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Russland: Dmitri Medwedew zeigt Propagandakarte der Ukraine


"Die Ukraine ist definitiv Russland"
Medwedew empört mit Propagandakarte


06.03.2024Lesedauer: 4 Min.
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Dmitri Medwedew spricht auf dem "World Youth Festival" in Sotschi: Der ehemalige russische Präsident erhebt ausschweifende Gebietsansprüche. (Quelle: IMAGO/Yekaterina Shtukina/imago-images-bilder)

Dass Russland imperiale Fantasien hegt, ist bereits bekannt. Mit einer Karte zeigt Kreml-Scharfmacher Dmitri Medwedew jetzt erneut, wie weit die angeblichen Ansprüche gehen.

Wenn Dmitri Medwedew öffentlich spricht, dann wählt er meistens drastische Worte. Der Scharfmacher Wladimir Putins fabuliert dann einen "Weltkrieg" herbei oder droht mit dem Einsatz von Atomwaffen. Die ukrainische Regierung wird in seiner Fantasiewelt zu einer Gruppe "Drogensüchtiger" und Olaf Scholz zum "Leberwurstkanzler". Zuletzt attestierte er dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron, dass er "Urin im Kopf" habe, weil dieser nicht ausschließen will, Bodentruppen in die Ukraine zu schicken.

Aus westlicher Perspektive muten solche Ergüsse des Vizechefs des russischen Sicherheitsrates fast schon komisch und überspitzt an. Doch Dmitri Medwedew verfolgt mit seiner Propaganda ein klares Ziel: Er stützt den imperialistischen Kurs Wladimir Putins – und lässt dabei wegen seiner Radikalität den Kremlchef fast schon gemäßigt erscheinen.

Ein Beispiel dafür lieferte Medwedew am vergangenen Sonntag auf einem Jugendfestival in der Küstenstadt Sotschi am Schwarzen Meer: Dort sprach der ehemalige russische Präsident (2008-2012) und Ministerpräsident (2012-2020) insbesondere über die Außen- und Sicherheitspolitik seines Landes. Das ist zunächst nicht ungewöhnlich. Doch Medwedew präsentierte während seines Vortrags eine Karte, auf der die Grenzen der Russischen Föderation plötzlich deutlich weitläufiger sind als ohnehin schon. Auch Polen und Rumänien wachsen in Medwedews Welt über ihre eigentlichen Grenzen hinaus. Und die Ukraine? Das angegriffene Land ist nur noch ein Rumpfstaat.

"Ein Konzept, das für immer verschwinden sollte"

Das "Konzept", dass die Ukraine nicht zu Russland gehöre, müsse sofort verschwinden, erklärte Medwedew laut der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Ria Novosti. "Einer der früheren Führer der Ukraine sagte einmal, die Ukraine sei nicht Russland. Das ist ein Konzept, das für immer verschwinden sollte. Die Ukraine ist definitiv Russland", so Medwedew. Ebenso verschwinden sollte seiner Meinung nach Versuche, diese "russische öffentliche Meinung" zu ignorieren. Der Politiker erntete dafür minutenlangen Applaus.

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Die Leugnung der ukrainischen Staatlichkeit ist eine Erzählung, die der Kreml als Teil von Desinformationskampagnen und zur vorgeblichen Legitimierung seines Angriffskriegs immer wieder verbreitet. Tatsächlich hat der ukrainische Staat eine lange Geschichte. Laut dem US-Historiker Timothy Snyder geht die Idee des ukrainischen Staates mindestens bis auf das 17. Jahrhundert zurück. Die Geschichte des Landes sei jedoch noch viel älter, so Snyder in einem Podcast des Weltwirtschaftsforums. Sowohl die Ukraine als auch Russland und Belarus sehen in der Kiewer Rus ihren Vorläufer. Dabei handelt es sich um ein altostslawisches Großreich, das ab dem 9. Jahrhundert die Stadt Kiew zum Zentrum hatte.

Glaubt man Medwedew, so gehörten die Gebiete an beiden Ufern des ukrainischen Flusses Dnipro zu den "historischen und strategischen" Grenzen des russischen Reichs. Alle Versuche, diese Grenzen "gewaltsam zu verändern oder zu beschneiden", seien "zum Scheitern verurteilt", erklärte er. Alle Mächte sollten dies achten, so Medwedew: "Dies ist, wenn Sie so wollen, Teil unseres grundlegenden Selbstverständnisses, die Grundprinzipien unserer Außenpolitik für die kommenden Jahrzehnte, und wir werden nicht davon abweichen." Eine ähnliche Karte teilte Medwedew bereits im Jahr 2022 auf seinen Social-Media-Kanälen.

