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Warum Reisewarnungen oft nicht weiterhelfen


"Erhöhte Vorsicht"
Warum die Reisehinweise des Auswärtigen Amtes oft nicht weiterhelfen

dpa, Philipp Laage

Aktualisiert am 02.09.2017Lesedauer: 5 Min.
Auf in den Urlaub – oder lieber doch nicht? Reisehinweise sind oft nicht ganz deutlich zu verstehen.Vergrößern des BildesAuf in den Urlaub – oder lieber doch nicht? Reisehinweise sind oft nicht ganz deutlich zu verstehen. (Quelle: Symbolbild/YakobchukOlena/Thinkstock by Getty-Images-bilder)
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Wo kann ich hinreisen? Wo ist es zu gefährlich? Die Reise- und Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amtes sollen Klarheit bieten. Für Reiseveranstalter sind sie die wichtigste Einschätzung überhaupt. Doch die Formulierungen sind oft nicht eindeutig. Was tun?

Die Frage, ob man ein Land bereisen soll oder aus Sicherheitsgründen besser nicht, hängt oft von einzelnen Worten ab. In Ägypten rät das Auswärtige Amt (AA) wegen der allgemeinen Terrorgefahr zu "Vorsicht". In der Türkei wird seit kurzer Zeit zu "erhöhter Vorsicht" geraten, weil Deutsche dort nicht mehr vor willkürlichen Festnahmen sicher seien. Das afrikanische Wüstenland Tschad kommt nicht so gut weg: Von nicht erforderlichen Reisen wird "dringend abgeraten", vor der Hauptstadt sogar "gewarnt". Die Gründe sind Terror, Entführungsgefahr und Überfälle.

Reisehinweise: ein sprachlich fein abgestuftes System

Für jedes Land gibt es Reise- und Sicherheitshinweise, die das AA je nach Lage aktualisiert. Sie bieten Informationen zum jeweiligen Reiseland und Einschätzungen zu Gefahren. Die Behörde kann zu Vorsicht mahnen, den Verzicht einer Reise empfehlen, von nicht unbedingt erforderlichen oder allen Reisen abraten oder auch eine knallharte Reisewarnung aussprechen – ein sprachlich fein abgestuftes System, das für Laien und auch Experten nicht leicht zu durchschauen ist, aber enorme Bedeutung für die Reiseindustrie hat. Wann ist eine Reise vertretbar? Wann ist es zu gefährlich? Bei der Entscheidung helfen die Reisehinweise oft nur bedingt weiter.

"Oft machen die Hinweise die Verunsicherung nur größer."

"Eine Hilfe für Urlauber sind die Hinweise nicht", sagt der Reiserechtsexperte Paul Degott aus Hannover. "Oft machen sie die Verunsicherung nur größer." Hinzu kommt, dass die Reisehinweise nicht rechtlich bindend sind, wie der Jurist betont. Das heißt, das AA kann keine Reisen verbieten. Die Entscheidung liegt letztlich beim individuellen Urlauber oder Reiseveranstalter.

Ziemlich eindeutig ist die Lage, wenn für ein Land oder eine Region eine klare Reisewarnung vorliegt. Dann besteht in der Regel Gefahr für Leib und Leben – etwa in Syrien, Somalia und Afghanistan. Aber das sind sowieso keine touristischen Ziele. Bei allen Hinweisen, die schwächer sind, wird es schon schwieriger.

Einschätzungen von Reisewarnungen sind oft schwierig

Der Veranstalter Studiosus hat eine rote Linie: Wenn das AA von einem Land oder einer Region abrät, verzichtet der Anbieter auf Reisen dorthin. "Aber das sind noch die eindeutigen Fälle", sagt Edwin Doldi, Sicherheitsmanager des Münchner Unternehmens. Was tun, wenn das AA empfiehlt, eine Region zu meiden? Die Aussage ist etwas schwächer formuliert, doch die Botschaft im Prinzip gleich.

Beispiel Jerusalem: Als es dort im Juli 2017 Unruhen mit Toten rund um den Tempelberg gab, riet das AA, die Altstadt zu meiden. Jerusalem ohne Altstadt, das macht touristisch aber keinen Sinn. Studiosus sagte Reisen ab. Wenig später riet das AA nur noch, die Altstadt in den Abend- und Nachtstunden zu meiden. Studiosus war wieder dabei.

Es sind Fälle wie diese, die selbst dem Reiseprofi Kopfzerbrechen bereiten – und zeigen, wie schwierig die Einschätzung manchmal fällt. "Das ist wie Exegese", sagt Doldi zu den Reisehinweisen. "Die Interpretation ist oft schwierig."

Der Veranstalter Diamir Erlebnisreisen ist mit seinen Rundreisen deutlich risikofreudiger. Angeboten werden Länder wie der Tschad, von dem das AA deutlich abrät, und sogar eine Region, für die es eine Reisewarnung gibt: "Gorillas und Vulkane – Höhepunkte des Ostkongo", zehn Tage Wander- und Naturrundreise.

