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Putins brutale Verbündete: "Das sind die Schock-Truppen der russischen Armee"


Putins brutale Verbündete
"Das sind die Schock-Truppen der russischen Armee"

InterviewVon Christoph Cöln

Aktualisiert am 18.03.2022Lesedauer: 6 Min.
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Tschetschenische Spezialkräfte (Archivbild): Machthaber Ramzan Kadyrow sieht sich und seine Männer als "Fußsoldaten" des Kremls.Vergrößern des Bildes
Tschetschenische Spezialkräfte (Archivbild): Machthaber Ramzan Kadyrow sieht sich und seine Männer als "Fußsoldaten" des Kremls. (Quelle: AP Photo/Musa Sadulayev/ap-bilder)

Um die Moral der russischen Soldaten soll es nicht gut bestellt sein.

Während die Angriffe auf ukrainische Städte ununterbrochen weitergehen und einige von ihnen seit Tagen und Wochen im Belagerungszustand sind, scheint der russische Vormarsch insgesamt ins Stocken geraten zu sein. Den Militärexperten Gustav Gressel wundert das im Interview mit t-online nicht. Er hält die Personalsituation der russischen Armee aufgrund der hohen Verluste bereits für angespannt.

Eine besondere Rolle spielten nun die Truppen des tschetschenischen Machthabers Ramzan Kadyrow. Sie sind für ihre Brutalität nicht nur bei den Gegnern gefürchtet, sondern auch innerhalb der russischen Armee.

Gressel glaubt, dass die nächsten beiden Wochen über den weiteren Kriegsverlauf und das Schicksal der Ukraine bestimmen könnten. Vor allem den 1. April sieht er dabei als entscheidendes Datum – in Russland traditionell ein wichtiger Tag im militärischen Kalender.

t-online: Wir schreiben die dritte Kriegswoche, das russische Militär sieht sich offenbar zu Umgruppierungen genötigt. Was bedeutet das?

Gustav Gressel: Die russischen Bataillone haben zum Teil schon sehr viele Ausfälle gehabt. Das muss man sich wie ein Fußballteam vorstellen, da hat jeder Soldat eine bestimmte Funktion. Wenn nun die Hälfte der Soldaten fehlt, weil sie im Kampf gefallen sind, passt das Team nicht mehr richtig zusammen, dann ist so ein Bataillon nicht mehr einsatzfähig. Dann wird eine Umgruppierung notwendig.

Gustav Gressel ist als Senior Policy Fellow bei der politischen Denkfabrik European Council On Foreign Relations (ECFR) tätig. Er beschäftigt sich in seiner Forschung schwerpunktmäßig mit den militärischen Strukturen in Osteuropa und insbesondere mit den russischen Streitkräften.

Wie kann das einer so großen Armee passieren?

Die ganze Bereitstellung von Truppen über das System der Bataillonskampfgruppen ist nicht geeignet für einen solchen Krieg, wie Putin ihn jetzt in der Ukraine führt. Dieses BTG-System (Battalion Tactical Group, Anm d. Red.) wurde ursprünglich für den Tschetschenienkrieg konzipiert. Für einen großen Flächenkrieg wie in der Ukraine ist es nicht ausgelegt, weil dort sehr viele Bataillone auf zu wenige Kommandostellen kommen. Das erschwert die gesamte Synchronisation der verschiedenen Truppenteile und Waffengattungen.

Klingt nach einem eklatanten Planungsfehler.

Putin hat das Ganze als Spezialmilitäroperation angesehen. Er dachte wohl, das sei in ein paar Tagen erledigt. Nun sind die russischen Truppen gezwungen, sich neu aufzustellen.

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Putins Blitzkrieg ist gescheitert?

Der Blitzkrieg ist gescheitert, ja. Die Russen haben bislang kein einziges ihrer gesteckten Ziele erreicht.

Und jetzt?

Ein entscheidendes Datum wird der 1. April sein. Das ist in Russland ein wichtiger Einberufungstermin, denn da rücken in sehr vielen Armeeverbänden neue Wehrpflichtige ein. Gleichzeitig werden Wehrpflichtige, die im vergangenen April ihren Dienst begonnen haben, am 31. März aus dem Militärdienst entlassen. Ich nehme an, dass vonseiten des Regimes erheblicher Druck auf diese Wehrpflichtigen ausgeübt wird, damit sie einen Vertrag bei der Armee unterschreiben. Als Vertragssoldaten können sie dann sofort in den Krieg geschickt werden.

Gehen Putin schon die Soldaten aus?

Mich würde es jedenfalls nicht wundern, wenn die militärischen Aktivitäten in den kommenden zwei Wochen nicht allzu intensiv sein werden und erst im April noch mal eine größere Offensive gestartet wird, wenn die Bataillone wieder mit neuen Rekruten aufgefüllt sind.

Wissen die jungen Männer, worauf sie sich einlassen?

Das hängt von ihrer Herkunft und dem sozialen Umfeld ab. Wenn die aus einer großen Metropole kommen, wissen sie es vermutlich. In den kleineren Garnisonsstädten hingegen, wo die Leute nur Staatsfernsehen empfangen und die meisten Familien voll hinter dem Regime stehen, ist es für einen 18-, 19-jährigen Wehrpflichtigen schwer einzuschätzen, was in der Ukraine wirklich los ist.

Wie genau wird Druck auf die Rekruten ausgeübt?

Es hat in der Vergangenheit schon Fälle gegeben, wo Unterschriften von Rekruten von den Kommandanten gefälscht wurden. Da haben die Vorgesetzten einfach für ihre Soldaten unterschrieben und sie in den Krieg geschickt. Das sind dann aber genau die Soldaten, die später ihren Panzer im Wald abstellen und davonlaufen.

