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Graham Brady: Der mächtigste Mann Großbritanniens und Chef des 1922-Komitees


1922-Chef Graham Brady
Der mächtigste Mann Großbritanniens


Aktualisiert am 23.10.2022Lesedauer: 4 Min.
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Graham Brady (Archivbild): Der Tory-Mann rückt immer dann in den Fokus, wenn die Konservativen einen neuen Chef suchen.Vergrößern des Bildes
Graham Brady (Archivbild): Der Tory-Mann rückt immer dann in den Fokus, wenn die Konservativen einen neuen Chef suchen. (Quelle: Henry Nicholls/reuters)

Kennen Sie Sir Graham Brady? Der Tory-Abgeordnete ist aktuell einer der wichtigsten Männer in Westminster – obwohl er sonst eher auf der Hinterbank zu finden ist.

Der Rücktritt kam durch die Hintertür: Noch am Vortag hatte Liz Truss sich geweigert, dem Druck ihrer Partei nachzugeben. Doch nach einem Treffen mit Graham Brady am Donnerstagmittag ging alles ganz schnell: Knapp eineinhalb Stunden nachdem der 55-Jährige im Regierungssitz in der Downing Street Nr. 10 eingetroffen war, trat Truss vor die Presse.

Der Mann aus Altrincham in der Nähe von Manchester ist angesichts des Chaos in der britischen Regierung der aktuell wohl mächtigste Mann des Landes. Dabei ist Brady eigentlich Hinterbänkler. Doch sein Posten als Vorsitzender des 1922-Komitees der konservativen Partei verleiht ihm Einfluss und Gestaltungsmöglichkeiten, wie sie niemand sonst in Westminster hat.

Das 1922-Komitee macht die Regeln

Das 1922-Komitee ist der Ausschuss der Tory-Hinterbänkler, jener Parlamentsabgeordneten ohne Regierungs- oder Sprecheramt. Gegründet wurde die Gruppe im April 1923 von Parlamentariern, die im Jahr zuvor gewählt worden waren (daher der Name). Das Komitee soll die Zusammenarbeit in der konservativen Partei erleichtern und hat weitreichende Gestaltungsmöglichkeiten. Deutlich wird das vor allem dann, wenn die Tories einen neuen Vorsitzenden brauchen – so wie jetzt.

In diesem Fall ist es Aufgabe des 18-köpfigen Exekutivausschusses des Komitees, die Regeln für die Wahl des Parteichefs festzulegen. Sind die Tories an der Macht, bestimmen sie wegen der Personalunion von Parteichef und Premierminister – die Regel im britischen politischen System – auch, wer die Regierungsgeschäfte führt.

Brady droht, der Premier tritt zurück

Seit 2010 ist Graham Brady Vorsitzender dieses Ausschusses. Es ist nun bereits das dritte Mal, dass er die Wahl eines neuen Tory-Chefs und Premierministers leitet: Im Mai 2019 trat Theresa May zurück. Es folgte Boris Johnson, der wiederum im Sommer dieses Jahres das Amt niederlegte.

In allen drei Fällen spielte Brady eine Schlüsselrolle:

Theresa May hatte erst 2018 ein Misstrauensvotum ihrer eigenen Partei überstanden. Eigentlich hätte sie nach den Regeln der Partei anschließend ein Jahr Ruhe vor einer weiteren Abstimmung haben sollen. Brady warnte sie damals jedoch: Das 1922-Komitee könnte die Regeln ändern, um die Partei erneut votieren zu lassen. May kam dem zuvor und trat zurück.

Drei Jahre später eine ähnliche Situation: Boris Johnson hatte im Juni 2022 ein Misstrauensvotum gewonnen, doch nahm einen Monat später seinen Hut. Ihm soll Brady ebenfalls mit einer Regeländerung gedroht haben.

Diesmal soll wohl Liz Truss selbst um ein Treffen mit dem 1922-Chef gebeten haben. Dieser soll zuvor an die 100 Briefe von Tory-Abgeordneten erhalten haben, in denen er gedrängt worden sei, die Parteiregeln für ein Misstrauensvotum gegen Truss zu ändern. Das berichten britische Medien. Eigentlich gilt eine Schonfrist von einem Jahr nach Amtsantritt.

Sollte die Hälfte der Fraktion jedoch den Rücktritt fordern, müsste sich Brady zum Handeln verpflichtet fühlen, berichteten Tory-Abgeordnete am Donnerstagvormittag dem "Guardian". Er müsse der Premierministerin signalisieren, dass ihre Zeit vorbei sei. Brady dürfte Truss also die Pistole auf die Brust gesetzt haben – diese zog die Konsequenzen.

Das Komitee legt die Messlatte hoch

Doch damit ist es nicht vorbei für den erfahrenen Politiker: Sein Komitee legt zudem den Modus fest, nach dem die Nachfolge des zurückgetretenen Parteichefs entschieden wird. Auf den Rücktritt Johnsons zum Beispiel folgte ein langwieriger Prozess mit mehreren Wahlrunden, der erst zwei Monate nach Johnsons Rücktritt Truss ins Amt brachte. Nun will Brady eine deutlich schnellere Entscheidungsfindung. "Sehr schnell und klar" wolle man die Angelegenheit regeln, das sei im nationalen Interesse, so der 1922-Chef.

Spätestens am nächsten Freitag soll ein Nachfolger feststehen. Erreicht nur ein Kandidat die vom 1922-Komitee festgelegte Marke von 100 Stimmen unter den Tory-Abgeordneten, könnte es schon am Montag so weit sein. Bis dahin können Kandidaten nominiert werden. Hier können Sie nachlesen, wie es in Großbritannien weitergeht und wer für die Posten als Parteichef und Premierminister infrage kommt. "Wir haben die Messlatte hoch gelegt, aber es ist für jeden ernsthaften Kandidaten (...) machbar", erklärte Brady.

Zurück auf die Hinterbank

Für ihn bedeutet die schnelle Wahl eines Nachfolgers einen ebenso raschen Rückzug aus dem Fokus der Öffentlichkeit. Seit 1997 sitzt Brady für die Tories im Unterhaus, war erst Oppositionseinpeitscher, dann Schattenminister – das Gegenstück zum Minister in der Opposition – für Bildung und Europa. Nach seiner Wahl zum 1922-Vorsitzenden im Jahr 2010 machte er vor allem von sich reden, als er 2018 für "politische und öffentliche Verdienste" zum Ritter ernannt wurde. Er gilt als Verfechter des Brexits und war scharfer Kritiker der Corona-Maßnahmen der Johnson-Regierung.

Brady bevorzugt die Hinterbank: Überlegungen, nach dem Rücktritt von Theresa May selbst für das Amt als Parteichef zu kandidieren, ließ er schnell wieder fallen. In den Hintergrund zurückkehren wird er, sobald ein Nachfolger für Truss gefunden ist.

Bis das nächste Mal Chaos ausbricht in der Downing Street Nr. 10.

Verwendete Quellen
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