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Zimmerpflanzen und Blumen: Warum Rosen aus Kenia umweltfreundlicher sind


Grün und giftig
Warum Zimmerpflanzen nicht nachhaltig sind


Aktualisiert am 29.06.2023Lesedauer: 5 Min.
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Urban Jungle: Der Trend erfreut sich vor allem auf Instagram großer Beliebtheit.Vergrößern des Bildes
Urban Jungle: Der Trend erfreut sich vor allem auf Instagram großer Beliebtheit. (Quelle: eclipse_images/getty-images-bilder)

Zimmerpflanzen im Regal und der Strauß Rosen auf dem Tisch ist Alltag für die meisten Deutschen. Doch ist das dekorative Grün wirklich naturnahe? Tatsächlich gilt meist das Gegenteil.

Möglichst grün, möglichst viel, möglichst exotisch: Viel Grün im Zuhause ist im Trend. Besonders jetzt, wo durch die Corona-Pandemie mehr Zeit zu Hause verbracht wird, wollen offensichtlich viele Menschen ein Stück Natur in das heimische Wohnzimmer holen. Mit 9,4 Milliarden Euro lag der Umsatz der Blumen- und Pflanzenbranche in Deutschland 2020 auf einem Rekordhoch. Doch was den meisten wohl dabei nicht bewusst ist: Das "Stück Natur" ist oft im negativen Sinn wörtlich zu nehmen. Denn die meisten Pflanzen und Schnittblumen, die in Deutschland verkauft werden, sind alles andere als nachhaltig.

"Beim Thema Zimmerpflanzen ist der Nachhaltigkeitsgedanke bisher noch nicht angekommen", bestätigt Expertin Anke Neumeier vom BUND Bayern. Das liege vermutlich daran, dass Pflanzen anders als zum Obst oder Gemüse nicht gegessen werden, und sich die Verbraucher daher weniger Gedanken um die Herkunft machen. "Auf der anderen Seite sehen Zimmerpflanzen immer so unglaublich nachhaltig aus, die sind ja schön grün und kommen nett im Töpfchen daher. Wir verbinden psychisch einfach etwas sehr Positives mit Pflanzen."

Der hohe Preis der Billig-Pflanzen

37 Euro pro Jahr gibt der Durchschnittsdeutsche für Schnittblumen aus, bei Zimmerpflanzen sind es 18 Euro. Pflanzen gibt es überall – ob im Discounter, Baumarkt oder Möbelhaus – und meist für wenig Geld. Das ist eigentlich kein gutes Zeichen, sagt Neumeier: "Pflanzen sind so billig, weil die Schäden und Zerstörung nicht von uns bezahlt werden. Diesen Preis zahlen die Arbeiterinnen und Arbeiter und die Umwelt."

Denn angebaut werden Pflanzen in den wenigsten Fällen in der Gärtnerei um die Ecke. Der Großteil stammt aus subtropischen und tropischen Ländern, wie Kenia, Äthiopien, Ecuador oder Sri Lanka. Woher genau eine Pflanze kommt, ist oft nicht nachzuvollziehen. In Europa sind die Niederlande der größte Umschlagplatz. Von den dortigen Großmärkten wird nach Deutschland importiert – welche Stationen eine Pflanze vor den Niederlande aber schon hinter sich hatte, ist dann nicht mehr zu überprüfen.

Warum Rosen aus Kenia umweltfreundlicher sind

Ein Beispiel: Rosen. Die beliebteste Schnittblume der Deutschen kommt meist aus Kenia – geschätzt stammen zwischen der Hälfte und zwei Dritteln aller in Deutschland verkauften Rosen aus dem afrikanischen Land. 2020 wurden jedoch eine Milliarde Rosen aus den Niederlanden importiert – und nur 296 Millionen direkt aus Kenia. Die Blumenindustrie ist einer der wichtigsten Wirtschaftszweige des Landes, schafft zehntausende Arbeitsplätze.

Die klimatischen Bedingungen in Kenia sind optimal für Rosen. Für den Anbau sind daher anders als zum Beispiel in den Niederlanden keine beheizten Treibhäuser notwendig. Eine Studie im Auftrag des Schweizer Handelsunternehmens Migros im Jahr 2018 bilanzierte, dass Rosen aus Kenia deswegen sogar umweltfreundlicher sind als jene aus den Niederlanden – jedenfalls solange, wie in Europa für die Beheizung noch fossile Energieträger verwendet werden.

Doch einen Umwelt-Nachteil haben die kenianischen Blumen: Der Wasserverbrauch ist deutlich höher, rund fünf Liter Wasser verbraucht jede Rose. In den Niederlanden sind es nur 1,6 Liter.

Rosenzucht am See

Die Farmen in Kenia konzentrieren sich um den Naivashasee, nördlich der Hauptstadt Nairobi. Auf geschätzt rund 2.000 Hektar werden hier Blumen angebaut – eine Fläche, in etwa so groß wie Rheinland-Pfalz. Der See ist die Hauptwasserquelle. Daher werden der Blumenanbau und auch die durch ihn steigenden Bevölkerungszahlen mit dafür verantwortlich gemacht, dass die Wasserqualität des Sees abnimmt und der Wasserspiegel lange Zeit sank. Fairtrade Deutschland zufolge wurde 2017 dem See sechsmal mehr Wasser entnommen, als zugeflossen ist.

