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Scheidung: Zerstören Gutachten für das Sorgerecht die Familie?


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ZDF Zoom: Wie Gutachten Familien zerstören können

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27.10.2011Lesedauer: 4 Min.
Mit der Scheidung beginnt oft der erbitterte Streit ums Sorgerecht.Vergrößern des BildesMit der Scheidung beginnt oft der erbitterte Streit ums Sorgerecht. (Quelle: archiv-bilder)
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Nach einer Scheidung entbrennt nicht selten ein erbitterter Streit um das Sorgerecht für das Kind oder die Kinder. Wird keine einvernehmliche Einigung erzielt, beauftragt das Familiengericht ein psychologisches Gutachten, um festzustellen, bei welchem Elternteil das Kind besser aufgehoben ist. Doch was taugen diese Gutachten? Schaden sie oft mehr als sie nutzen, weil sie die Familie noch weiter auseinandertreiben? Darum ging es gestern bei "ZDF Zoom" in der Folge "Kampf ums Kind. Wenn Gutachten Familien zerstören".

Umstrittenes Gutachten bescheinigt "schwere charakterliche Defizite"

Schon kurz nach der Geburt muss sich Daniel G. alleine um seine Tochter kümmern. Die Mutter leidet an Depressionen, benötigt intensive psychologische Behandlung und ist nicht in der Lage, das Baby zu versorgen. Die Familie bricht auseinander, Daniel G. steht als alleinerziehender Vater da. Als sich die Mutter nach 15 Monaten gesund zurückmeldet, beginnt ein erbitterter Streit ums das gemeinsame Kind.

Die vom Gericht beauftragte Gutachterin befindet, dass die Tochter bei der Mutter besser aufgehoben sei und bescheinigt Daniel G. schwere charakterliche Defizite. Laut Werner Leitner, Psychologe an der Universität Köln, besteht hier der größte Widerspruch im Gutachten: Dem Kind wird eine gute Entwicklung bescheinigt, Daniel G. wird sogar als feinfühlig beschrieben - doch gleichzeitig wird seine charakterliche Integrität bezweifelt. Daniel G. habe einen Kontrollzwang und leide an Selbstüberschätzung und Starrsinn. Leitner stellt fest, dass die Gutachterin, um zu diesem Ergebnis zu kommen, keine aussagekräftigen wissenschaftlichen Methoden verwandt hat.

Daniel G. lässt zudem insgesamt drei Gegengutachten erstellen. Alle kommen zu dem Schluss, dass die Gutachterin unfair beurteilt und wissenschaftliche Standards nicht eingehalten habe. Es beginnt eine juristische Schlammschlacht und zurückbleiben ein verwaistes Kinderzimmer, ein am Boden zerstörter Vater und ein traumatisiertes Kind.

Das ist der Fall, den die Autoren Rainer Fromm und Michael Strompen für die TV-Dokumentation recherchiert haben.

Rund eine Million Kinder hat keinen Kontakt zu einem Elternteil

Etwa 150.000 minderjährige Kinder erleben jedes Jahr, dass sich ihre Eltern scheiden lassen. Psychologen argumentieren, dass die schwerwiegende emotionale Belastung für die Kinder abgemildert werden könnte, wenn das geschiedene Paar sich weiter die elterliche Sorge teilen würde. Doch eine einvernehmliche, harmonische Lösung bleibt oft eine Utopie. Experten schätzen, dass rund eine Million Kinder in Deutschland mit einem Elternteil keinen Umgang hat.

Psychologe: Gerichte schaffen Gewinner und Verlierer

In dem ZDF-Film kritisieren Psychologen, dass Familienrichter Eltern beim Scheidungsprozess in Gewinner und Verlierer unterteilten und das Kind nur einem Elternteil zusprächen, weil sie das für eine eindeutige und dauerhafte Lösung halten. "Doch ein Urteil, das für Kinder den Verlust eines Elternteils bedeutet, ist kein Schlussstrich, wie heute immer noch etliche Richter wie auch Gutachter glauben", beklagt der Psychologie-Professor und Familienrechtsgutachter Uwe Jopt aus Lemgo. Dann gehe der Streit meist erst richtig los und verletze die kindliche Psyche noch mehr.

Nach schlechten Gutachten eskaliert der Streit

"Schlechte Familienrechtsgutachten sind ein Problem", so zitiert das ZDF den auf Familienrecht spezialisierten Anwalt Christoph Berndt aus Halle an der Saale. Dadurch könnten Konflikte durch einen jahrelangen Rechtsstreit noch weiter eskalieren. Doch wann ist ein Gutachten überhaupt nötig? Und wie häufig passiert es, dass eine Schlammschlacht mit Gutachten und Gegengutachten losgetreten wird? Die Eltern-Redaktion von t-online.de hat bei Berndt nachgefragt. Dieser beschwichtigt: "Die Fälle, in denen wirklich Mist gemacht wird, sind Ausreißer."

Wann ein Gutachter eingeschaltet wird

Salopp gesagt: Ein Gutachter wird vom Gericht zu Rate gezogen, wenn es nicht weiter weiß. Anlass für ein Gutachten sind nicht unbedingt Sorgen um das Kindeswohl. "Es gibt ja auch Fälle, bei denen beide Elternteile wunderbar für das Sorgerecht geeignet sind, aber eines sich für besser hält," verdeutlicht Fachanwalt Berndt. Was und wie der Gutachter prüft, hängt vom Fall ab. "Aber er kann nicht machen, was er will." Zwar kann ein Gutachter seine Methodik selbst wählen. Doch dabei muss er sich eines anerkannten, wissenschaftlich überprüfbaren Diagnoseverfahrens bedienen. Ein Gutachten entsteht üblicherweise im Zuge von fünf bis sechs Terminen mit allen Beteiligten - mit den Elternteilen einzeln und gemeinsam sowie mit dem Kind.

Es fehlen Qualitätskriterien für Gutachter

"Jedes Gericht hat einen Pool von Gutachtern. Da können sich durchaus, positiv ausgedrückt, Netzwerke bilden", sagt Berndt. Wie in jeder Branche gebe es auch bei Gutachtern einzelne schwarze Schafe. "Es ist bedauerlich, dass es keinerlei Qualitätskriterien für Gutachter gibt", beklagt der Rechtsexperte. Dennoch müsse man sich im Scheidungsprozess nicht vor einem Gutachten fürchten. Dieses könne auch eine Entlastung sein und eine neutrale Perspektive in einen festgefahrenen Konflikt hineinbringen. Überdies würden die Betroffenen von ihrem Anwalt durch die Situation begleitet. Sollten berechtigte Zweifel an den Methoden des Gutachters aufkommen, könne der Anwalt einschreiten.

Ist ein Gutachten anfechtbar?

Begründete Einwände gegen ein Gutachten seien fragwürdige oder nicht anerkannte Diagnoseverfahren, falsche Tatsachenbehauptungen, Befangenheit oder Parteilichkeit des Gutachters, erklärt Berndt. Wenn ein Betroffener auf eigene Kosten ein Gegengutachten in Auftrag gibt, wird darin lediglich das strittige Gutachten bewertet, nicht aber die Familiensituation, beziehungsweise die Sorgerechts-Tauglichkeit des Elternteils. Dies geschieht nur, wenn in zweiter Instanz ein neuer Gutachter vom Gericht beauftragt wird.

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