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Ukraine-Wahl: Dieser Comedian könnte Präsident der Ukraine werden


Wahl in der Ukraine
Ein Komiker will zum Präsidenten gewählt werden

Von dpa, afp
Aktualisiert am 31.03.2019Lesedauer: 5 Min.
Ukraine-Wahl: Komiker Wolodymyr Selenskyj möchte Präsident werdenVergrößern des BildesWolodymyr Selenskyj: In einer TV-Serie spielt er bereits den Präsidenten. (Quelle: imago-images-bilder)
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Schokoladen-Zar, Gas-Prinzessin oder TV-Präsident? Die Präsidentschaftswahl in der Ukraine verspricht Spannung. Am Ende könnte sich der unerfahrenste Kandidat durchsetzen.

Wenige Tage vor der Präsidentschaftswahl in der Ukraine stehen die Zeichen auf Machtwechsel. In den letzten Umfragen vor der Wahl lag der Komiker Wolodymyr Selenskyj klar auf dem ersten Platz. Amtsinhaber Petro Poroschenko und Ex-Ministerpräsidentin Julia Timoschenko machen demnach untereinander aus, wer es neben Selenskyj in die Stichwahl im April schafft.

Selenskyj, der in einer populären Fernsehserie bereits den ukrainischen Präsidenten spielt, kann sich gute Chancen ausrechnen, das Amt bald tatsächlich inne zu haben. Vor der Wahl am Sonntag sehen ihn mehrere Umfragen übereinstimmend bei mehr als 25 Prozent. Bei Amtsinhaber Poroschenko und seiner früheren Verbündeten Timoschenko ist die Lage weniger eindeutig: Eine Umfrage sieht beide bei etwa 17 Prozent, in einer anderen liegt Poroschenko deutlich vor der Ex-Regierungschefin.

Poroschenko: "Mein Gegner ist Putin"

Der 53-jährige Poroschenko regiert die Ukraine seit der Maidan-Revolution im Jahr 2014. Nach dem Sturz seines kremltreuen Vorgängers Viktor Janukowitsch hatte Poroschenko versprochen, die Ukraine stärker am Westen auszurichten, gegen die weit verbreitete Korruption vorzugehen und den bewaffneten Konflikt mit den prorussischen Rebellen im Osten des Landes zu beenden. Dort sind in den vergangenen Jahren rund 13.000 Menschen getötet worden, auch heute noch sterben regelmäßig Menschen bei den Kämpfen.

Im Kampf um seine Wiederwahl versucht Poroschenko, sich als der einzige Kandidat zu präsentieren, der dem mächtigen Nachbarn Russland die Stirn bieten kann: "Mein Verbündeter ist das ukrainische Volk, mein Gegner ist Putin", sagte der Präsident bei einem Fernsehauftritt.

Timoschenko stellt Lebensqualität in Mittelpunkt

Selenski spielt in der beliebten Fernsehserie "Diener des Volkes" einen Lehrer, der unverhofft zum Präsidenten wird. Kritiker werfen dem 41-Jährigen vor, auch im echten Leben fehle ihm die politische Erfahrung. Der Komiker und Schauspieler, der vor allem bei jungen Wählern beliebt ist, räumt Defizite durchaus ein. Er habe "keine Erfahrung", sagte Selenskyj in einem Interview mit der Nachrichtenagentur AFP. Er lerne aber bereits für seine mögliche neue Aufgabe: "Schließlich will ich nicht wie ein Idiot aussehen."

Während seine Unterstützer auf frischen Wind an der Staatsspitze hoffen, halten seine Gegner Selenskyjs politische Ideen für wenig konkret. Timoschenko konzentrierte sich in ihrem Wahlkampf auf das Thema Lebensqualität. Sie wirbt mit einer Senkung der Gaspreise und hofft, mit Plänen für eine Rentenerhöhung vor allem ältere Wähler zu überzeugen.

Stichwahl wird wohl entscheiden

Trotz Selenskyjs Spitzenposition in den Umfragen halten Experten die Wahl noch nicht für entschieden. "Wenn man sich seine Zahlen ansieht, hat man das Gefühl, dass Selenskyj seinen Spitzenwert bereits erreicht hat", sagt der Politikexperte Mikola Dawidjuk. Außerdem gingen junge Menschen seltener zur Wahl als ältere. Ein Sieg eines der 39 Kandidaten bereits im ersten Wahlgang gilt als äußerst unwahrscheinlich. Voraussichtlich werden die beiden Bewerber, die am Sonntag die meisten Stimmen erhalten, am 21. April in einer Stichwahl gegeneinander antreten.

Reporter ohne Grenzen rief unterdessen die ukrainischen Behörden auf, die freie Berichterstattung über die Präsidentschaftswahl sicherzustellen. Einem Journalisten des italienischen Senders RAI war zuvor die Einreise verwehrt worden - nach Angaben der Organisation mit Verweis auf seine "anti-ukrainische Rhetorik". Der Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen, Christian Mihr, sagte, die ukrainischen Behörden sollten zur Wahlberichterstattung auch Reporter einreisen lassen, "die in ihren Berichten nicht der Regierungslinie folgen".

Die Kandidaten im Kurzporträt:

Petro Poroschenko

Der 53 Jahre als Amtsinhaber wird nicht wegen seiner Körperfülle scherzhaft auch "Schokozar" genannt. Er hat es vielmehr mit einem Süßwarenimperium zu einem Vermögen gebracht. Zwar hatte der Oligarch nach seiner ersten Wahl 2014, als er im ersten Wahlgang mit knapp 55 Prozent gewann, versprochen, seine Geschäfte aufzugeben. Doch sieht er sich nun dem Vorwurf ausgesetzt, die Zahl der "Roshen"-Läden noch deutlich erhöht zu haben. Die Basis der Holding im westukrainischen Winnyzja legte schon Poroschenkos Vater, ein Funktionär der Kommunistischen Partei in der Sowjetunion.

