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Russland: Wladimir Putin testet Nuklear-"Sturmvogel" offenbar in der Arktis


Russlands "Sturmvogel"
Putin testet offenbar nukleare Waffe in der Arktis


04.10.2023Lesedauer: 4 Min.
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Präsident Wladimir Putin (Archivbild): Der Kremlherrscher testet wohl einen nuklearen Flugkörper in der Arktis. (Quelle: Valery Sharifulin/imago-images-bilder)

Satellitenbilder sollen den Test eines nuklearen Marschflugkörpers beweisen. Was über Putins Geheimwaffe "Burewestnik" bekannt ist.

Die Geschichte klingt wie aus einem James-Bond-Film. Auf einer Insel in der Arktis, knapp 2.000 Kilometer von Moskau entfernt, testet Russland derzeit offenbar einen nuklear angetriebenen und nuklear bestückbaren Marschflugkörper. Auf der Insel Nowaja Semlja zwischen Barentssee und Karasee in der Arktis leben nur knapp 2.000 Menschen. Das Gelände ist rau. Aktuell herrschen dort, mitten im arktischen Meer, Temperaturen knapp unter 0 Grad Celsius.

Ideal, um Geheimwaffen zu testen. Denn die Geschichte ist keine Fiktion über einen russischen Bösewicht, sondern soll sich tatsächlich so abspielen. Berichte der "New York Times" enthüllen, dass Russland seine Waffe namens Burewestnik entweder getestet hat – oder einen Test auf der abgeschiedenen Abschussrampe Pankovo vorbereitet. Dabei bezieht sich das US-Medium auf Satellitenbilder aus dem September, die ungewöhnliche Bewegungen auf der Startrampe zeigen sollen.

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"Sturmvogel" kann um die halbe Welt fliegen

Burewestnik oder SSC-X-9 Skyfall soll eine strategischer, nuklearfähiger Marschflugkörper der Russen sein. Auf Deutsch wird die Waffe "Sturmvogel" genannt. Viel ist über Putins Geheimwaffe nicht bekannt. Aber sie soll – wenn ein Test irgendwann erfolgreich ist – bis zu 20.500 Kilometer weit fliegen können. Damit könnte sie einmal die halbe Welt umrunden und locker jedes Ziel in den USA erreichen.

Die Reichweite wäre weiter als bei strategischen Atomwaffen üblich. Die liegt bei knapp 15.000 Kilometern. Marschflugkörper fliegen in einer Höhe von maximal 100 Metern und sind damit häufig zu niedrig, um vom gegnerischen Radar erfasst zu werden. Die Waffe ist einmalig und "wurde noch von keiner anderen Nation eingesetzt". Das schreibt die "Nuclear Threat Initiative" in einem Briefing. Die Non-Profit-Organisation mit Sitz in Washington warnt vor nuklearen Entwicklungen und lobbyiert gegen den Einsatz von Nuklearwaffen.

Putin selbst hat erklärt, dass der Flugkörper nuklear betrieben wird. Es wird vermutet, dass der Marschflugkörper erst mit einem Feststoffraketenmotor startet und anschließend in der Luft einen Kernreaktor zündet. Der "Sturmvogel" kann zwar auch einen konventionellen Sprengkörper tragen, würde in der Praxis aber wohl nuklear bestückt werden, wenn auch mit einer kleineren Ladung als üblich. Auch diese könnte laut namentlich nicht genannten Experten der "New York Times" große städtische Gebiete und militärische Ziele zerstören.

Putin kündigte 2018 sechs strategische Atomwaffen an

Burewestnik ist eine von sechs strategischen Atomwaffen, deren Entwicklung Putin 2018 vorstellte. In einer Rede 2018 sagte er in Richtung Westen: "Ihr habt es nicht geschafft, Russland einzudämmen", zitiert die "New York Times". Die sechs Waffen könnten Putins Behauptungen zufolge sogar die US-Abwehrsysteme überwinden. Putin würde den "Sturmvogel" – offiziell – als Zweitschlag fliegen lassen, also wenn Russland selbst von Atomraketen getroffen wurde und in Schutt und Asche liegt, schreiben Experten der "Nuclear Threat Initiative". Bis 2025 soll Burewestnik einsatzfähig sein. Das hält die Initiative für unwahrscheinlich. Wegen "technischer Hürden" sei die Entwicklung noch weit von der Fertigstellung entfernt.

