

Als Fazit betont Horst Heidbrink, dass er sich viel häufiger enge freundschaftliche Beziehungen zwischen Jungen und Mädchen wünschen würde: "Wenn wir alle mehr solche Freundschaften in unserer Kindheit gehabt hätten, wäre das Verständnis für das andere Geschlecht und die Toleranz gegenüber typisch weiblichen beziehungsweise typisch männlichen Verhaltensweisen sicherlich oftmals größer."

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