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Messerkunst aus Solingen


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Messerkunst aus Solingen

Frank Lansky

Aktualisiert am 26.10.2015Lesedauer: 4 Min.
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Diese Messer stammen aus edlen Manufakturen.Vergrößern des Bildes
Diese Messer stammen aus edlen Manufakturen. (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)

Wer bisher dachte, Kochen sei einfach, muss umdenken. Kochen ist eine Kunst – und auch das Handwerkszeug ist ein Hightech-Produkt. Ein edles Messer ist immer auch ein Stück Lebensqualität. wanted.de hat sich in der überraschend vielfältigen Welt genauer umgeschaut.

Bei unserer Recherche sind wir natürlich in Solingen gelandet. Die Stadt ist seit Jahrhunderten bei Messern der Nabel der Welt: Als einziger Städtenamen auf dem Globus ist Solingen gesetzlich geschützt.

Klingen seit dem 14. Jahrhundert

Hier gab es Bäche und Flüsse zuhauf, die mit ihrer Wasserkraft die Hämmer der Schmiede antreiben konnten. Und so konnte Solingen die gigantische Nachfrage aus Köln befriedigen. Der Bau Doms war ein riesiges Konjunkturprogramm: Über Jahrhunderte mauserte sich Köln zu einem Magneten für Zünfte und Gilden. Alle brauchten Messer für ihre tägliche Arbeit und Schwerter zum Schutz gegen Wegelagerer. Erstmals urkundlich erwähnt wurde die Solinger Klingenfertigung im Jahr 1363. Anfang des 20. Jahrhunderts konkurrierten hunderte Handwerksbetriebe in der Stadt. >>

Da bis in die Gründerzeit hinein viele Menschen Analphabeten waren, verwendeten die Manufakturen Firmensymbole – somit sind die Hersteller mit der längsten Tradition leicht an ihren Wappen zu erkennen.

Qualität durch Stahl, Verarbeitung und Schliff

Ein gutes Messer kostet ab 40 Euro aufwärts und trennt das Schneideobjekt ohne merklichen Widerstand sauber ohne zu quetschen. So kann sich beispielsweise der Saft einer Zwiebel nicht über dem Schneidebrett ausbreiten. Meist wird rostfreier Edelstahl verwendet. Carbonstahl, der zwar rosten kann, aber schärfer ist, hat sich eine wichtige Nische erschlossen, genauso der teure gefaltete Damast. Zudem sind Keramik-Messer auf dem Vormarsch.

Ein Top-Messer aus Stahl ist nie gestanzt, sondern aus einem Stück geschmiedet. Durch das ständige Hämmern beim Schmieden verändert sich >>

der Stahl – er wird zäher und die Moleküle in der Klinge richten sich einheitlich aus. Das macht die Klinge elastischer. Eine durchlaufende Klinge hat keine geschweißten Nähte und damit auch keine potenziellen Bruchstellen. Aus einem Stück geschmiedete Messer erkennen Sie am Kropf, das ist die Verdickung zwischen Klinge und Griff. Hauchen Sie dort auf den Stahl - zeigt sich ein Schatten, dann ist die Klinge nur angeschweißt.

Damit kommen wir zu unserer subjektiven Liste interessanter Produzenten. Güde stellt seit 1910 geschmiedete Messer aus nur einem Stück Stahl her und lässt jede einzelne Klinge von Hand schleifen und veredeln. Franz Güde löste 1931 mit der Erfindung des Wellenschliffs eine kleine Revolution aus – und dies war neben der Erfindung von Keramik-Messern auch die letzte Innovation in der Branche. Der Wellenschliff wird bei nahezu jedem Brotmesser weltweit eingesetzt.

Wüsthof – die Klinge mit dem Dreizack

Seit dem Jahr 1814 produziert das Familienunternehmen Ed. Wüsthof Dreizackwerk hochwertige Klingen. Das Gründungsjahr ist wenig verwunderlich, denn während der napoleonischen Kriege waren Säbel, Messer und Bajonette stark gefragt. Die Firma fertigt heute ihre Messer für Haushalt und Gastronomie in fast 50 Arbeitsgängen. Rund 300 Varianten mit dem Dreizack-Logo stehen zur Auswahl.

Carbonstahl von Windmühlenmesser

Ganz eigene Wege geht seit 1872 Robert Herder mit Windmühlenmesser. Einer der Schwerpunkte der Firma ist der Einsatz von Kohlenstoffstahl, beziehungsweise Carbonstahl. Die Korrosion lässt zwar die Messer grau anlaufen und hinterlässt einen Metallgeschmack. >>

Wegen des Kohlenstoffgehaltes können die Klingen aber höher gehärtet und damit schärfer geschliffen werden. Bis heute fertigt die Firma ihre Klingen nach dem "Solinger Dünnschliff", wobei der Schliffwinkel weit oben angesetzt wird. Die Klinge läuft schlank und sehr spitz auf die Schneide zu. Das Ergebnis ist eine ganz besondere Schärfe – aber auch eine sensiblere Klinge. Hebeln und Verkanten vertragen diese Messer nicht. Übrigens stammt von dieser Schleifart auch der Begriff Nagelprobe: Der Meister prüft mehrmals die Klinge, dabei zeigt sich eine kleine Wölbung an der Schneide.

Edler Damast von Böker

Seit 1829 fertigt Böker edle Klingen – begonnen hat alles in der Zeit der Restauration, als die deutschen Fürsten nach dem Ende der napoleonischen Herrschaft ihre Macht in den Kleinstaaten wieder festigten und in Deutschland die Armut grassierte. Böker stellte erst Säbel her und expandierte bald in die USA. Echte Kunstwerke im Zeichen des Kastanienbaums, der einst in der Manufaktur stand, finden sich in der Serie "Böker Damast Black". Die Maserung ist atemberaubend, der Preis aber auch.

Gute Pflege ist Pflicht

Zum Abschluss noch ein paar Pflegetipps: Lassen Sie die Messer nicht über längere Zeit ungereinigt. Zitronen greifen selbst Edelstahl an. Bei Carbonstahl sind zudem Milch, Paprika und selbst Wasser schädlich. Messer mit Holzgriffen gehören nicht in die Spülmaschine, da sich das Holz ausdehnt und Risse entstehen. Auch gutes Wetzen ist Pflicht: Ein Wetzstahl muss mindestens 26 Zentimeter lang sein, besser sind 32 Zentimeter. Der Profi zieht das Messer von beiden Seiten der Klinge abwechselnd jeweils zehn Mal im Winkel von 15 bis 20 Grad über den Stahl. Niemand braucht eine ganze Serie eines Anbieters – sechs bis sieben Messer reichen für die Küche.

In unserer Foto-Show können Sie sich einige Modelle und das traditionelle Handwerk ansehen.

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