Vor und nach Putins Ankündigung hat Russland die Geheimwaffe bereits mehrfach getestet. Doch bisher war wohl kein Flug erfolgreich. Bekannt sind 13 Tests zwischen 2017 und 2019. Bei einem Test 2019 explodierte der Marschflugkörper, sieben Menschen kamen ums Leben. Bei einem erfolgreichen Start flog Burewestnik 35 Kilometer, nach zwei Minuten war Schluss und der Flugkörper stürzte ins Meer. Ein anderer Test endete damit, dass der nukleare Reaktor nicht zündete und der Flugkörper erneut wenige Kilometern von der Startrampe entfernt ins Meer stürzte. Seitdem war Ruhe auf dem Testfeld in der Arktis – zumindest wurden keine weiteren Tests bekannt. Bis jetzt.

Satellitenbilder zeigen Bewegung auf der Startrampe

Die Satellitenbilder, die die "New York Times" ausgewertet hat, zeigen ungewöhnliche Bewegungen auf der Insel. Ein erstes Bild wurde am 20. September aufgenommen. Auf der Abschussrampe stehen zahlreiche Fahrzeuge, dazu ein Anhänger, der der Größe des Marschflugkörpers entspricht. Ein Wetterschutzdach, das die Rampe normalerweise bedeckt, wurde verschoben.

Schon am Nachmittag desselben Tages war der Anhänger weg, das Schutzdach stand wieder auf dem üblichen Platz. Acht Tage später zeigen Satellitenbilder dasselbe Bild. Die Bewegungen auf der Militärbasis stimmen mit Satellitenbildern von Russlands Tests aus 2017 und 2018 überein.

Außerdem ungewöhnlich: Am 31. August warnten die russischen Behörden vor einem "vorübergehenden Gefahrengebiet". Piloten rieten sie, einen Teil der Barentsee und den Luftraum 19 Kilometer um die Startrampe entfernt zu meiden, berichtet die "New York Times". Die Warnung wurde mehrmals verlängert und gilt noch bis zum Sonntag, 6. Oktober. Ähnliche Ankündigungen gab es bei einem Test im Jahr 2019.

Anfang August landeten außerdem zwei Flugzeuge etwa 160 km entfernt vom Startplatz auf dem Luftwaffenstützpunkt Rogatschowo, wie die norwegische Umweltorganisation Bellona anhand von Satellitenbildern festgestellt hat. Die Flugzeuge sind von der russischen Atombehörde Rosatom, könnten also die nötige nukleare Antriebskapsel geliefert haben. Die beiden Flieger blieben bis zum 26. September. Auch hier: Alles ähnlich wie bei einem Test 2018.

Auch ein Test könnte gefährlich werden

Ein US-amerikanisches Aufklärungsflugzeug vom Typ Boeing RC-135 Rivet Joint flog außerdem mindestens zwei Einsätze entlang der Küste der arktischen Insel, am 19. und 26. September.

Allerdings ist nicht klar, ob die Russen den nuklear betriebenen Marschflugkörper bereits getestet haben – oder nur einen Test vorbereiteten. Weil die Startrampe in der Arktis weit abgeschieden ist, lässt sich ein Test ebenfalls nur schwerer überprüfen.

Gefährlich ist aber nicht nur der mögliche Einsatz des Marschflugkörpers, sondern auch ein Test selbst. "Sie ist exotisch", sagt Daryl G. Kimball, Geschäftsführer der Arms Control Association der "New York Times". "Sie ist in der Test- und Entwicklungsphase gefährlich." Allerdings sei die Waffe noch Jahre von einem "operativen Einsatz" entfernt, so der Experte.

Sollte ein Test mit einem Atomreaktor in dem Flugkörper fehlschlagen – beispielsweise durch eine Explosion – könnte der Marschflugkörper radioaktive Energie freisetzen, so Kimball. Aus dem Grund haben die Amerikaner etwa die Entwicklung von nuklearen Marschflugkörpern abgebrochen.

Das Weiße Haus gab der "New York Times" keine Stellungnahme zu möglichen neuen Test der Waffe durch Russland ab, Kremlsprecher Dmitri Peskow dementierte laut "Deutschlandfunk" den Bericht der "New York Times". Überprüfen lässt sich seine Aussage nicht. Russlands Präsident Wladimir Putin drohte dem Westen im Zuge des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine jedoch immer wieder mit einem Atomwaffeneinsatz. "Das ist kein Bluff", sagte Putin in einer Fernsehansprache. Mit dem neuerlichen Test könnte er erneut versuchen, seine Macht zu demonstrieren und dem Westen zu drohen.

Verwendete Quellen
  • nytimes.com: "Russia May Be Planning to Test a Nuclear-Powered Missile" (Englisch)
  • nti.org: "Russia's new nuclear weapon delivery systems" (Englisch)
  • Deutschlandfunk: "Informationen am Morgen, 4.10.2023"
  • kachelmannwetter.com: "Wetter Nowaja Semlja"
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