Medwedew ist ganz auf Putins Linie

Medwedew schließt sich damit wieder einmal den Ansichten Wladimir Putins an, der als Geschichtsrevisionist gern über angebliche historische Grenzen Russlands spricht. Erst Anfang Februar hielt er dem US-Moderator Tucker Carlson in einem Interview einen mehr als 30-minütigen Vortrag über seine Sicht der russischen Geschichte und vermeintliche Gebietsansprüche, die sich daraus ergeben würden. Diese gehen sogar über Medwedews Karte hinaus, mehr dazu lesen Sie hier. "Die moderne Ukraine wurde vollständig von Russland geschaffen, genauer gesagt vom bolschewistischen, kommunistischen Russland", begründete Putin zudem im Februar 2022 seine Invasion in das Nachbarland.

Die von Medwedew gezeichneten Grenzen gehen weit über die Territorien hinaus, die Russland im Zuge seines Angriffskriegs gegen die Ukraine unter seine Kontrolle gebracht hat. Derzeit kontrolliert Russland insgesamt etwas weniger als ein Fünftel des ukrainischen Staatsgebiets – nichts davon liegt auf dem rechten Ufer des Dnipro. Medwedews Grenzen gehen zudem auch über die süd- und ostukrainischen Gebiete sowie die Halbinsel Krim hinaus, die Russland im September 2022 beziehungsweise im Jahr 2014 völkerrechtswidrig annektiert hat. Von der Ukraine übrig bleibt in seiner Welt lediglich die Region um Kiew sowie die Hauptstadt selbst. Das schließt jedoch nicht aus, dass Moskau auch darauf Ansprüche erhebt.

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Polen: "Zeichen der Verzweiflung"

Medwedew unterstellt mit seiner Karte auch den Nato-Staaten Polen und Rumänien, Gebietsansprüche in der Ukraine zu haben. Beide Länder nehmen darauf weite Teile des Westens der Ukraine ein. Das polnische Außenministerium bezeichnete das als ein "Zeichen der Verzweiflung". Auf dem X-Profil des Ministeriums hieß es: "Moskau merkt, dass es die Ukraine nicht erobern kann, und sucht sich Komplizen für seine Verbrechen. Die Grenzen in Europa sind sakrosankt."

Die Analysten der US-Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW) halten die Tatsache, dass Medwedew erneut die Karte aus dem Jahr 2022 hervorholt, für eine Bestätigung der Maximalziele des Kreml im Krieg gegen die Ukraine. "Die Karte ist vor allem eine konservative Darstellung möglicher russischer Gebietsansprüche, da Putins jüngste geografische Definition von Russki Mir das ehemalige Russische Reich umfasst, zu dem auch Teile Polens, Rumäniens, Finnlands und Moldawiens gehören", schreiben die Experten. Die "Russki Mir" (zu deutsch "Russische Welt") ist eine Ideologie, die die Einheit aller Staaten der ehemaligen Sowjetunion propagiert.

Expertin: "Wir sollten uns keinen Illusionen hingeben"

Laut der Russlandexpertin Sabine Fischer zeigt Medwedews Karte erneut, was Putins Regime wirklich wolle. Es gehe im Ukraine-Krieg weder um Verhandlungen noch Kompromisse oder ein "Einfrieren" des Konflikts. "Sie wollen die Ukraine zerstören und werden dieses Ziel weiter verfolgen", schreibt die Politikwissenschaftlerin der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) auf der Plattform X.

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Fischer stellt die Präsentation zudem in einen Zusammenhang mit anderen aggressiven Gesten Moskaus aus der jüngsten Zeit. Dazu gehörten der Expertin zufolge Russlands Drohungen gegen die Republik Moldau, aber auch die Veröffentlichung eines Gesprächsmitschnitts von deutschen Luftwaffen-Offizieren zum Marschflugkörper Taurus. Mehr dazu lesen Sie hier.

Solange die Ukraine sich verteidigen könne, sei es unwahrscheinlich, dass den russischen Streitkräften weitere Gebietseroberungen gelängen, so Fischer. "Aber wir sollten uns keinen Illusionen hingeben: Moldau ist in ernster Gefahr, ebenso wie das Baltikum und irgendwann vielleicht sogar Polen." Medwedew habe erneut gezeigt, wie sehr Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine mit der Sicherheit in westlichen Staaten zusammenhänge.

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