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"Ist die Krim einen Atomkrieg wert?" - Westen sucht diplomatische Lösung


Hilfloser Westen startet letzten Versuch
"Ist die Krim einen Atomkrieg wert?"

Von dpa, ap
Aktualisiert am 14.03.2014Lesedauer: 4 Min.
John Kerry und Sergej Lawrow, Außenminister der USA und RusslandsVergrößern des BildesHaben derzeit nicht den besten Draht zueinander: John Kerry und Sergej Lawrow, die Außenminister der USA und Russlands (Quelle: dpa-bilder)
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Diplomatischer Showdown um die Krim: Kurz vor dem Referendum über eine Angliederung der ukrainischen Halbinsel an Russland unternimmt der Westen in Person von US-Außenminister John Kerry in London einen letzten Versuch, Russland zum Einlenken zu bewegen. Die Strategie scheint dabei eine etwas hilflose Mischung aus viel zu wenig Zuckerbrot und zu kurzer Peitsche zu sein.

Letztlich stehen die USA und die Europäische Union der russischen Position nach wie vor recht hilflos gegenüber. Denn Androhungen von wirtschaftlichen und diplomatischen Sanktionen haben Moskau bislang kalt gelassen. Die schärfste diplomatische Waffe, eine Resolution des UN-Sicherheitsrats, wird scheitern - am Veto Russlands. Und wegen der Krim-Krise militärisch einzugreifen, ist für den Westen natürlich keine Option.

Es ist bereits das dritte Mal innerhalb von zehn Tagen, dass Kerry mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow zusammentrifft, um über die Krise in der osteuropäischen Republik zu sprechen. Ihre Gespräche in Rom und Paris waren jedoch nahezu ergebnislos verlaufen, auf eine gemeinsame Linie konnten sich die beiden Chefdiplomaten nicht einigen.

"Interner Konflikt der Ukraine"

Nun droht der Westen dem Kreml noch einmal Sanktionen an; gleichzeitig verlautete vor dem Londoner Treffen aus dem Weißen Haus, dass Kerry mit einem Angebot Lawrow zum Einlenken bringen will. Äußerungen von Präsident Wladimir Putin, der die Krim-Krise weiter als einen "internen Konflikt der Ukraine" bezeichnet, lassen aber kaum darauf hoffen.

In einem kurzen Telefonat hatte Kerry sein Gegenüber vorab gewarnt, dass eine weitere Eskalation einen "Preis" haben werde. Zugleich stellte er bei einer Anhörung im US-Kongress allerdings klar, dass die USA eine diplomatische Lösung des Konflikts vorziehen: "Glauben wir, dass die Krim einen Atomkrieg wert ist?" Sowohl die USA als auch die amerikanischen Bürger hätten auf diese Frage eine klare Antwort, und die lautet: Nein.

Angebot an den Kreml

Gleichzeitig hat Kerry Lawrow ein Angebot gemacht, das Russland nach den Worten des amerikanischen Regierungssprechers Jay Carney die Möglichkeit biete, den Konflikt beizulegen. Die internationale Gemeinschaft solle offiziell anerkennen, dass Russland "legitime" Interessen und eine Marinebasis in der Ukraine hat. Und darüber hinaus, dass beide Länder wegen der in der Ukraine lebenden ethnischen Russen tiefe kulturelle und historische Bindungen haben.

Eine "robuste Überwachungsmission" soll zudem sicherstellen, dass sowohl ukrainische als auch russische Interessen geachtet werden, sagte Carney. Mit diesem Schritt reagiert Washington auf Moskaus Vorwurf, dass die ethnischen Russen in der Ukraine unfair behandelt würden.

"Internationale Gemeinschaft geschlossen"

Auf der anderen Seite kündigte Kerry an, die USA und die Europäische Union würden schon am Montag Maßnahmen gegen Russland ergreifen, falls es sich die ukrainische Halbinsel nach einem entsprechenden Ausgang des Krim-Referendums einverleiben sollte. "Ich hoffe, dass sie sich darüber klar werden, dass die internationale Gemeinschaft hier sehr geschlossen ist", sagte Kerry im US-Senat.

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel warnte Russland in ihrer Regierungserklärung vor politischem und wirtschaftlichem Schaden, sollte es auf Konfrontationskurs zum Westen bleiben. Sie drängte Russland zu raschen und zielführenden Verhandlungen über eine Entschärfung der Krise. Nötig sei eine diplomatische Lösung für den Konflikt. Der Einsatz des Militärs sei keine Option, stellte auch Merkel klar.

