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Russland: Hat sich Mali mit seinem Wagner-Deal verzockt?


Nach Wagner-Revolte
Hat sich dieses Land mit seinem Russland-Deal verzockt?

MeinungEin Gastbeitrag von Ulf Laessing

Aktualisiert am 27.06.2023Lesedauer: 4 Min.
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Der russische Außenminister Sergej Lawrow und sein malischer Amtskollege Abdoulaye Diop: Die Regierung setzt voll auf die Zusammenarbeit mit Russland. (Quelle: Russian Foreign Ministry/imago-images-bilder)

In den vergangenen Tagen strotzte Mali nur so vor Kraft: Die Militärregierung forderte die Blauhelm-Mission zur Ausreise auf. Doch plötzlich zettelte der Wagner-Chef in Russland einen Machtkampf an – kann sich Mali noch auf Moskau verlassen?

Mali setzt alles auf eine Karte: Seit Herbst 2021 ist Russland der Hauptpartner des westafrikanischen Landes im Kampf gegen Dschihadisten. Moskau lieferte zuerst Hubschrauber und Jets, dann trafen kurz vor Weihnachten die ersten Wagner-Söldner ein. Danach ging es Schlag auf Schlag in die Isolation: Frankreich stellte im Streit mit der Regierung seine Anti-Terror-Mission ein.

Die Bundeswehr, alle anderen westlichen und viele afrikanischen Länder zogen nach und verkündeten ihren Abzug, da Mali mit Ankunft der Russen die Arbeit der Mission erschwerte – die Regierung in Bamako will keine Zeugen bei Operationen mit Wagner so wie in der Kleinstadt Moura, wo die Armee und russische Kämpfer nach Angaben der Vereinten Nationen im März 2022 mindestens 500 Menschen töteten.

Nun die letzte Eskalation: Mali verlangt den Abzug der 13.000 Personen starken Blauhelm-Mission MINUSMA, die im umkämpften Norden und Zentrum für etwas Stabilität sorgt.

(Quelle: Zoubeir Souissi)

Zur Person

Ulf Laessing leitet das Regionalprogramm Sahel der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) mit Sitz in Malis Hauptstadt Bamako.

Die Militärregierung sieht sich als Sieger

Diplomaten hatten erwartet, dass Mali das Mandat der MINUSMA verwässern und neue Untersuchungen wie in Moura verhindern wollte, hatten aber nicht mit einem Rausschmiss gerechnet. Doch die Regierung verweist auf die angebliche Stärke ihrer neuen militärischen Operationen und will den Abzug. Bis Freitag muss der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in New York eine Entscheidung treffen – dann läuft das Mandat ab.

Mali wird sich wohl durchsetzen. Die Militärregierung sieht sich als Sieger und zeigt, wie man eine lästige Blauhelm-Mission loswird.

Russlands Image als verlässlicher Partner bekommt Risse

Das war der Stand bis zum Freitagabend, als Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin einen Putschversuch gegen Präsident Putin anzettelte. Plötzlich sah Russland gar nicht mehr so stabil aus, wie sich die Regierung gerne in Afrika gibt. Dort preisen prorussische Influencer Russland als angeblich verlässlichen Partner an, der Afrika helfe, sich von den "Fesseln westlicher Kolonialherrschaft" zu befreien. Die Meuterei war zwar schon ein Tag später wieder vorbei, so manch einer in der Regierung mag da durchgeatmet haben – doch Russlands Image hat einen herben Kratzer bekommen.

Viel spricht dafür, dass Russland aber weiter in Afrika Präsenz zeigen wird. Außenminister Sergej Lawrow sagte am Montag, dass "russische Ausbilder" (so die offizielle Beschreibung der Söldner) ihren Einsatz in Mali und der Zentralafrikanischen Republik – wo Wagner auch tätig ist – fortsetzen. Erst am Freitag landete am Flughafen der Hauptstadt Bamako wieder eine russische Iljuschin. Die Transportmaschine kam laut in den sozialen Medien veröffentlichen Flugdaten aus Syrien, wo Wagner auch stark tätig ist. Die Maschine kommt regelmäßig, um Kämpfer zu rotieren und neues Material zu liefern. Der letzte Flug ist das stärkste Signal, dass Russland weitermacht – egal, ob Prigoschin Wagner-Chef bleibt oder nicht.

