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Für den IS: Fast 200 deutsche Frauen zogen freiwillig in den Dschihad


Freiwillig in den Bürgerkrieg
"Viele Frauen werden beim IS missbraucht"

afp, dpa, dru

Aktualisiert am 19.07.2017Lesedauer: 4 Min.
Vollverschleierte Frauen bei einer Kundgebung des radikalen Salafistenpredigers Pierre Vogel in Offenbach.Vergrößern des BildesVollverschleierte Frauen bei einer Kundgebung des radikalen Salafistenpredigers Pierre Vogel in Offenbach. (Quelle: Boris Roessler/dpa-bilder)
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Sie haben Deutschland hinter sich gelassen, um in Syrien und im Irak in den Krieg zu ziehen: Junge Frauen, oft noch Mädchen, die Familie, Freunde und Sicherheit eingetauscht haben gegen ein Leben im so genannten Islamischen Staat. Fünf deutsche Anhängerinnen der Terrormiliz wurden nun in der Altstadt von Mossul festgenommen – darunter angeblich auch ein 16 Jahre altes Mädchen aus Sachsen.

Irakische Sicherheitskräfte fanden insgesamt 20 Frauen versteckt in einem Tunnelsystem des Islamischen Staats, ausgerüstet mit Waffen und Sprengstoffgürteln. Wie die "Welt" unter Berufung auf Sicherheitskreise berichtete, stammen die übrigen IS-Unterstützerinnen aus Russland, der Türkei, Kanada, dem Kaukasus, Libyen und Syrien.

Die deutschen Behörden gingen den Informationen intensiv nach. "Das Auswärtige Amt steht mit den irakischen Behörden in Kontakt und ist bemüht, rasch substanzielle Auskünfte zu diesen Personen zu erhalten", verlautete aus dem Ministerium. "Wenn es sich tatsächlich um deutsche Staatsangehörige handeln sollte, so wird ihnen konsularischer Beistand angeboten werden." Noch aber lägen keine gesicherten Informationen vor.

16-jähriges Mädchen aus Sachsen gefasst?

Unklar war auch, ob tatsächlich die 16-jährige Linda W. aus dem sächsischen Pulsnitz unter den nun aufgegriffenen IS-Anhängerinnen war. Am Wochenende kursierten entsprechende Berichte im Netz. Bilder zeigten angeblich die junge Deutsche umringt von Sicherheitskräften bei ihrer Festnahme. Die Staatsanwaltschaft Dresden erklärte, dass sie die Hinweise prüfe.

Die irakische Anti-Terror-Einheit dementierte die Angaben am Dienstag. Alle Frauen seien älter als 30 Jahre, sagte ein Offizier der Einheit zur Nachrichtenagentur dpa. Es handle sich um Kämpferinnen, die andere ausgebildet und für die IS-Polizei gearbeitet hätten.

Das Schicksal von Linda W. bleibt somit weiter ungeklärt. Das Mädchen war vor fast genau einem Jahr verschwunden, nachdem es zum Islam konvertiert sein soll und offenbar über Internet-Chats mit IS-Anhängern in Kontakt stand. Von Frankfurt aus soll Linda W. damals nach Istanbul geflogen sein und sich dann zur syrischen Grenze aufgemacht haben. Nach einem Bericht von bild.de wurde das Mädchen Anfang August am Grenzübergang Bab al-Hawa von Rebellen aufgegriffen und später an eine Dschihadistengruppe übergeben. Danach verliert sich ihre Spur.

Sogar Schulmädchen reisten ins Kriegsgebiet

Über die vergangenen Jahre sind insgesamt mehr als 930 Islamisten aus Deutschland Richtung Syrien und Irak ausgereist. Darunter waren nach Angaben des Verfassungsschutzes 20 Prozent Frauen, insgesamt fast 200. 5 Prozent waren Minderjährige. Von den Unter-18-Jährigen war die Hälfte weiblich. Immer wieder wurden einzelne Fälle von Schulmädchen und Teenagern öffentlich, die von zu Hause ausrissen, um sich dem IS anzuschließen.