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Welche Rolle spielen die Kämpfer des tschetschenischen Diktators Ramzan Kadyrow?

Die Tschetschenen sind die Schock-Truppen der russischen Armee. Sie sollen den Gegner in Angst und Schrecken versetzen und ihn zum Rückzug zwingen. In dieser Funktion wurden sie am Anfang auch in Kiew eingesetzt, aber das hat nicht gefruchtet. Im Gegenteil, die Ukrainer haben mit ihren eigenen Elitetruppen gezielt Jagd auf sie gemacht und sogar den Leibgarde-Chef von Kadyrow getötet.

Im Moment macht Kadyrow vor allem durch seine martialischen Drohungen in sozialen Medien auf sich aufmerksam. Er prophezeit den ukrainischen Kämpfern einen grausamen Tod.

Was ich von ukrainischer Seite höre – aber das ist natürlich unbestätigt –, geht eher dahin, dass die Tschetschenen die Rolle der Disziplinierungstruppe für die russische Armee spielen. Sie erschießen zum Beispiel Überläufer und gehen gegen jene Truppenteile vor, die sich nicht trauen, gegen die Ukrainer zu kämpfen. Diese Rolle haben sie auch im Zweiten Weltkrieg schon gespielt: als Disziplinierungskommando, das dem sowjetischen Geheimdienst NKWD unterstellt war.

Kadyrows Männer sind also nicht besser ausgebildet?

Es gibt zwar Kadyrows paramilitärische Leibgarde, aber die meisten Tschetschenen sind normale Infanteristen. Sie sind dafür berüchtigt, dass sie keine Gefangenen nehmen, dass sie alle Gegner, die sie finden, abschlachten. Und sie gelten als zäh, mit einer großen Todesverachtung ausgestattet. Die rennen nicht so leicht davon, sondern kämpfen bis zum letzten Mann. Ich schätze, dass es mehrere Tausend sind, die derzeit in der Ukraine auf russischer Seite kämpfen.

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Auch auf der ukrainischen Seite wird massiv mobilisiert. Zudem schließen sich zahlreiche ausländische Soldaten dem Widerstand an. Können die effektiv helfen?

Das kommt darauf an, welche Ausbildung sie haben. Es gibt ein großes Regiment Kanadier überwiegend ukrainischer Abstammung. Bei denen dürfte die Sprachkompetenz kein Problem sein, die sind auch gut ausgebildet, können Waffen handhaben und sofort an die Front. Ebenso gibt es ein größeres amerikanisches Bataillon, hauptsächlich Veteranen aus dem Afghanistan- und Irakkrieg, das in der Nähe von Kiew eingesetzt wird. Allerdings hat dieses Bataillon in den vergangenen Tagen hohe Verluste hinnehmen müssen. Daneben gibt es viele Freiwillige, die erst mal an der Waffe ausgebildet und in die Kommandostrukturen eingewiesen werden müssen. Das dauert seine Zeit.

Wie hoch sind bisher die Verluste auf beiden Seiten?

Man muss in einem Krieg normalerweise damit rechnen, dass auf jeden toten Soldaten drei Verwundete kommen. Es gibt derzeit Schätzungen, dass die Ukrainer zwischen sechs- und achttausend russische Gefallene produziert haben. Damit gingen die Verwundeten auf russischer Seite wohl weit in die Zehntausende.

Aber auch der Ukraine geht allmählich der Nachschub aus.

Die Ukrainer haben natürlich Verluste, aber darüber redet die ukrainische Seite nicht so gerne. Um die Einkesselung von Kiew zu verhindern und die Front im Süden zu sichern, mussten sie sehr viele Mittel einsetzen. Der Munitionsnachschub dürfte daher schon kritisch sein, ebenso der Nachschub bei den gepanzerten Fahrzeugen. Um ihren bislang gut organisierten Abwehrkampf in den kommenden Wochen fortsetzen zu können, benötigen sie die Unterstützung des Westens. Das ist das einzige Rettungsseil, das sie noch haben. Je länger wir warten, desto schneller schließt sich das Zeitfenster für die Ukraine.

Der Westen müsste mehr tun?

Ja.

Welche Rolle kann Deutschland dabei spielen?

Es sind vor allem unsere östlichen Nachbarn, die jene Waffensysteme besitzen, mit denen die ukrainischen Kräfte umgehen und die sie bedienen können. Deutschlands Beitrag wäre es dann, das Sicherheitsvakuum zu füllen, das entsteht, wenn Länder wie Polen oder die baltischen Staaten ihre Kampfpanzer und Flugabwehrgeräte reihenweise in die Ukraine liefern. Das müsste durch größere Truppenverlegungen in diese Staaten kompensiert werden.

Nun ist die Bundeswehr aber jetzt schon in beklagenswertem Zustand. In Litauen haben deutsche Soldaten nicht mal winterfeste Unterwäsche zur Verfügung gestellt bekommen.

Das ist richtig. Da müsste man mehr improvisieren. Das geht aber nur, wenn sich die deutsche Verwaltungsbürokratie flexibler zeigt, als sie es bisher tut. Man müsste halt auch mal akzeptieren, dass die Bundeswehr in Polen LKWs und Panzer fahren darf, bei denen vielleicht ein Blinker kaputt ist oder die nicht der deutschen Abgasnorm entsprechen.

Daran scheitert es ernsthaft?

Es gibt in Deutschland nicht nur einen beklagenswerten Zustand, was die Materialausstattung der Bundeswehr angeht. Es gibt auch ansonsten eine sehr friedensmäßige Mentalität. Von dieser Mentalität sollte man sich langsam verabschieden.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Gustav Gressel
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