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Papua-Neuguinea: Im Land der Menschenfresser


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Papua-Neuguinea: Im Land der Menschenfresser

Rasso Knoller/srt

02.10.2012Lesedauer: 5 Min.
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Frau bei der Sagozubereitung.Vergrößern des Bildes
Frau bei der Sagozubereitung. (Quelle: Rasso Knoller)

Jeder Mann will gerne einmal ein großer Entdecker sein. In der Sepik-Provinz im äußersten Nordwesten von Papua-Neuguinea ist das noch möglich. Die Region gehört zu den entlegensten Gebieten der Erde. Bis Mitte des letzten Jahrhunderts gab es dort sogar noch Menschenfresser. Seit kurzem können Gäste die Gegend an Bord kleiner Flussboote besuchen. Eindrücke aus dem Sepik-Gebiet erhalten Sie in unserer Foto-Show.

Der Außenbordmotor stört die Ruhe des Dschungels. Ein paar Reiher fliegen auf, als unser Boot um die Kurve biegt. Wir fahren den Karawari-River hinauf, sind in der Sepik-Region unterwegs, dem entlegendsten Teil Papua-Neuguineas. Jetzt in der Trockenzeit liegt der Fluss ruhig vor uns - spiegelblank zeigt sich die Oberfläche des trüben Gewässers. Weite Sandbänke erstrecken sich am Ufer. In der Zeit, in der der Regen ausbleibt, thronen die Dörfer fünf Meter über dem Wasser.

Kinder spielen am Fluss

Später im Jahr fließt der Fluss dann direkt vor den Hütten vorbei, viele von ihnen sind zum Schutz vor den Fluten auf Stelzen gebaut. Kinder folgen unserem Boot im Sprintschritt am Ufer entlang, winken uns zu. Immer dort, wo das Boot der Böschung so nahe kommt, dass die Bugwellen sich am Ufer brechen, springen sie jauchzend ins Wasser. >>

"Das machen sie jedes Mal, wenn wir vorbeifahren", sagt Chris, der Übersetzer, der mich auf meiner Reise begleitet. Der Karawari ist ein Nebenfluss des mächtigen Sepik, dem längsten Fluss Papua-Neuguineas.

Deutscher erkundete Region

Es war der deutsche Forschungsreisende Otto Finsch, der 1885 als erster Europäer in diese Gegend kam. Deshalb trug der Sepik einst auch den Namen "Kaiserin Augusta Fluss".

Immer wieder kommen uns auf dem Karawari Menschen in ihren "Dugouts" entgegen - Booten, die aus einem einzigen Stamm herausgehauen wurden. Schon aus der Ferne erkennt man, ob einem ein Mann oder eine Frau entgegen rudert. Männer stehen beim Rudern, Frauen sitzen im Boot. Entsprechend ist ein Männerpaddel deutlich länger als das für Frauen. Straßen gibt es entlang des Karawari und des Sepik keine. >>

"Das ist hier unser Bus", sagt Chris und zeigt auf einen längeren Dugout, der laut knatternd an uns vorbeirast. Knapp ein Dutzend Menschen sitzen darin, beladen mit Körben und Taschen. Sie sind auf dem Weg zum nächsten Markt.

Nur per Flugzeug zugänglich

Will man die Sepik-Region verlassen, hat man nur eine Möglichkeit: Man muss mit dem Buschflugzeug nach Mount Hagen fliegen. Das ist die nächstgelegene Stadt, die allerdings einige hundert Kilometer vom Karawari-River entfernt im Hochland liegt. Die Flugzeuge bringen normalerweise die Gäste zur Karawari-Lodge, der einzigen Unterkunftsmöglichkeit im Umkreis. Für die meisten Einheimischen ist das 400 Kina teure Flugticket unerschwinglich. 400 Kina, das sind umgerechnet etwa 130 Euro - mehr als viele, die hier am Fluss leben, in ihrem ganzen Leben besitzen werden.

Die meisten Hütten sind fast leer, neben den Kochstellen stehen ein paar Töpfe, aufgerollt in der Ecke die Bastmatten, auf denen man nachts schläft. Moskitonetze hängen über einer Schnur, die quer durch den Raum geht. Malaria ist dennoch die häufigste Krankheit in Papua-Neuguinea. Obwohl es nur ein paar Tabletten bräuchte, um einen Infizierten zu heilen, sterben die Menschen auch heute noch an der Viruserkrankung. Für westliche Medizin haben die Menschen kein Geld, und so vertrauen sie sich Zauberern, den "witchdoctors" an. "Manchmal helfen deren Kräuter, manchmal nicht", beschreibt Chris deren Erfolgsquote lakonisch.

