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Kreuzfahrtschiffe: Wie klimaschädlich sind sie wirklich? Experte warnt


Urlaub auf dem Schiff
Warum Kreuzfahrten nicht mehr vertretbar sind

InterviewVon Sandra Simonsen

24.01.2024Lesedauer: 3 Min.
Interview
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Kreuzfahrtschiff: Die Emissionen sind besonders hoch.Vergrößern des Bildes
Kreuzfahrtschiff: Die Emissionen sind besonders hoch. (Quelle: IMAGO/Lucas Vallecillos / VWPics)

Kreuzfahrten sind für viele die perfekte Art zu reisen. Mit Blick auf die Klimakrise sind sie jedoch alles andere als perfekt, warnt der Reise- und Klimaexperte Stefan Gössling.

Riesige Schiffe, die Luxushotels, Pools, Restaurants und Tausende Menschen beherbergen: Dass Kreuzfahrten nicht gerade nachhaltig sind, ist eigentlich keine Überraschung.

Dennoch unternehmen rund 20 Millionen Menschen jährlich eine Kreuzfahrt. Wie schädlich sie wirklich sind, darüber hat t-online mit Stefan Gössling gesprochen. Er ist Professor für Tourismus an der Linné-Universität in Schweden und gilt als Experte für das Zusammenspiel von Tourismus und Klimawandel.

t-online: Dass es nachhaltigere Arten zu reisen gibt, ist klar, aber wie umweltschädlich sind Kreuzfahrten tatsächlich?

Stefan Gössling: Da die Kreuzschifffahrt wegen der Corona-Pandemie 2020 und 2021 nahezu brach lag und wir für 2022 noch keine Daten haben, schauen wir uns am besten das Jahr 2019 an: Damals verursachte die weltweite Kreuzschifffahrt ungefähr 23 Megatonnen CO2. Die drei größten Reedereien Carnival, Norwegian und Royal Caribbean sind dabei allein für 70 Prozent der gesamten Emissionen des Kreuzfahrtverkehrs verantwortlich. Und: Das sind nur die Scope 1-2 Emissionen.

Stefan Gössling (*1970) ist Professor für Tourismus an der Linné-Universität in Schweden. Zu seinen Fachgebieten gehört der nachhaltige Tourismus sowie der Einfluss des Klimawandels auf den Tourismus und die Auswirkungen der Luftfahrt auf die Umwelt. Nach seinem Studium der Geografie und Biologie in Deutschland promovierte er in Schweden, später arbeitete er am Forschungszentrum für nachhaltigen Tourismus in Norwegen, bevor er schließlich 2009 die Professur in Schweden annahm.

Was bedeutet das?

Das heißt: Darin sind nur der direkte Energieverbrauch des Schiffes und seiner Dienstleister enthalten. Die Emissionen, die beispielsweise entstehen, weil das Personal aus aller Welt eingeflogen wird, fehlen. Werden diese berücksichtigt, gehen wir für das Jahr 2019 insgesamt von 45 Megatonnen CO2-Emissionen aus. Darin ist aber die Anreise der Gäste zum Hafen – häufig mit dem Flugzeug – noch nicht enthalten. Zum Vergleich: Ganz Portugal emittierte 2019 weniger als 40 Megatonnen CO2.

Scope 1 bis 3:

Scope 1: Hier inbegriffen ist der direkte Energieverbrauch der Kreuzfahrt, beispielsweise über die Motoren des Schiffs.

Scope 2: Hierzu zählt der Energieverbrauch anderer Dienstleister, die aber im direkten Zusammenhang mit der Kreuzfahrt stehen und deren Dienstleistung vom Kreuzfahrtanbieter eingekauft wird.

Scope 3:
Das bezeichnet die Emissionen, die zwar im Zusammenhang mit der Kreuzfahrt stehen, aber vom Kreuzfahrtanbieter nicht beeinflusst werden können. Dazu zählen die Emissionen, die von den Kreuzfahrtmitarbeitern, beispielsweise durch ihre Anreise, verursacht werden.

