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Bauboom in der Diktatur: Weshalb im armen Nordkorea Wolkenkratzer entstehen


Bauboom in der Diktatur
Weshalb im armen Nordkorea Wolkenkratzer entstehen

ap, Eric Talmadge

15.04.2018Lesedauer: 4 Min.
Neue Hochhäuser in Pjöngjang: Trotz Geldknappheit wird in Nordkorea gerade rege gebaut.Vergrößern des BildesNeue Hochhäuser in Pjöngjang: Trotz Geldknappheit wird in Nordkorea gerade rege gebaut. (Quelle: Uri Tours, Wikimedia, CC BY-SA 2.0)
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Nordkorea leidet unter den internationalen Sanktionen. Der Staat leidet unter notorischer Geldknappheit. Mit Immobilienverkäufen will das Regime von Diktator Kim Jong Un die finanzielle Lage verbessern.

Fünf-Sterne-Hotels am Strand, neue Wolkenkratzer im Zentrum von Pjöngjang: In Nordkorea startet derzeit ein neues Megaprojekt nach dem anderen. Experten vermuten dahinter einen Plan der Regierung von Staatschef Kim Jong Un, sich Einnahmen aus einem wachsenden Immobilienmarkt zu sichern. Das Geld könnte das Regime gut gebrauchen, denn das kommunistische Land leidet zunehmend unter internationalen Sanktionen in Zusammenhang mit seinem Atomprogramm.

Dabei klingt die Ausweitung des Marktes für Privatimmobilien alles andere als sozialistisch, und das ist sie auch nicht. Doch die chronisch klamme Regierung wittert offenbar eine neue Einkommensquelle: durch den Verkauf von Eigentum an neureiche Nordkoreaner. Zu ihrem Wohlstand gekommen sind diese durch die wachsende, aber noch weitgehend inoffizielle Marktwirtschaft des Landes, die sich seit Kims Machtübernahme entwickelt.

Der Druck auf Pjöngjang steigt. Denn angesichts der bislang schärfsten von Peking verhängten Sanktionen ziehen sich die chinesischen Investoren zurück, die traditionell die nordkoreanische Wirtschaft stützten.

Sechsjährige Bauinitiative

Hinter den Bauprojekten im Gesamtumfang von wohl mehr als einer Milliarde Dollar (810 Millionen Euro) steht eine große Dynamik. Sie sind Teil einer sechsjährigen Bauinitiative unter Kim, die die Skyline der Hauptstadt bereits drastisch verändert hat. Zumindest einige der neuen Prestigeobjekte sollen rechtzeitig für die Feierlichkeiten zum 70. Geburtstag des Landes im September fertig werden, wie Regierungsvertreter der Nachrichtenagentur AP sagten.

"Seit 2012 haben wir jedes Jahr ein neues Projekt gebaut, deshalb gehe ich davon aus, dass sich in einem Jahr vieles in der Stadt verändert haben wird", erklärte der Architekt Kim Kum Chol von der Architekturakademie Paektusan. "Wir haben viele Bauvorhaben."

Im Laufe dieses Jahres sind laut Architekt Kim drei Großprojekte geplant:

  • Im Zentrum von Pjöngjang sollen Flachbauten aus der Zeit nach dem Koreakrieg von 1950 bis 1953 ersetzt werden durch platzsparende neue Wolkenkratzer, Büros, öffentliche Gebäude und Wohnhochhäuser.
  • Im Gebiet Wonsan-Kalma an der Ostküste sind mehr als zehn Hotels, Tausende Wohneinheiten und mehrere Freizeitanlagen vorgesehen oder bereits im Bau. Die Hotels reichen Kim zufolge von relativ bescheidenen Drei-Sterne-Häusern bis zu Luxusressorts mit fünf Sternen. Kim Jong Un hat bereits einen neuen Flughafen für die Region bauen lassen, die als seine zweite Heimat bekannt ist.
  • Der dritte Schwerpunkt liegt in der Nähe der chinesischen Grenze in Samjiyon, einer malerischen Stadt am Fuß des Bergs Paektu, dem spirituellen Zuhause der herrschenden Kim-Dynastie. Die Gegend soll laut Berichten der Staatsmedien zu einem "Freilichtmuseum für Bildung in revolutionären Traditionen" werden und zu einem Zentrum des mechanisierten Kartoffelanbaus, "um das die Welt uns beneiden wird".