Video | Wer ist Jewgeni Prigoschin?
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Quelle: Glomex

Für Russland steht viel auf dem Spiel

Zu viel steht für Russland auf dem Spiel. Moskau hat jahrelang mithilfe von Trollfabriken in Desinformationskampagnen in Afrika investiert, um sich ein Scheinimage aufzubauen. Dazu kommt: Die Wagner-Verträge sowie Diamanten und Golddeals sind besonders lukrativ in Zeiten westlicher Sanktionen. Die Söldner waren niemals Prigoschins Privatvergnügen, auch wenn Putins ehemaliger Edel-Koch viel mit Wagner verdient hat. Seit den Zeiten der Sowjetunion sind Waffen und Ausbilder ein wichtiges Exportprodukt.

Die Entsendung von Wagner nach Mali erfolgte im Rahmen bilateraler Verträge mit dem russischen Staat – damit können Bamako und Moskau die Präsenz von Söldnern offiziell bestreiten. Aber dies ändert nichts daran, dass Wagner Teil russischer Außenpolitik ist. Sollten die Gruppe und ihre Beteiligungen in Afrika im Zuge des Machtkampfes in Russland zerschlagen werden und Prigoschin politisch nicht überleben, dürfte Moskau einen anderen benennen, der die Operationen und Geschäfte fortführt.

Zweifel an Russlands Engagement in anderen Staaten

Eine Expansion aus Mali in weitere Sahelstaaten wie Burkina Faso wird allerdings eher schwierig sein. In der Regierung wird bereits jetzt registriert, dass der Einsatz der Russen im Nachbarland Mali wenig gebracht hat. Malis Armee fliegt dank russischer Hubschrauber zwar mehr Luftangriffe gegen Dschihadisten, die sich stark im Zentrum und Norden ausgebreitet haben.

Geländegewinne gibt es aber kaum, zumal die Brutalität der Russen den Dschihadisten wohl auch neuen Zulauf verschafft. Mancher wird sich in Burkina Faso und anderswo fragen, wie es mit Moskaus Zuverlässigkeit aussieht, sollten die Kämpfer einmal in der Ukraine oder in Russland benötigt werden.

Blauhelm-Abzug birgt Risiken für Bamako

Mali geht mit der Ausweisung der Blauhelme ein großes Risiko ein. Die Mission hat nie die falschen Erwartungen der Bevölkerung erfüllen können – viele hatten gedacht, dass die UN-Soldaten aktiv kämpfen. Das defensive Mandat war aber nur dazu da, etwas Stabilität in den Norden zu bringen, von wo die französische Armee die Dschihadisten 2013 vertrieben hatte.

Die KAS ist eine der CDU ideell nahestehende Denkfabrik, die sich unter anderem für die europäische Verständigung einsetzt.

Diese kehrten dann schnell aus ihren Verstecken in der Wüste zurück und breiteten sich ins Zentrum aus, weil der malische Staat es versäumte, dort Schulen, Behörden oder Krankenhäuser aufzubauen. Dschihadisten, die mit kriminellen Netzwerken und Schmugglern kooperieren, haben bis heute leichtes Spiel, Freiwillige aus dem Heer der Arbeitslosen zu finden.

Die Sicherheitslage wird sich weiter verschlechtern

Die MINUSMA ist bei aller Kritik so etwas wie der Staatersatz in Nord- und Zentral-Mali. Dort bietet die Mission viel neben ihren Patrouillen an, was eigentlich Behörden machen sollten, wie ein kürzlicher Besuch in Mopti, der größten Stadt im Zentrum, zeigte: Arbeitslose bekommen eine Berufsausbildung, die Polizei neue Gebäude und auch gleich noch Benzin für die eigenen Patrouillen. Es mangelt an vielem außerhalb von Bamako im Süden, und die Mission lindert die Armut.

Nicht zu vergessen: Tausende arbeiten bei der Mission und werden nun bald arbeitslos – das birgt viel sozialen Sprengstoff. Viele werden sich mangels Alternativen Banditen oder Dschihadisten anschließen. Die Folge: Die Sicherheitslage wird sich weiter verschlechtern, mehr Binnenflüchtlinge werden in die Nachbarländer Niger und Burkina Faso ziehen.

Bisher gehen sie in die großen Städte wie den Bundeswehr-Standort Gao, aber diese werden mit dem Abzug der MINUSMA auch unsicherer werden. Wenn dann auch noch Russland als Partner wackelt, brechen unruhige Zeiten für die Regierung in Bamako an.

Die im Gastbeitrag geäußerten Ansichten geben die Meinungen der Autoren wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der t-online-Redaktion.

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