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"Prophylaktische Therapie" soll gegen Scheidungstrend helfen


Neuer Trend gegen Scheidung
Paare legen Spielregeln vor der Ehe fest

Sonja Nowack

Aktualisiert am 14.07.2016Lesedauer: 3 Min.
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Symbolbild: Die sogenannte "prophylaktische Paartherapie" soll helfen, eine mögliche Scheidung abzuwenden.Vergrößern des Bildes
Symbolbild: Die sogenannte "prophylaktische Paartherapie" soll helfen, eine mögliche Scheidung abzuwenden. (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)

Normalerweise gehen Paare erst dann zur Therapie, wenn es bereits kriselt. In den letzten Jahren beobachten Therapeuten allerdings, dass immer mehr junge Paare bereits vor der Ehe zu ihnen kommen. Die sogenannte "prophylaktische Paartherapie" soll mögliche Konflikte in der Ehe bereits vorher ausräumen. Manchmal kommt es dabei auch zu überraschenden Erkenntnissen.

Die Scheidungsraten sind hoch: Jede dritte Ehe wird in Deutschland geschieden. Viele Paare wollen genau das verhindern und versuchen, einer möglichen Scheidung mit einem Ehevertrag entgegenzusteuern.

Finanzen und sexuelle Bedürfnisse sind Konfliktthemen

Dafür suchen sie die Hilfe von Paar-und Sexualtherapeuten wie Petra Hertkorn aus Darmstadt. "Paare geben sich Regeln für das gemeinsame Zusammenleben und stellen sich der Frage: Wie gehen wir in der Ehe mit unterschiedlichen Vorstellungen um?", so die Expertin. Geregelt wird dabei all das, was Jahre später häufig zu Ehekrisen führt: Im schriftlichen Ehevertrag stehen Abmachungen zu potenziellen Konfliktthemen wie Finanzen, sexuelle Bedürfnisse, Kinderbetreuung und Erziehung.

Manchmal Trennung statt Hochzeit

Ein Allheilmittel gegen eine Scheidung ist der Ehevertrag jedoch nicht. Dennoch: "Die Paare, die bereits prophylaktisch bei mir waren, kommen nicht wieder zu mir", erzählt Hertkorn, "Je mehr im Vorfeld besprochen und geregelt ist, desto weniger beeinflussen wiederkehrende Konflikte um unterschiedliche Bedürfnisse die Liebesbeziehung.“

Manchmal nimmt eine Sitzung allerdings auch eine unerwartete Wendung. Etwa dann, wenn das Paar unterschiedliche Vorstellungen in Bereichen hat, in denen Kompromisse nicht möglich sind. So kam es bei Hertkorn bereits vor, dass in der Therapie klar wurde, dass der eine Partner einen starken Kinderwunsch hatte, der andere jedoch nicht. Dann hieß es: Trennung statt Hochzeit.

Ende des klassischen Familienmodells

Viele Konflikte, die es heute gibt, existierten früher nicht, sagt Hertkorn. Die Gesellschaft habe sich verändert. "Es gab nicht die Wahl, die Aufgabenverteilung in der Familie war gesellschaftlich klar geregelt", so Hertkorn. Das klassische Modell – ein Ernährer in der Familie – ist heute immer mehr "out".

Paare entscheiden sich nun häufiger für ein individualistisches Modell, bei dem sie freier entscheiden, wie sie leben wollen. Dann arbeiten beispielsweise beide Partner in Vollzeit und steuern prozentual gleich viel vom Einkommen zu Haushalt und Kindern bei. Möglich ist das durch die Unterstützung von Dritten. "Das klassische Familieneinkommen, bei dem alles zusammengeworfen wird, erlebe ich nur noch selten", sagt Hertkorn.

Zwei bis drei Sitzungen genügen

Petra Hertkorn hat in ihrer Praxis in den vergangenen Jahren etwa 20 Paare bei der prophylaktischen Paartherapie begleitet. Meistens genügen zwei bis drei Sitzungen. Die Initiative für die Therapie geht mittlerweile von Männern und Frauen gleichermaßen aus. "Die Motivation ist, es anders zu machen. Besonders, wenn man bereits schlechte Erfahrungen gemacht hat und das in den Herkunftsfamilien zu Scheidungen geführt hat", sagt Hertkorn.

Am Ende der Therapie stehen keine messbaren Vereinbarungen wie beispielsweise einmal pro Woche Sex. Vielmehr ist es das vorherige Besprechen von absehbaren Konfliktherden. Nicht immer ist dafür allerdings ein Paartherapeut erforderlich, räumt Hertkorn ein: "Man kann das auch vernünftig zu Hause besprechen."

Liebe allein reicht nicht aus

Die Liebe allein und der Glaube, man werde es schon irgendwie schaffen, reichen meist nicht aus. "Wir verstehen uns gut vor dem Hintergrund ausreichender Ressourcen. Werden aber die finanziellen und zeitlichen Bedingungen knapp, werden die Karten neu gemischt", so Hertkorn. Die Veränderungen treten zumeist ein, wenn ein Paar zusammenzieht oder ein Kind bekommt. "Hat ein Paar dann nicht über Erwartungen gesprochen, tauchen die Probleme oft drei, vier Jahre später in der Paartherapie als Krisenthemen wieder auf."

Menschen können sich verändern

Alles ist jedoch nicht planbar. "Einer meiner Klienten hat eine taffe Betriebswirtin geheiratet. Nach zwei Jahren Muttersein wollte sie aber nicht mehr in die Erwerbstätigkeit zurück und hat sich vollkommen verändert", erzählt Hertkorn. Während sich die Frau als Mutter neu kennen lernte und ein neuer Mensch wurde, hatte ihr Mann eine andere Erwartung. Das führte zu Konflikten und er trennte sich schließlich von ihr. "Eine solche Veränderung ist nicht unbedingt vorhersehbar", so Hertkorn.

Zeit für sich und die Beziehung

Anhand eines Tortendiagramms zeigt Hertkorn den Paaren in der Therapie auf, wie sie ihre freie Zeit einteilen können. Die freie Zeit meint dabei die Zeit, die ein Paar hat, nachdem der Job oder auch Haushaltsaufgaben wie Spülmaschine einräumen erledigt sind. "Viele Paare vergessen, dass es nach der Geburt eines Kindes nicht nur Familien-Zeit geben sollte, sondern dass jeder auch Zeit für sich, für die Beziehung und für Freunde braucht", so Hertkorn. Daran zerbrechen dann viele Paare. "Ich würde jedem Paar, das zusammen zieht oder heiraten möchte, raten, dass es über Grundwerte spricht und darüber, wie man sich einigt, wenn beide nicht das Gleiche wollen", sagt Hertkorn. Damit eine Paartherapie gar nicht erst nötig wird.

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