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Brexit: Boris Johnson wird in die Geschichte eingehen


Als Zerstörer oder Erneuerer
Boris Johnson wird in die Geschichte eingehen


Aktualisiert am 28.12.2019Lesedauer: 3 Min.
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Boris Johnson in der Wahlnacht im Moment seines Triumphes: Ab sofort muss er um die Zukunft des Vereinigten Königreichs kämpfen.Vergrößern des Bildes
Boris Johnson in der Wahlnacht im Moment seines Triumphes: Ab sofort muss er um die Zukunft des Vereinigten Königreichs kämpfen. (Quelle: imago-images-bilder)

Ab Februar wird Großbritannien nicht mehr EU-Mitglied sein. Ändern wird sich für die Briten zunächst nichts. Boris Johnson steht vor gewaltigen Herausforderungen – Ausgang offen.

Was für ein Brexit-Jahr: Theresa May hat bis in den Mai hinein – zunehmend verzweifelt – versucht, ihren Ausstiegs-Deal durchs Parlament zu bekommen. Erfolglos. May trat zurück, Boris Johnson gewann den Kampf um ihre Nachfolge. Er schaffte es tatsächlich ein – leicht – verändertes Abkommen mit der EU auszuhandeln, bekam das aber auch nicht durchs Parlament, weil Teile seiner Tories versteckt oder offen gegen seinen Brexit-Kurs rebellierten. Am Ende stand Johnson ohne Regierungsmehrheit da, rief Neuwahlen aus und gewann diese im Dezember triumphal.

Nun ist es am 31. Januar um Mitternacht so weit: Großbritannien wird die EU verlassen. Endlich, werden viele Briten, aber auch Europäer denken. Die über dreijährige Hängepartie ist damit vorbei, doch geregelt ist der EU-Austritt der Briten damit keineswegs. Und das bedeutet: Auch 2020 werden uns der Brexit und Großbritannien noch außergewöhnlich intensiv beschäftigen.

Auch ein harter Brexit ist noch nicht vom Tisch

Ab dem 1. Februar beginnt die Übergangsphase, in der sich für die Briten erst einmal gar nichts ändert. Die Übergangsphase endet Ende 2020, eine Verlängerung hat Johnson per Gesetz ausschließen lassen. Das bedeutet, dass Großbritannien und die EU in nur elf Monaten ein hoch komplexes Abkommen über die zukünftigen Beziehungen aushandeln müssen. Es gibt kaum einen Experten, der das für möglich hält.

Zwei Ausgänge sind möglich:

  1. Großbritannien und die EU beschränken sich bei ihren Gesprächen ausschließlich auf die wirtschaftlichen Beziehungen und lassen alle politischen Fragen außen vor. Dann könnte ein Abkommen zu erreichen sein, das zumindest Handel weiter ermöglicht.
  2. Großbritannien und die EU gelingt keine Übereinkunft. Dann kommt es doch noch zu einem harten Brexit – einem EU-Ausstieg ohne Abkommen. Es blieben alle zukünftigen wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zwischen den Briten und der EU offen.

Auf Johnson warten gewaltige innenpolitische Herausforderungen

Doch den Brexit final und in Rekordzeit abzuliefern, ist nur eine der gewaltigen Herausforderungen, denen Johnson sich stellen muss. Der Zustand des Vereinigten Königreichs ist miserabel. Die hitzigen, kontroversen und mit allen Mitteln geführten Ausstiegsdebatten haben das Land gespalten und Brexit-Befürworter und Brexit-Gegner unversöhnlich zurückgelassen. Der Riss geht durch das gesamte Königreich und Johnson muss versuchen, ihn zu schließen. Keine leichte Aufgabe für einen Politiker, der bisher vor allem polarisiert und polemisiert hat.

Johnsons erste innenpolitische Herausforderung wird sein, die Schotten im Königreich zu halten. Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon hat bei Johnson bereits formell die Erlaubnis für ein weiteres Unabhängigkeitsreferendum eingefordert. Das kann Johnson zwar ablehnen, doch damit wird er die EU-freundliche Stimmung in Schottland nicht ändern. Johnson muss zusätzlich intensivste Überzeugungsarbeit leisten, um die Schotten im Königreich zu halten.

Die zweite große innenpolitische Herausforderung: Großbritannien braucht dringend Reformen im Gesundheits- und Sozialsystem. Diese Reformen werden Milliardenbeträge verschlingen und müssen sofort angegangen werden. Gelingen diese Reformen nicht, drohen soziale Unruhen und Johnson könnte viele seiner gerade erst von der Labour-Partei gewonnenen Wähler schnell wieder verprellen.

Die Briten brauchen eine neue Identität

Die dritte innenpolitische Herausforderung: Johnson hat mit seiner scharfen und spalterischen Rhetorik selber dafür gesorgt, dass viele Bürger das eigene Parlament als Gegner empfinden. Hinzu kommt nach dem über dreijährigen Brexit-Wirrwarr der Eindruck vieler Briten, dass Politiker ganz allgemein unfähig sind und ihren Job nicht machen. Johnson muss versuchen, verlorenes Vertrauen in die politische Führung seines Landes wiederherzustellen – Vertrauen, das er selbst beschädigt hat.

Johnson muss insgesamt nichts Geringeres leisten, als Großbritannien eine neue Identität zu verschaffen. Als Nicht-mehr-EU-Mitglied, dazu als Inselstaat, stehen die Briten nach dem Brexit politisch und wirtschaftlich zunächst blank da. Die große Frage ist: Was wollen die Briten? Wo wollen sie in der Weltgemeinschaft stehen? Wen sehen sie als ihren nächsten und wichtigsten Verbündeten an? Weiter die EU oder doch die USA, die sich allerdings unter Donald Trump nicht gerade als zuverlässiger Partner präsentieren.

All das kommt auf Johnson in seinem ersten Jahr als gewählter Premierminister zu. Jede einzelne dieser Herausforderungen ist prägend für die Zukunft Großbritanniens. Johnson wird also 2020 in jedem Fall Geschichte schreiben: als Zerstörer oder als Erneuerer des Vereinigten Königreichs.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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