Und wie viele Emissionen verursacht dann der einzelne Passagier?

Für den einzelnen Kreuzfahrttouristen bedeutet das bei einer rund einwöchigen Reise etwa 1,7 Tonnen CO2-Emissionen. Das ist ein Drittel dessen, was ein Mensch im Schnitt im gesamten Jahr verursacht – etwa 4,6 Tonnen CO2. Allerdings ist auch da der Vergleich spannend: Nur 0,4 Prozent der Weltbevölkerung haben 2019 überhaupt eine Kreuzfahrt unternommen.

In den 1,7 Tonnen pro Person ist nur die reine Kreuzfahrt enthalten oder auch schon die Anreise?

Nein, das muss noch dazugerechnet werden. Das ist klimatisch schon hochproblematisch, wenn Sie eine Kreuzfahrt mit einem Flug kombinieren. Angenommen, Sie fliegen erst nach Australien, um dort mit dem Schiff zu reisen und fliegen dann zurück nach Deutschland – mehr Emissionen können Sie als Individuum im Tourismus nicht verursachen.

Ist es dann aus Umweltsicht überhaupt noch vertretbar, Kreuzfahrten zu veranstalten – oder auch daran teilzunehmen?

Nein.

Einige Kreuzfahrtunternehmen haben aber große Pläne: Klimaneutralität bis 2050 bei Carnival; Tui Cruises plant erste Angebote sogar bis 2030. Gibt es schon realistische Ansätze für klimaneutrale Kreuzfahrten, um sie vertretbarer zu machen?

Kaum. Tui etwa will teilweise mit Methanol fahren – mit Alkohol als Treibstoff, das ist tatsächlich technisch möglich und lobenswert. Aber selbst wenn das Schiff klimaneutral fährt, sind da immer noch die Emissionen der Flugreisen der Passagiere und des Personals sowie der gesamten Wertschöpfungskette.

Also sehen Sie keine klimaneutrale Perspektive?

Als Touristiker würde ich es mir wünschen, viele Menschen lieben Kreuzschifffahrten. Als Klimaforscher muss ich sagen: Jede Tonne CO2 ist eine zu viel. Das verstehen leider viele Menschen immer noch nicht.

Das werden Kreuzfahrtfans nicht gerne hören. Gibt es wirklich gar keine Hoffnung?

Hoffnung und Glaube sind keine Basis für Wissenschaft. Wir haben sowohl für die Kreuzschifffahrt als auch den Flugverkehr modelliert, welche Energiemengen nachhaltig erzeugt werden müssten, um diese Sektoren klimaneutral zu machen. Wir stoßen da an physikalische Grenzen. Sofern der Tourismus weiter wächst, ist eine Umstellung illusorisch. Wir brauchen auch große Mengen erneuerbarer Energie für die Elektrifizierung anderer Bereiche – der Automobilität, der Wärmeerzeugung für Wohnungen. Das konkurriert mit der Treibstoffproduktion. Und dann sind da auch noch die Kosten: Ein halbwegs nachhaltiger Flug würde wohl mindestens das Doppelte kosten.

Und dennoch gibt es weiterhin Kreuzfahrttouristen: Wenn ich also trotz allem eine Kreuzfahrt unternehmen möchte – wie kann ich dabei Energie sparen und die Umwelt schützen?

Sie sollten mit der Bahn anreisen und in Europa bleiben. Sie können sich auch einen Veranstalter suchen, der nachweislich Biotreibstoffe nutzt, da muss man allerdings aufpassen, weil viel Greenwashing in der Kommunikation betrieben wird. Veranstalter, die klimafreundliche Angebote in Asien oder gar Ozeanien oder sogar der Arktis im Programm haben, sollten Sie grundsätzlich meiden. Wer solche Angebote macht, ist nicht serös.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Gössling!

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