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Korruptionsaffäre in Österreich: Blitzkanzler, Angst vor Wanzen und eine Abrissbirne


Korruptionsaffäre in Österreich
Die nächste absurde Episode

  • David Schafbuch
Von David Schafbuch

Aktualisiert am 03.11.2022Lesedauer: 5 Min.
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Sebastian Kurz und Thomas Schmid: Gegen beide wird in Österreich wegen Korruptionsvorwürfen ermittelt.Vergrößern des Bildes
Sebastian Kurz und Thomas Schmid: Gegen beide wird in Österreich wegen Korruptionsvorwürfen ermittelt. (Quelle: Eibner Europa/Sven Simon, Montage: U.Frey/t-online/imago images)

Mit der Befragung von Thomas Schmid ist Österreich um ein weiteres bizarres Politkapitel reicher. Davon gab es in den vergangenen Jahren schon einige.

Auf diesen Tag hatte die Öffentlichkeit lange gewartet: Mehrfach war es nicht gelungen, Thomas Schmid vor den österreichischen Untersuchungsausschuss zu bringen, der sich unter anderem mit der sogenannten Inseratenaffäre rund um Ex-Kanzler Sebastian Kurz befasst. Schmid gilt als eine der Schlüsselfiguren in dem Komplex rund um die konservative ÖVP.

Nicht nur die Medien hatten die Hoffnung, dass Schmid – Ex-Öbag-Chef, Ex-Generalsekretär im Finanzministerium und Ex-Kurz-Vertrauter – für weitere Enthüllungen sorgen werde. Denn zuvor hatte der 47-Jährige bereits ausführlich zu den Vorwürfen vor der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WkSta) ausgesagt. Schmid strebt dort den Status als Kronzeuge an. Die Protokollakten seiner bisherigen Vernehmungen sind mehr als 450 Seiten dick.

Doch vor dem Untersuchungsausschuss sagte Schmid dann so gut wie nichts. Er verweigerte nach einem Eingangsstatement die Aussage. Denn die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft seien noch nicht abgeschlossen und selbst belasten wolle er sich nicht. Anders als vor der WkSta steht Schmid vor dem Ausschuss unter Wahrheitspflicht. Die anwesenden Politiker beantragten daraufhin zahlreiche Ordnungsstrafen, weil sie die Verweigerung für unbegründet hielten. Wie teuer Schmids Schweigen ist, muss nun ein Gericht prüfen.

Damit ist die österreichische Politik um eine weitere absurde Episode in einem Skandal reicher, dessen Irrungen und Wirrungen immer umfangreicher werden. t-online gibt Ihnen einen Überblick über vier weitere bizarre Begebenheiten. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung:

Ein Handy, das für Furore sorgt

Die ganze Affäre begann 2019 mit Tausenden Handychats: Thomas Schmid hatte laut eigenen Angaben im November den Tipp bekommen, dass die WKSta bald eine Hausdurchsuchung bei ihm plane. Schmid, damals schon Chef der Österreichischen Beteiligungs AG (Öbag) und bestens im engsten Zirkel von Sebastian Kurz vernetzt, löschte deshalb zahlreiche Chatverläufe von seinem iPhone.

Doch die Sicherheit war trügerisch: Als die Ermittler wenig später tatsächlich das Handy und eine Festplatte von Schmid beschlagnahmen, wurden mehr als 300.000 Nachrichten wiederhergestellt. Daraufhin begann die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen. Zwei Jahre später gelangten die Chats an die Öffentlichkeit – und sorgten auch über Österreich hinaus für ein Beben.

Die Chats offenbaren das absonderliche Innenleben von Kurz' innerstem Kreis: Sie zeigen, wie sich die Gruppe mutmaßlich Posten zuschanzt und steuerfinanziert gefälschte Umfragen in Erzeugnissen der "Mediengruppe Österreich" platziert. Sätze von Schmid wie "Wer zahlt schafft an/Ich liebe das" oder "Ich bin so glücklich :-))/Ich liebe meinen Kanzler" sind mittlerweile genauso bekannt wie Kurz' Versprechen "kriegst eh alles was du willst", das er Schmid im März 2019 gab. Für das Nachrichtenmagazin "Profil" war das beschlagnahmte Handy von solch immenser Bedeutung, dass sie es zum "Mensch des Jahres 2021" kürten. Damit steht das Smartphone in einer Reihe mit Leuten wie Barack Obama, Greta Thunberg oder Angela Merkel.