Wie etwa Elif Ö. aus Neuried bei München. Die damals 16-Jährige setzte sich im Februar 2015 nach Syrien ab. Zwei Monate später meldete sie sich bei ihren Eltern und berichtete, sie würde in Rakka leben, der Hochburg des Islamischen Staates in Syrien. Aktuell toben heftige Kämpfe um die Stadt. Die von den USA unterstützten Demokratischen Kräfte Syriens (SDF) drängen die Extremisten dort immer weiter zurück.

Auch Merve S. aus Hamburg ging 2015 nach Syrien. Mit einer gefälschten Vollmacht kaufte sich die damals 17-Jährige ein Flugticket und reiste gemeinsam mit ihrer Freundin Ece B. aus Geesthacht in die Türkei, von dort weiter nach Syrien. Der Vater von Ece B. nahm sich nach dem Verschwinden seiner Tochter das Leben.

Valentina S. aus Mönchengladbach schloss sich mit 19 Jahren dem Islamischen Staat in Syrien an. 2015, ein Jahr nach ihrer Ausreise, tauchte ihr Name auf einer Fahndungsliste des türkischen Geheimdienstes auf: wegen angeblicher Planung eines Selbstmordattentats.

Mädchen träumen von Dschihad-Romantik

Fachleute aus Beratungsstellen, die mit solchen Fällen zu tun haben berichten, die jungen Frauen hätten zum Teil romantisierte Vorstellungen davon, einen Dschihadisten zu heiraten. Die IS-Kämpfer würden im Internet zum Teil wie Popstars gehypt und von einigen jungen Frauen regelrecht angehimmelt.

"Einige wollen sich einen Prinzen angeln – einen 'Löwen', einen tapferen Helden", sagt auch der Islamwissenschaftler Marwan Abou-Taam, der für das Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz arbeitet. Manche treibe vor allem die Ideologie an. Sie wollen mithelfen, den Islamischen Staat aufzubauen. "Manche sind in einer persönlichen Krisensituation, suchen nach einem Sinn und werden in dieser Lage angesprochen", sagt Abou-Taam. Es gebe aber auch Frauen, die ihre Ehemänner begleiteten.

Die Mädchen und Frauen werden mit auf sie zugeschnittener Propaganda in das Gebiet des Islamischen Staates gelockt. Reiseführer für Frauen geben Tipps, was sie mitnehmen sollen, welche Route sie nehmen sollen und dergleichen. Auf Facebook schwärmen Frauen, die schon ausgereist sind, über ihr Leben im Kalifat. Tagebücher und Videos im Netz zeichnen ein romantisches Bild vom Dasein im Dschihad-Gebiet. Andere Videos zeigen kämpfende Frauen und bedienen so jene, die ihre Rolle nicht nur an der Seite eines Dschihadisten sehen.

"Viele Frauen werden missbraucht"

Für Frauen ist in IS-Gebieten vor allem die Rolle als Ehefrau und Mutter vorgesehen. Sie sollen Nachwuchs für den Islamischen Staat heranziehen, ihren Ehemännern den Rücken frei halten, Verletzte pflegen. Der Traum vom romantischen Dschihad-Leben oder Aufopferung für die gute Sache ende für viele aber bitter, sagt Abou-Taam. "Es gibt dort eine Armee von jungen Männern aus aller Welt." Für sie würden die Frauen angelockt. "Viele Frauen werden missbraucht." Sie würden zunächst in Frauenhäusern untergebracht. "Dort sitzen sie fest, bis sie einem Mann zugeteilt werden." Manche würden weitergereicht und als "Sexsklavinnen" gehalten.

Einige übernehmen aber auch bewaffnete Rollen, etwa in der weiblichen Scharia-Polizei, die die Einhaltung islamischen Rechts unter Frauen kontrolliert. In jüngster Zeit gab es auch vermehrt weibliche Selbstmordattentäter. Nach Angaben irakischer Sicherheitskreise sprengten sich allein in den vergangenen Tagen sieben IS-Anhängerinnen in die Luft, während die Armee Mossuls Altstadt nach Dschihadisten absuchte. Unter ihnen waren auch Ausländerinnen.

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