"Wir orientieren uns nicht an einzelnen Formulierungen des AA, es gibt da keine klare rote Linie für uns", sagt Diamir-Geschäftsführer Markus Walter. "Eine Reisewarnung ist ein ganz starkes Indiz dafür, dass eine Reise zu gefährlich ist." In Stein gemeißelt sei das aber auch nicht – siehe Ostkongo. Natürlich nehme man die Reisehinweise sehr ernst. "Sie sind eine unserer wichtigsten Quellen." Aber: "Wir beschäftigen uns intensiver mit der Situation vor Ort." Das gelte zum Beispiel für Pakistan, wo sich die Reisehinweise eher abschreckend lesen. "Es gab auch schon Fälle, wo bestimmte Formulierungen nicht gestimmt haben oder missverständlich waren", sagt der Experte.

Walter spricht außerdem einen Einwand an, den man von Reiseprofis häufig hört: "Das Auswärtige Amt ist letztlich eine politische Institution." Viele Reisehinweise seien von politischen Zielen beeinflusst. "Von wirtschaftlich und politisch eher unbedeutenden Ländern wird viel eher mal abgeraten, da ist die Schwelle niedriger."

Reisender muss selbst das Risiko abschätzen

Das Auswärtige Amt selbst erklärt seine Reisehinweise nicht weiter. Nur so viel verlautet aus Kreisen der Behörde: Nicht erforderliche Reisen umfassen in der Regel Urlaubsreisen, im Gegensatz zu besser abgesicherten Geschäftsreisen. Abgeraten wird dann, wenn eine hohe abstrakte Gefährdung für Reisende aus Deutschland erkennbar ist – immer noch eine ziemlich verklausulierte Aussage.

Was bedeutet das nun für den einzelnen Reisenden? Wenn er individuell ohne Veranstalter unterwegs ist, muss er selbst abschätzen, welches Risiko er zu tragen bereit ist. Und was ist mit der Pauschalreise? Hier geht es vor allem um die Frage, wann der Kunde eine gebuchte Reise ohne Stornogebühren wieder absagen darf.

"Bei einer Reisewarnung muss ich von höherer Gewalt ausgehen."

Das Stichwort lautet hier höhere Gewalt. Sie kann zum Beispiel bei politischen Unruhen mit gewalttätigen Demonstrationen oder auch bei Naturkatastrophen vorliegen. Die Formulierung im Bürgerlichen Gesetzbuch lautet: "Wird die Reise infolge bei Vertragsabschluss nicht voraussehbarer höherer Gewalt erheblich erschwert, gefährdet oder beeinträchtigt, so können sowohl der Reiseveranstalter als auch der Reisende den Vertrag allein nach Maßgabe dieser Vorschrift kündigen."

Reiserechtler Degott sagt: "Bei einer Reisewarnung muss ich von höherer Gewalt ausgehen." Tritt ein solcher Krisenfall ein, holen Reiseveranstalter ihre Gäste auf jeden Fall zurück nach Deutschland. Rät das AA dringend von einer Region ab, sei auch dies ein klares Indiz für höhere Gewalt. Auch dann reagiert meist der Veranstalter. Streitfälle landen letztlich vor Gericht.

Degott betont, dass eine wichtige Bedingung für höhere Gewalt immer die Unvorhersehbarkeit ist. Heißt: Wer eine Reise in eine schon lange schwelende Krisenregion gebucht hat, kann diese nicht so einfach ohne Kosten stornieren. Denn dass dort etwas passiert, war bei Buchung schon wahrscheinlich. "Da wird quasi nur einmal mehr geschossen", sagt der Jurist. So werde vor Gericht argumentiert.

Edwin Doldi von Studiosus formuliert es aus Sicht eines Veranstalters so: "Jedes Unternehmen muss wissen, welche Risiken es tragen will." Für den Individualreisenden gilt das gleiche. Die Reisehinweise des AA helfen dabei manchmal gut – und manchmal eher weniger.

Der Unterschied zwischen Reisehinweis und Reisewarnung

Reisehinweise: Sie enthalten zum Beispiel Informationen über die Einreisebestimmungen, die medizinische Situation und straf- oder zollrechtliche Besonderheiten eines Landes. Solche Hinweise gibt das Auswärtige Amt für jedes Land.

Sicherheitshinweise: Solche Vermerke machen auf besondere Risiken für Reisende in einem Land und dort lebende Deutsche aufmerksam. Das betrifft zum Beispiel Gefahren durch Unruhen, Kriminalität oder Terrorismus. Das Auswärtige Amt kann je nach Sicherheitslage von nicht unbedingt erforderlichen Reisen oder auch grundsätzlich von allen Reisen in ein bestimmtes Land abraten.

Reisewarnungen: Sie enthalten den "dringenden Appell", Reisen in ein Land oder eine Region zu unterlassen. Gewarnt wird dann, wenn eine konkrete Gefahr für Leib und Leben droht. Deutsche, die in dem betroffenen Land leben, werden gegebenenfalls zur Ausreise aufgefordert.

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