52 Tage Kanzler und ein Doppelbeben

Im Laufe der Ermittlungen kommt es zu weiteren Durchsuchungen – Bundeskanzler Kurz gerät immer stärker unter Druck. Als Anfang Oktober 2021 neben der Parteizentrale von Kurz' ÖVP auch das Kanzleramt und das Finanzministerium durchkämmt werden, gibt der Politiker wenige Tage später dem Druck nach: Er will künftig als Klubchef die Fraktion der ÖVP im Parlament anführen und tritt als Kanzler zurück. An seine Stelle rückt der bisherige Außenminister Alexander Schallenberg – ein Diplomat, der über kein großes Netzwerk in der konservativen Partei verfügte.

Viele gingen davon aus, dass Kurz aus der Fraktion heraus als Schattenkanzler agiert und früher oder später wieder zurückkommen wollte. Doch es kam anders: Kurz verkündet Anfang Dezember, sich komplett aus der Politik zurückzuziehen. Stunden später erklärt auch Schallenberg nach 52 Tagen seine Kanzlerschaft für beendet: Der Posten von Kanzler und ÖVP-Parteichef, den zuvor noch Kurz innehatte, müsse in einer Hand liegen. Schallenberg habe aber an dem Parteiposten kein Interesse. Beide Stellen übernimmt daraufhin der bisherige Innenminister Karl Nehammer – Schallenberg wird nach seinem Ausflug ins Kanzleramt wieder Außenminister.

Wer ist alles verwanzt?

Zwischen Kurz' Kanzlerrücktritt und seinem Komplettrückzug kommt es erneut zu Gesprächen zwischen ihm und Thomas Schmid: Der Ex-Kanzler zeichnet ein Telefonat mit seinem Vertrauten auf. Mehrfach macht Kurz deutlich, dass es absurd sei, dass er die geschönten Umfragen persönlich in Auftrag gegeben haben solle. Die Antworten von Schmid sind eher ausweichend, bevor auch er an einer Stelle die Vorwürfe gegen Kurz als "völlig absurd" bezeichnet. Monate später wird Schmid vor der Staatsanwaltschaft aussagen, dass er bei den Umfragen im Auftrag von Kurz gehandelt habe und die Vermutung hatte, Kurz sei während des Telefonats verwanzt. Der Ex-Kanzler präsentiert dagegen ein Protokoll des Gesprächs als Beweis seiner Unschuld. Auch das mitgeschnittene Gespräch gelangte erst vor wenigen Tagen an die Öffentlichkeit.

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Noch skurriler soll allerdings das mutmaßlich letzte persönliche Treffen zwischen Kurz und Schmid im Oktober 2021 abgelaufen sein: Schmid erläutert den Behörden, Kurz habe ihn dazu gedrängt, ihm alle gespeicherten Chats zu übergeben, weil er sich darum "jetzt selber kümmern" wolle. Von großem Vertrauen war die Atmosphäre damals wohl von beiden Seiten nicht geprägt: Schmid habe laut eigenen Angaben den damaligen Finanzminister Gernot Blümel im Vorfeld gefragt, ob Kurz bei dem Treffen verwanzt sein könnte. Blümel habe ihm daraufhin erklärt, dass ihm Kurz zuvor die gleiche Frage gestellt habe.

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Abrissbirne, U-Ausschusschef und Beschuldigter in einem

Wolfgang Sobotka ist ein Schwergewicht in der konservativen ÖVP – und ein früher Förderer von Sebastian Kurz. Als "Abrissbirne" seiner Regierung hatte ihn der Ex-Bundeskanzler Christian Kern in einem Interview mit dem "Standard" einst bezeichnet: Sobotka habe als Innenminister die damalige Große Koalition gemeinsam mit Kurz so lange sabotiert, bis Neuwahlen vereinbart wurden. Die anschließende Wahl entschied Kurz dann für sich.

Heute ist der ÖVP-Politiker Präsident des österreichischen Parlaments – und weiterhin umstritten: Das liegt zum einen daran, dass Sobotka auch dem Untersuchungsausschuss vorsteht, der die möglichen Korruptionsvorgänge in seiner eigenen Partei untersucht. Laut Verfahrensordnung ist er dazu zwar grundsätzlich berechtigt – anders als in Deutschland. Allerdings wäre es auch möglich, dass Sobotka einem seiner Vertreter den Vorsitz überlässt. Trotz Kritik wegen möglicher Befangenheit lehnt das der Politiker bisher aber ab.

Pikant ist das auch, weil Thomas Schmid in seinen Befragungen auch Sobotka schwer belastet hat: In den Vernehmungen gab er an, er habe auf Drängen Sobotkas Steuerprüfungen gegen zwei parteinahe Vereinigungen verhindert. Dieser wies die Vorwürfe zurück. Persönlich trafen die beiden im heutigen Untersuchungsausschuss allerdings nicht aufeinander: Obwohl Sobotka nicht dauerhaft auf den Vorsitz verzichten will, ließ er sich am heutigen Donnerstag vertreten – laut seinem Büro wegen einer bereits länger geplanten Auslandsreise.

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