Poroschenko, Vater von vier Kindern und verheiratet, droht eine Niederlage bei der Wahl. Aus Sicht vieler Ukrainer hat er die Erwartungen nach den prowestlichen Protesten in Kiew und dem Sturz von Präsident Viktor Janukowitsch nicht erfüllt. Zwar gibt es nun visafreies Reisen in die EU. Aber vielen fehlt dafür das Geld. Poroschenkos Wahlkampflosung "Armee, Sprache, Glaube" zeigt auch, wo die Probleme liegen: Der Krieg im Osten des Landes ist - anders als zum Amtsantritt versprochen- nicht beendet. Auch dass er die extrem verbreitete russische Sprache samt der an Moskau orientierten Kirche massiv zurückdrängen will, bringt ihm nicht nur Zustimmung ein.

Im politischen Geschäft zeigt sich der im südukrainischen Bolgrad bei Odessa geborene Poroschenko wandlungsfähig. Einst Mitgründer der inzwischen zerfallenen moskaufreundlichen Partei der Regionen, vertritt er heute einen strikt antirussischen Kurs. Sein Ziel ist ein EU- und Nato-Beitritt. "Weg von Moskau" ist die Devise des ausgebildeten Juristen, der für verschiedene Parteien im Parlament saß und auch schon als Außen- und Wirtschaftsminister arbeitete.

Wolodymyr Selenskyj

Der 41 Jahre alte Schauspieler, der in der Comedy-Serie "Sluha narodu" - auf Deutsch: "Diener des Volkes" - schon den Präsidenten gespielt hat, ist als Neuling auch Hoffnungsträger vieler junger Ukrainer. Der politische Quereinsteiger mit der rauchig-warmen und durchdringenden Stimme beherrscht die Spielarten von staatstragend bis bodenständig meisterhaft. Seit der jungenhafte sportliche Mann, Vater von zwei Kindern, in der Silvesternacht seine Kandidatur ankündigte, bekommt er für seine Rolle noch mehr Applaus. In Umfragen lässt der "Clown aus Krywyj Rih", (Stadt in der Südukraine) wie er sich selbstironisch in seinen Wahlkampfspots bezeichnet, alle anderen hinter sich.

Begonnen hat der ausgebildete Jurist mit einer studentischen Humoristentruppe. Mehrere Jahre lebten sie in der russischen Hauptstadt Moskau, traten in anderen Ex-Sowjetrepubliken auf. Anders als Poroschenko will Selenskyj auf Russland zugehen. Der Medienstar, der seit 2003 durch eine Samstagabendshow führt, kann sich einen russischsprachigen Fernsehkanal vorstellen und setzt sich überhaupt für Freiheit der Sprachwahl ein. Auch er steht für einen EU-Kurs. Einen Nato-Beitritt will er aber über ein Referendum ausloten lassen.

Kritiker halten Selenskyj für eine Marionette des Oligarchen Igor Kolomoiski, auf dessen Fernsehsender "1+1" seine Show läuft. Aber wofür er politisch steht und ob er außer dem Schauspiel auch auf der Bühne des Lebens als echter Präsident im - nach dem eurasischen Russland - flächenmäßig größten Land Europas Regie führen kann, müsste er erst noch zeigen.

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Julia Timoschenko

Im dritten Anlauf will die 58-jährige Veteranin der ukrainischen Politik endlich zur ersten Präsidentin des Landes gewählt werden. In ihrer Heimatstadt Dnepropetrowsk (heute Dnipro) stieg sie über Beziehungen in den russisch-ukrainischen Gashandel ein. Ein Millionenvermögen und ihr Lebensstil brachten ihr den Spitznamen "Gasprinzessin" ein. Zweimal war sie Regierungschefin, mischte immer vorne mit, vor allem aber wurde sie - damals noch mit dem geflochtenen Haarkranz - 2014 zu dem Gesicht der prowestlichen Orangenen Revolution.

Überworfen hat sich Timoschenko mit vielen in der Politik - auch mit Poroschenko, den sie im Fall eines Wahlsieges ins Gefängnis bringen will. Dort saß sie selbst schon. 2011 wurde sie in einem politisch motivierten Prozess zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt. Sie musste sich gegen den Vorwurf wehren, sie habe sich von Russland über den Tisch ziehen lassen und zu teure Gasverträge abgeschlossen. Es war schon ihr zweiter Gefängnisaufenthalt nach Vorwürfen der Steuerhinterziehung im Jahre 2001.


Im Februar 2014 kam die Politikerin nach dem Sturz ihres Widersachers Viktor Janukowitsch wieder frei. Die Mutter einer Tochter verlor jedoch bei den vorgezogenen Wahlen gegen Petro Poroschenko. Seit Herbst 2014 steht sie der mit 20 Abgeordneten kleinsten Parlamentsfraktion ihrer Vaterlandspartei vor. Sie kämpft für ein Comeback. In Umfragen liefert sie sich mit dem Amtsinhaber ein Kopf-an-Kopf-Rennen um den Einzug in die Stichwahl. Dem übrigen Feld der weiteren gut 30 Bewerber werden kaum Chancen ausgerechnet.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen dpa, AFP
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