Einnahmen fließen in die Staatskasse

Prunkvolle Projekte haben in Nordkorea Tradition, um den Nationalstolz zu pflegen, Loyalität zu belohnen und das Ansehen des Regimes zu vergrößern. Doch Kim Jong Un scheint eine besondere Vorliebe für Hochhäuser und moderne, offenbar relativ funktionale Freizeiteinrichtungen zu haben.

In der Theorie stellt das sozialistische Regime Wohnraum, Bildung und Gesundheitsversorgung für alle Bürger kostenlos zur Verfügung. Dem Staat gehört das gesamte Kapital einschließlich aller Gebäude, Fabriken und Ländereien. Einnahmen aus dem Verkauf oder der Vermietung von Immobilien an Nordkoreaner, die es sich leisten können, würden direkt die Staatskasse auffüllen. Vorauszahlungen könnten zur Finanzierung laufender oder geplanter Projekte dienen.

Auch in Nordkorea gibt es eine Oberschicht

So läuft es im Prinzip schon seit einigen Jahren. Chinesische Investitionen galten allgemein als wichtigste Finanzierungsquelle. Das gleiche gilt für das langsame, aber beständige Wachstum der heimischen Wirtschaft, das mitgetragen wurde von einer immer größeren Unternehmerschicht mit Ersparnissen in ausländischen Währungen wie dem US-Dollar und dem chinesischen Yuan.

Diese sogenannten Donju oder Geldbesitzer sind seit Kim Jong Uns Amtsantritt sichtbarer geworden: Es entstand ein natürlicher Markt für bessere Wohnverhältnisse, wie es ihn in der Vergangenheit nicht gegeben hatte. Die meisten leben in Pjöngjang und im Großraum Wonsan, wo der größte Teil der Bauprojekte läuft. Der Boom konzentriert sich auf hochwertige Immobilien in bester Lage wie dem Zentrum von Pjöngjang, an Flussufern und mit Meerblick, die Reichen gefallen und den höchsten Marktwert erzielen könnten.

Ob sich solche Projekte jemals amortisieren werden, ist unklar. Das könnte Kims diplomatische Annäherungen an Seoul und Peking in den vergangenen Monaten erklären - zwei potenziell große Quellen von Investment und Hilfe, falls sich die politische Lage auf der Halbinsel entspannt. Bevor die verschärften Sanktionen im vergangenen Jahr wirksam wurden, wickelte Nordkorea noch einen riesigen Mineralien-Verkauf an China ab, der praktischerweise zeitlich mit dem Bauboom zusammenfiel.

Staatskasse leert sich immer weiter

Der Ökonom William Brown von der Georgetown University hält die "Liquidierung" von nordkoreanischem Staatseigentum für fiskalpolitisch sinnvoll - auch wenn dies auf Kosten sozialistischer Prinzipien gehe. Als Grund nennt er vor allem das chronische Handelsdefizit Pjöngjangs mit Peking.

Der Nordkorea-Experte Benjamin Silberstein von der US-Denkfabrik Foreign Policy Research Institute sieht angesichts des seit September rückläufigen Handels mit China die Zukunft des nordkoreanischen Wirtschaftsbooms bedroht. Dem Regime würden Währungsreserven entzogen, und die Geschäfte der "Donju" litten, erklärt Silberstein: "Der Staat hat schon jetzt keine tragfähige Einnahmequelle mehr."

Verwendete Quellen
  • AP
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