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Kontroverse um Darstellung: Wie rassistisch sind die Heiligen Drei Könige?


Streit um schwarze Schminke
Wie rassistisch sind die Heiligen Drei Könige?

dpa, Britta Schultejans und Sebastian Schlenker

Aktualisiert am 26.10.2020Lesedauer: 3 Min.
Heilige Drei Könige: Die evangelische Münstergemeinde in Ulm wird die Heiligen Drei Könige aus ihrer Weihnachtskrippe entfernen.Vergrößern des BildesHeilige Drei Könige: Die evangelische Münstergemeinde in Ulm wird die Heiligen Drei Könige aus ihrer Weihnachtskrippe entfernen. (Quelle: Sebastian Gollnow/dpa-bilder)
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Kann die Darstellung der Heiligen Drei Könige mit dem schwarzen Melchior rassistisch sein? Über diese Frage ist eine Debatte entbrannt. Entfacht hat sie eine Kirchengemeinde in Ulm. Und auch über die Sternsinger wird nun diskutiert.

Caspar, Melchior und Balthasar gehören zur Weihnachtsgeschichte wie die Hirten, wie die Engel, wie Ochs und Esel. Doch ist das richtig so? Seit eine evangelische Kirchengemeinde aus Ulm die Heiligen Drei Könige wegen rassistischer Merkmale vorsorglich aus ihrer Weihnachtskrippe verbannen will, gibt es eine Debatte darüber, wie man die Weisen aus dem Morgenland heutzutage darstellen darf. Auch wenn es bis Weihnachten noch eine ganze Weile hin ist.

"Unsinn in Perfektion"

"Die Holzfigur des Melchior ist etwa mit seinen dicken Lippen und der unförmigen Statur aus heutiger Sicht eindeutig als rassistisch anzusehen", begründet der Dekan der evangelischen Münstergemeinde, Ernst-Wilhelm Gohl, die Entscheidung. Das schlägt Wellen. Während es auch im Erzbistum München und Freising eine Diskussion gibt, heißt es aus dem Bistum Passau: "Zunächst hat uns diese Thematik sprachlos gemacht." Die Meinungen gehen auseinander.

Der Sprecher des Bistums Regensburg, Clemens Neck, kann die Entscheidung nicht verstehen. "Klar ist, dass die Darstellung des Königs Melchior als Mensch schwarzer Hautfarbe nichts gemein hat mit rassistischem Denken. So beraubt man mit Unterstellungen eine lange Tradition ihrer Unbefangenheit und unterwirft sie einem unangemessenen Anpassungsdruck."

Die "Passauer Neue Presse" veröffentlichte am Freitag eine ganze Sonderseite mit Briefen empörter Leser: "Unsinn in Perfektion" und "lächerlicher Kniefall vor einer vermuteten öffentlichen Meinung". Die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland hingegen findet die Entscheidung richtig. "Es zeigt, dass es inzwischen einen konsequenteren Umgang mit Rassismus gibt", sagt Sprecher Tahir Della. "Ich sehe die politischen Verantwortungsträger in der Pflicht." Mit Blick auf Grundwerte der Gesellschaft sollten sie auch Entscheidungen treffen, die nicht sofort von der Mehrheit getragen würden.

"Sehr zwiegespaltene Situation"

Von einer "sehr zwiegespaltenen Situation" spricht Jürgen Bärsch, Prodekan der Theologischen Fakultät der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. "Im Ulmer Fall ist es sehr markant, dass Stereotype bedient werden, die problematisch sind." Zwar handle es sich um eine ältere Darstellung, die im Kontext ihrer Zeit gesehen werden müsse. "Aber man muss sich bei dieser Diskussion auch vor Augen halten, dass wir heute eine andere Sensibilität haben – vor allem durch die aktuelle Rassismus-Debatte in den USA."

Der Kunsthistoriker Stephan Hoppe von der Ludwig-Maximilians-Universität München beurteilt Eingriffe in Kunst grundsätzlich kritisch. "Man kann die Geschichte ergänzen und kommentieren. Aber man kann sich die Geschichte nicht hinbiegen, wie man sie gerne hätte."

Für den Ratsvorsitzenden der evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, sind die Heiligen Drei Könige vor allem "Teil der Faszination der Weihnachtsgeschichte". "Für mich ist entscheidend, ob mit der Darstellung unterschiedlicher Hautfarben implizit oder explizit unterschiedliche Wertigkeiten zugeschrieben werden", sagt der bayerische Landesbischof. "Bei den Heiligen Drei Königen geht es um hochstehende Persönlichkeiten, die zusammen mit den armen Hirten zur Krippe kommen. Unterschiedliche Wertigkeiten werden hier gerade nicht zugeschrieben. Im Gegenteil."

"Ist es angemessen, dass einer der Sternsinger schwarz angemalt wird?"

Doch die Debatte geht nicht nur um die Darstellung der Könige in Krippen. "Es gibt eine vergleichbare Diskussion auch im Blick auf das Sternsingen", sagt Bärsch. "Ist es angemessen, dass einer der Sternsinger schwarz angemalt wird?" In Deutschland ziehen rund um den Dreikönigstag am 6. Januar jedes Jahr etwa 300.000 Sternsinger von Haus zu Haus, um Spenden zu sammeln. Die Träger der Aktion Dreikönigssingen – Kindermissionswerk und Bund der Deutschen Katholischen Jugend – empfehlen, kein Kind mehr schwarz zu schminken.

Der Brauch habe nichts mit rassistischem "Blackfacing" zu tun, heißt es auf der Homepage des Missionswerks. Er gehe darauf zurück, dass Caspar, Melchior und Balthasar die drei früher bekannten Erdteile Asien, Afrika und Europa repräsentierten. Der schwarze König steht dabei für Afrika. "Gleichwohl geht die Gleichsetzung von Hautfarbe und Herkunft heute nicht mehr auf. Wir glauben, dass der ursprüngliche Sinn der Tradition besser deutlich wird, wenn Kinder als Sternsinger so gehen, wie sie eben sind: vielfältig in ihrem Aussehen."

Indes ist auch in Ulm das letzte Wort über den Umgang mit den Krippenfiguren noch nicht gesprochen. Die endgültige Entscheidung wolle die Gemeinde "in aller Ruhe" im neuen Jahr treffen, sagt Dekan Gohl. Er könne sich vorstellen, dass die Figur dennoch gezeigt werde – aber mit Einordnungen und Erklärungen.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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