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Ukraine-Krieg | Annalena Baerbock: Der Wiederaufstieg der Außenministerin


Annalena Baerbock
Frau Tacheles

  • Johannes Bebermeier
Von Johannes Bebermeier

Aktualisiert am 26.02.2022Lesedauer: 4 Min.
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"Wir treffen System Putin dort, wo es getroffen werden muss": Außenministerin Baerbock verteidigte die neuen Sanktionen gegen Russland. (Quelle: Reuters)

Annalena Baerbock wurde im Wahlkampf zur tragischen Figur. In der Russland-Krise wirkt sie plötzlich wie gemacht für ihren Job als Außenministerin. Wirklich überraschend ist das nicht.

Es sind brutale Sätze in brutalen Zeiten.

"Wir wurden eiskalt belogen. Der Kanzler wurde belogen. Ich vom russischen Außenminister. Die gesamte internationale Gemeinschaft."

"Wenn man bereit ist, Menschenleben von Kindern, Frauen, Männern aufs Spiel zu setzen, um seine Wahnvorstellungen durchzusetzen, dann ist das menschenverachtend."

Annalena Baerbock spricht diese Sätze am Donnerstagabend im ZDF. Die deutsche Außenministerin. Deutschlands Chefdiplomatin, die gerade neu definiert, was "diplomatisch" eben auch bedeuten kann: Tacheles reden, wenn es darauf ankommt. Und wann könnte es mehr darauf ankommen als jetzt?

Ein "vollkommen entgrenzt" (auch Baerbock) handelnder Wladimir Putin greift den Westen an. Und Annalena Baerbock widerspricht ihm, schon seit Wochen. Und zwar ganz wörtlich: Sie versucht in diesem Krieg, der wie jeder Krieg auch einer um die Wahrheit ist, Putins Lügen und Putins Gräuel beim Namen zu nennen.

Ihre Kritiker sind ziemlich still

Das reicht natürlich längst nicht aus, sie weiß das selbst. Aber es ist zumindest deutlich mehr, als man bisher gewöhnt war, wenn es um Russland ging. Und es ist eben auch mehr, als ihr einige Beobachter zugetraut hatten.

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Noch vor wenigen Monaten war Annalena Baerbock im Bundestagswahlkampf zur tragischen Figur geworden. Beleidigt, verspottet und dann irgendwann auch noch bemitleidet. Vermeidbare Fehler hatten ihren Kritikern immer weiteres Futter geliefert: der Lebenslauf, die Bonuszahlungen, die Plagiatsaffäre. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass viele Kritiker dafür gar kein Futter brauchten.

In diesen Tagen jedoch sind sie ziemlich still, die Kritiker. Baerbock erfährt, was sie lange nicht erfahren hat: Respekt und Anerkennung, nicht nur in der eigenen Partei. Mancher scheint ziemlich überrascht darüber, dass sie sich in dieser komplizierten Lage so gut schlägt. Dabei gibt es mindestens drei gute Gründe für den Wiederaufstieg der Annalena Baerbock.

1. Außenpolitik, weil sie daran glaubt

Das Gemurmel der Beobachter ging schon los, als vor der Wahl die ersten Gerüchte in Berlin herumgingen. Außenministerin? Warum würde sich die Baerbock das denn antun? Außenpolitik werde doch heutzutage eh im Kanzleramt gemacht. Für die Beliebtheitswerte ja vielleicht ganz nett dieses Amt. Aber der echte Einfluss? Bestenfalls gering.

Dann das enttäuschende Wahlergebnis, und auch danach wurde es nicht besser. Die Kanzlerkandidatin musste Robert Habeck den Vortritt lassen. Er wurde Vizekanzler und Superminister für Wirtschaft und vor allem Klima. Baerbock? Nun ja. Würde bald zumindest in der Welt herumfliegen.

Dass ihr Amt schon bald sehr viel wichtiger werden würde, wenn auch aus so grauenvollem Grund, konnte damals noch niemand absehen. Warum also tat sie sich das an? Die Antwort ist nach allem, was man weiß, relativ einfach: aus Überzeugung.

Sie glaubt schlicht daran, dass Diplomatie wichtig ist und etwas bewirken kann. Das hat sie immer wieder gesagt. Und es zieht sich auch durch ihre Karriere. Inzwischen ist wohlbekannt, dass sie vom Völkerrecht kommt. Sie hat aber auch schon früh für eine Europaabgeordnete gearbeitet und in der Bundestagsfraktion als Referentin für Außen- und Sicherheitspolitik. Sie hat das Fach also gelernt.

2. Gut im Stoff

Wer zu Sergej Lawrow reist, der seit 18 Jahren Russlands Außenminister ist, der sollte gut vorbereitet sein. Das ist ein offenes Geheimnis. Wer es nicht ist, wer Lügen und Halbwahrheiten nicht als Lügen und Halbwahrheiten erkennt, der wird schnell über den Tisch gezogen.

Und Annalena Baerbock bereitet sich gut vor. Es war schon eines der Argumente für Baerbock, als es noch darum ging, ob sie oder Habeck Kanzlerkandidat würden. Er? Immer für einen Fehler gut. Sie? Ist gut im Stoff. Und wenn mal nicht, dann telefoniert sie mit Parteifreunden, um sich jedes Detail anzueignen.

Diese Erzählung ist im Bundestagswahlkampf ziemlich schlecht gealtert. Die Fehlerkette, besonders das zusammengeschusterte Buch: Akribisch und detailversessen? Nun ja.

Aber nur, weil Annalena Baerbock und den Grünen der Wahlkampf über den Kopf gewachsen ist, wird nicht plötzlich alles falsch, was man über Baerbock zu wissen glaubte. Sie ist akribisch. Und kann für Details jetzt einfach ihre eigenen Experten im riesigen Apparat des Auswärtigen Amtes anrufen.

3. Kein Kokolores

Es ist nicht so, dass Annalena Baerbock ganz plötzlich zu Frau Tacheles mutiert wäre. Sie und Robert Habeck haben das zu einem wichtigen Prinzip der Grünen gemacht: Fehler wirklich Fehler nennen, sich nicht allwissend geben. "Viel unserer Arbeit bestand darin, den Menschen keinen Scheiß zu erzählen." So hat Habeck das mal erklärt.

Kein Bullshit, kein Kokolores. Auch das hat im Bundestagswahlkampf nicht gut funktioniert und manchmal sogar katastrophal schlecht. Etwa, als die Grünen die Kritik an offensichtlichen Plagiaten in Baerbocks Buch als "Rufmord" bezeichneten. Kokolores, natürlich, der damals auch intern kritisiert wurde.

Inzwischen ist Annalena Baerbock wieder beim Tacheles angekommen. Wie Robert Habeck dieser Tage übrigens auch. Jetzt, wo es nicht mehr nur um irgendein Buch geht. Sondern um Putins Krieg.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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