Dennoch: Der Wasserspiegel schwankt immer wieder stark, was bereits mehrfach zu Überschwemmungen geführt hat. Auch im vergangenen Jahr wurden nach langanhaltenden, starken Regenfällen Rosenfarmen und die Siedlungen der Arbeiter überflutet.

Gift für unsere Rosen

Doch nicht nur die Natur macht den Angestellten zu schaffen: Auch die Arbeitsverhältnisse in den Betrieben sind oft prekär, die Löhne zu niedrig, um davon leben zu können. Die Rosen werden mit Pestiziden behandelt, die in Deutschland teils verboten sind, weil sie im Verdacht stehen, Krebs zu erzeugen oder unfruchtbar zu machen. Ökotest fand im Jahr 2017 bis zu 20 Giftstoffe in in Deutschland verkauften Rosensträußen – die Arbeiter auf den kenianischen Rosenfarmen sind diesen oft schutzlos ausgeliefert.

Bessere Arbeitsbedingungen verspricht das Fairtrade-Siegel. Seit 2005 sind Rosen damit in Deutschland erhältlich. Das Programm setzt sich zum Beispiel für feste Arbeitsverträge, Mutterschutz, höhere Löhne und Schutzkleidung ein. Auch bessere Bewässerungssysteme und die Wasserentnahme nicht aus dem Naivashasee, sondern aus dem Grundwasser, sind Kriterien.

"Fairtrade ist ein super Siegel", findet auch BUND-Expertin Neumeier. Bisher beschränkte sich dieses aber auf Schnittblumen, es gebe nur sehr wenige Zierpflanzen mit Fairtrade-Zertifizierung. Doch die Probleme sind die gleichen.

Bio oder Second Hand

Sie rät daher zu heimischen Bio-Pflanzen – die seien immer mehr im Kommen und nicht gespritzt. Eine Übersicht darüber, wo man Zimmerpflanzen in Bio-Qualität kaufen kann, gibt es auf der Internetseite bio-zierpflanzen.de. Wichtig sei zudem, Erde ohne Torf zu wählen. Dabei kommt es auf die Details an: "Immer wirklich 'torffreie' Erde kaufen. Auch bei 'torfreduzierter' Erde können manchmal noch bis zu 40 Prozent Torf enthalten sein."

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Die meisten Blumenerden enthalten Torf, da er ein vielfaches seines Gewichts an Wasser speichern kann. Doch Torf ist über Jahrhunderte in Mooren entstanden. Werden diese für den Torfabbau zerstört, verschwindet der Lebensraum zahlreicher Tier- und Pflanzenarten. Zudem sind Moore einer besten Kohlenstoff-Speicher der Erde. Durch den Torfabbau wird dieser Kohlenstoff in Form von großen Mengen des Treibhausgases CO2 freigesetzt.

Aber es müssen auch nicht immer neue Pflanzen sein: "Bei exotischen Pflanzen rate ich dazu, sich Ableger zu besorgen, und die selbst aufzuziehen. Dann können Sie selbst entscheiden, was und wie viel Dünger oder Pflanzenschutzmittel Sie benutzen", so Neumeier.


Dann wisse man auch, woher die Pflanzen kommen. Denn: "In den Baumarkt zu gehen und dann zu erwarten, dass die Pflanzen dort aus nachhaltiger Beschaffung stammen, ist ein Trugschluss. Das stimmt einfach nicht."

Dschungel und Wüste im Wohnzimmer

Auch vor dem Kauf beim Online-Händler sollte man genau recherchieren, so die Expertin – das Internet sei voll mit gewilderten Pflanzen, ohne, dass der Verbraucher davon etwas merke. Für Sukkulenten würden teils ganze Naturschutzgebiete illegal gerodet. Im vergangenen Jahr flog ein solcher Handel auf: Die italienische Polizei stellte über 1.000 gewilderte Kakteen aus Chile sicher. Im weltweiten Verkauf hätten diese der Weltnaturschutzorganisation IUCN zufolge pro Stück bis zu 1.200 Euro gekostet.

Orchideen sterben in ihrer eigentlichen Heimat aus

Doch auch andere Arten sind betroffen, erklärt Neumeier: "Der Schwarzmarkt, zum Beispiel mit seltenen Orchideen, wächst. Dort werden horrende Preise verlangt, für gewilderte Orchideen, die teilweise in den heimischen Regionen dann aussterben, weil Menschen im globalen Norden gerne eine schöne Pflanze sammeln wollen."

Es gilt also, nicht blind das nächste Schnäppchen zu kaufen, bilanziert die Naturschützerin: "Wir bringen uns selbst den Dschungel ins Wohnzimmer. Das hört sich zwar erstmal schön an, aber wenn man dann überlegt, wo die Pflanzen herkommen, wird einem anders."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Interview mit Anke Neumeier, BUND Bayern
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