Geld hat kaum Bedeutung

Auch er ist schon zweimal an Malaria erkrankt. Bei ihm haben die Kräuterkuren geholfen. Arm sind sie die Menschen am Karawari aber nur nach westlichem Wertesystem. Geld hat in einer Gesellschaft, in der man fast nichts kaufen kann, kaum Bedeutung. Die wenigen Kina, die die Einheimischen brauchen, wenn sie alle paar Monate in die Provinzhauptstadt Wewak fahren, verdienen sie durch den Verkauf von Schnitzereien. Oder sie bieten auf dem Markt Fische aus dem Fluss an.

Die geschnitzten Masken aus der Sepik-Region zählen zu den begehrtesten Mitbringseln aus Papua-Neuguinea. Manche Sammler machen die anstrengende Reise hierher nur, um ein paar der begehrten Stücke zu kaufen. Der Fluss und der Dschungel geben den Menschen, was sie zum Leben brauchen. Der Karawari versorgt sie mit Fisch - vor allem Welse und Karpfen gedeihen in dem trüben Wasser ausgezeichnet. Und aus dem Mark der Sagopalme lassen sich Pfannkuchen backen. >>

Dazu ab und zu ein paar Wildfrüchte oder ein gegrilltes Hühnchen. Oder man macht Jagd auf Vögel. Da ist die Auswahl groß, denn entlang des Karawari leben 220 unterschiedliche Arten. Bevor Australien 1949, von den Vereinten Nationen beauftragt, die Treuhandverwaltung in Papua-Neuguinea übernahmen - lagen die Dörfer abseits der Flüsse versteckt im Wald. Das war überlebenswichtig. Denn in einer Gesellschaft, in der kriegerische Auseinandersetzungen zum Alltag gehörten, wäre es viel zu gefährlich gewesen, am Fluss zu wohnen. Vom Wasser aus hätte der Feind schnell und unbemerkt zuschlagen können.

Kinder in der Dschungelschule

Dann plötzlich wurde die Nähe zum Wasser ein Vorteil. Wer am Ufer des Sepik und des Karawari wohnte, dem konnten die australischen Ärzte schneller helfen, den konnten die Versorgungsboote der Regierung leichter erreichen und der konnte vielleicht sogar seine Kinder in eine der Dschungelschulen schicken, die entlang der Ufer erbaut wurden. Eine Reise zum Karawari ist auch eine Zeitreise mehrere tausend Jahre zurück. Telefone gibt es hier nicht, Fernseher sucht man vergebens - wie sollte man sie auch betreiben? Nur wenige Dörfer können sich Dieselgeneratoren leisten, die wenigstens für einige Stunden am Tag Strom erzeugen.

Bis vor 60 Jahren gab es Kannibalen

Und doch hat sich in den letzten Jahrzehnten einiges verändert. In den 1950er-Jahren lebten in der Sepik-Region die letzten Kannibalen Papua-Neuguineas. Vor nicht allzu langer Zeit gehörte es bei vielen Stämmen der Region zum Initiationsprozess eines jungen Mannes, dass er einen Feind töten musste. Bevor er nicht den Schädel eines Gegners "erobert" hatte, galt kein Mann als Erwachsener.
"In der Suppe gekocht schmeckt Menschenfleisch besonders gut. Man kann es aber auch gebraten und getrocknet essen", verrät mir mein Übersetzer. Und: Getrocknetes Menschenfleisch könne man sogar wieder einweichen und erst dann zubereiten. Chris ist mit seinen 48 Jahren zu jung, um selbst vom Menschenfleisch gekostet zu haben. Aber sein Onkel hat es probiert. "Ihm hat es geschmeckt", sagt Chris und erzählt dann, dass der Onkel den Geschmack mit dem eines Kasuars verglichen habe. So gesehen ein Kompliment, denn der Laufvogel gehört zu den Lieblingsspeisen der meisten Menschen in Papua-Neuguinea.

Bilder aus der Sepik-Region sehen Sie in unserer Foto-Show.

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