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Kurzdeutsch: Warum sogar Lehrer der Jugendsprache verfallen


"Gehst du Kino?"
Warum sogar Lehrer dem Kurzdeutsch verfallen

dpa, Antonia Lange

Aktualisiert am 13.02.2016Lesedauer: 3 Min.
Sprache: Bloß nicht mit sprachlichen Feinheiten aufhalten: ein typischer WhatsApp-Dialog.Vergrößern des BildesBloß nicht mit sprachlichen Feinheiten aufhalten: ein typischer WhatsApp-Dialog. (Quelle: dpa-bilder)
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Kurzdeutsch breitet sich aus. Artikel und Präpositionen werden einfach weggelassen. Zurück bleiben Sätze wie "Ich bin noch Büro" oder "Er hat Tor geschossen". Das ist längst kein Sprachproblem von Migranten mehr, sondern eine ansteckende Marotte.

Dieser Satz brachte das Fass zum Überlaufen: "Kommst du eigentlich nachher mit Kino?" Als jemand der Berliner Sprachwissenschaftlerin Diana Marossek diese Frage stellte, fiel ihr auf, wie viele ihrer Freunde und Bekannten eine Sprache verwenden, die sie Kurzdeutsch nennt. Für das Phänomen hat sich auch der Begriff Kiezdeutsch eingebürgert.

"Seltsamerweise sah kein Mensch einen Anlass, derlei verkürzte Sätze zu korrigieren", schreibt Marossek in ihrem Buch "Kommst du Bahnhof oder hast du Auto?", das in diesem Februar im Hanser Verlag erschienen ist.

Kiezdeutsch soll jugendlich klingen

Die Forscherin, die sich dem Thema bereits in ihrer Doktorarbeit widmete, versuchte zu ergründen, warum so viele in breitestem Kiezdeutsch reden. Denn: Den vermeintlichen Fehler machen längst nicht nur Migranten, sondern auch Deutsche aus allen sozialen Schichten.

"Das liegt auch daran, dass solche Ausdrücke zitiert werden, wenn sich jemand jugendlich geben will", erklärt der Direktor vom Institut für Deutsche Sprache, Ludwig Eichinger.

Schnell mal eine Message ins Handy getippt

Ein weiterer Faktor seien soziale Medien. "Wenn es stark auf Kürze ankommt, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass solche Strukturen eine Rolle spielen", erklärt er. "Da sind Geschwindigkeit und Zeichenzahl wichtig. Da lässt man weg, was nicht unbedingt nötig ist."

Das hat auch Sprachforscherin Marossek festgestellt. "Es gibt immer eine formelle und eine informelle Sprache", sagt sie. In einem Chat wie bei Facebook und WhatsApp gebe es keine Vorgaben. "Man chattet mit seiner Mutter wie mit seinem Kumpel." Das habe auch dazu beigetragen, dass in bestimmten Situationen selbst Akademiker in einer Art Ghettoslang kommunizierten.

Marossek beobachtete inkognito an Berliner Schulen aller Formen die Sprache von Schülern und Lehrern. Sogar im Lehrerzimmer hörte sie Folgendes: "Welches Kino geht ihr denn?" - "Wir gehen Titanium." Die Sprachwissenschaftlerin erklärt: Je weiter sich das vereinfachte Deutsch unter Jugendlichen ausbreite, desto mehr beeinflusse es Erwachsene, die viel mit ihnen zu tun haben. "Die Lehrer nehmen das natürlich dann mit nach Hause und so verbreitet sich das."

Das klingt wie türkisch – aber auch berlinerisch

Wie kam das Phänomen überhaupt auf? "Als Entstehungsfaktor für das Weglassen von Artikeln und Präpositionen sehen sprachwissenschaftliche Studien den Einfluss des Türkischen", erklärt Melanie Kunkel aus der Duden-Redaktion. Dort gebe es keine Artikel oder Präpositionen. Zugleich komme Kurzdeutsch hierzulande auch in regionalen Dialekten vor. "Ich bin auf Arbeit" sei in Berlin beispielsweise schon lange gebräuchlich.

Alles nicht so schlimm?

Mit Blick auf die Verbreitung hält Forscherin Marossek verschiedene Szenarien für möglich: Das Kurzdeutsch verschwindet wieder, es bleibt ein Phänomen einer Generation. Oder Teile davon nisten sich dauerhaft in der Umgangssprache ein. Vor allem letzteres hält die Berlinern für wahrscheinlich.

Eltern müssen aber nicht fürchten, dass Lehrer ihren Schülern falsche Grammatik beibringen. "Wendungen wie "Kommst du Bahnhof?" werden von den Sprechern selbst als umgangssprachlich empfunden", betont die Duden-Redakteurin. "Die meisten Menschen, die sie verwenden, sind durchaus in der Lage, situationsabhängig in die Standardsprache zu wechseln."

Generell sollten Eltern gelassen bleiben, wenn Jugendliche nur noch Kiezdeutsch reden. "Über die Sprache grenzen sich Jugendliche von ihren Eltern ab", sagt Dana Urban von der Onlineberatung der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung (bke). "Und es geht dabei um das Dazugehören, um Cliquenbildung."

Hilfreich kann es sein, allgemeine Regeln zum Umgangston innerhalb der Familie aufzustellen. Eltern sollten darauf bestehen, dass ihre Kinder mit ihnen nicht so reden wie mit ihren Freunden. "Der Umgangston sollte passen und Beleidigungen sind tabu", sagt Urban.

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