Geld, aber keine Waffen für Kiew

Im Umgang mit der Übergangsregierung in Kiew versuchen die USA weiterhin, eine mögliche militärische Konfrontation zu verhindern. Laut einem Bericht des "Wall Street Journal" lehnten sie ein Gesuch Kiews ab, Militärhilfen wie Waffen und Munition in die Ukraine zu senden, um die Spannungen mit Russland nicht weiter anzuheizen. Ein hoher US-Beamte präzisierte nach Angaben des Blattes zur Frage einer Militärhilfe für die Ukraine: "Es ist kein Nein für immer, sondern ein Nein fürs Erste."

Auf der anderen Seite wollen die USA die ukrainische Abhängigkeit von russischem Gas etwas eindämmen. Der US-Gasexport nach Europa wäre ein "Hammer über Russland" und ein "starkes Signal", sagte der Abgeordnete Edward Royce. Die Energiebehörde habe bereits sechs Lizenzen für den Export von täglich insgesamt 240 Millionen Kubikmetern erteilt, sagte Kerry. Der Gasexport im großen Umfang werde allerdings erst im Jahr 2015 anlaufen. Langfristig sei man jedenfalls darauf vorbereitet, die ukrainische Abhängigkeit im Energiesektor zu kippen.

Jazenjuk will "Partner sein"

Noch hilfloser als der Westen sieht die ukrainische Übergangsregierung der drohenden Abspaltung der Halbinsel Krim entgegen. Mit einem dramatischen Friedensappell hatte sich Regierungschef Arseni Jazenjuk am Donnerstagabend im UN-Sicherheitsrat an den Kreml gewandt. Die russische Besetzung der Krim sei eine "militärische Aggression ohne Grund und Anlass".

Jazenjuk erinnerte in New York an die "warmen und freundlichen Beziehungen", die sein Land jahrzehntelang mit Moskau unterhalten habe. Er sei sich auch sicher, dass "die Russen keinen Krieg wollten". Deshalb forderte er Moskau zum Dialog auf. "Wenn wir echte Gespräche mit Russland beginnen, können wir, glaube ich, echte Partner sein."

Abrüstungsbemühungen torpediert

Gleichzeitig warf er Moskau vor, die atomaren Abrüstungsbemühungen zu torpedieren. Die Ukraine habe 1994 das weltweit drittgrößte Arsenal an Atomwaffen aufgegeben und im Gegenzug dafür Garantien erhalten, dass Russland seine Unabhängigkeit und territoriale Integrität respektiere, sagte Jazenjuk. Angesichts der russischen Besetzung der Krim werde es in Zukunft schwierig werden, ein Land davon zu überzeugen, dass es keine Atomwaffen braucht.

Der russische UN-Botschafter Vitali Tschurkin entgegnete: "Russland will keinen Krieg, und auch nicht die Russen, und ich bin überzeugt, dass die Ukrainer das auch nicht wollen." Auf Jazenjuks Forderung nach einer Rückkehr an den Verhandlungstisch ging er nicht ein. Stattdessen kritisierte Tschurkin den "illegalen und gewaltsamen Sturz" von Präsident Viktor Janukowitsch.

Kremlchef Putin hatte sich bereits zu Beginn der Krise vorsorglich ein militärisches Eingreifen vom russischen Föderationsrat genehmigen lassen. Am Donnerstag, vor einem Treffen mit seinem Sicherheitsrat, wies Putin jede Schuld an der Eskalation auf der Krim zurück: "Es ist in erster Linie eine interne Krise der Ukraine. Aber leider sind wir in diese Ereignisse hineingezogen worden."

Gespannte Stimmung auf der Krim und im Osten

Auf der Krim selbst bleibt die Lage vor dem am Sonntag geplanten Referendum über eine Abspaltung von der Ukraine und eine Angliederung an Russland gespannt. Die Sorge über die unsichere Zukunft trieb viele Bewohner zu den Banken, wo sie Geld von ihren Konten abhoben.

Im Osten der Ukraine, wo viele Russen wohnen, kam es erneut zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen prorussischen und proukrainischen Demonstranten. In der Stadt Donezk wurde dabei mindestens ein Mensch getötet, 17 wurden verletzt.

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