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Parlamentswahl: "Ein schwerer Schlag, aber für Frankreich eine echte Chance"


Pressestimmen zur Parlamentswahl
"Ein schwerer Schlag, aber für Frankreich eine echte Chance"

Von t-online
Aktualisiert am 20.06.2022Lesedauer: 4 Min.
Emmanuel Macron: Die Partei des französischen Präsidenten hat bei der Parlamentswahl eine absolute Mehrheit verpasst.Vergrößern des BildesEmmanuel Macron: Die Partei des französischen Präsidenten hat bei der Parlamentswahl eine absolute Mehrheit verpasst. (Quelle: imago-images-bilder)
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Frankreichs Präsident Macron hat bei der Parlamentswahl die absolute Mehrheit verfehlt. Auf das Nachbarland kommen unsichere Zeiten zu.

Nach der Parlamentswahl in Frankreich ohne absolute Mehrheit für die Partei von Präsident Emmanuel Macron steht das politische System des Landes vor einer Bewährungsprobe. Macron muss angesichts herber Mandatsverluste mit seinem Mitte-Lager in der Nationalversammlung Partner für eine Regierungsmehrheit suchen.

Die nach dem Wahlergebnis deutlich gestärkten Parteien am linken und extrem rechten Rand werden auf mehr Einfluss pochen und auf einen harten Oppositionskurs einschwenken. Möglicher Partner des Macron-Lagers könnten die bürgerlich-konservativen Républicains werden, aber das ist längst nicht ausgemacht.

Welche Lehren muss der französische Präsident aus diesem Ergebnis ziehen? Die deutsche und ausländische Presse zieht verschiedene Schlüsse:

►"Süddeutsche Zeitung" aus München: "Frankreichs Präsident wird für seine zweite Amtszeit halbiert, die Wähler nehmen ihm das wichtigste Werkzeug seiner Macht – das Parlament und die absolute Regierungsmehrheit. Das ist ein Schlag für Emmanuel Macron, ein unerwarteter zudem. Die Parlamentswahl wurde zum Strafwerkzeug für den ungeliebten Mann an der Spitze. Nun beginnt er die zweite Periode gefesselt an eine schwankende Mehrheit, die jedes Mal neu beschafft werden will. Das konservative Lager wird sich die Duldung teuer bezahlen lassen.

[...] Die geduldeten Macronisten werden mit ihrem Versuch einer bürgerlichen Koalition – in Frankreich alles andere als üblich – die Radikalität in der Wählerschaft lediglich fördern. Die Linke mag also an diesem Sonntag ein bisschen triumphieren, freuen darf sich aber Marine Le Pen."

►"Tagesspiegel" aus Berlin: "Für Macron ist das ein schwerer Schlag, aber für Frankreich eine echte Chance. Der Präsident wird sich jetzt für seine Vorhaben Mehrheiten suchen, mehr verhandeln und überzeugen müssen. Skeptiker haben Sorge, dass das zu einer unsicheren Regierungssituation führen, Macron in seiner Politik blockieren könnte. Doch wenn alle politischen Kräfte ihren Auftrag ernsthaft wahrnehmen, werden die Debatten wieder stärker im Parlament stattfinden, statt wie bisher so oft vom Élysée aus dirigiert werden."

"Frankfurter Allgemeine Zeitung" aus Frankfurt am Main: "In seiner ersten Amtszeit hat sich der junge Präsident zu oft über das Parlament hinweggesetzt. Entscheidungen fällte er allein im kleinen Kreis. Sein Wahlversprechen, die Nationalversammlung zu stärken, löste er nicht ein. Dieser Führungsstil ist bestraft worden. Macron hat zwar erkannt, dass er eine "neue Methode" entwickeln muss.

[...] Die Nationalversammlung spiegelt nach dieser Wahl das Erstarken der politischen Kräfte am linken und rechten Rand wider. Marine Le Pens Partei wie auch Jean-Luc Mélenchons Linksbündnis ziehen mit starken Fraktionen ins neue Parlament ein. Das verspricht heftige Debatten, aber auch eine überfällige Wiederbelebung der parlamentarischen Tradition in Frankreich."

Der Journalist und Frankreich-Kenner Nils Minkmar schrieb in seinem Newsletter "Der Siebte Tag" am Sonntag vor der Wahl: "Die ehemalige deutsche Regierung, die GroKo unter Angela Merkel, trägt eine Mitverantwortung für die politische Flaute in Frankreich. Der Schwung, der Macron seinerzeit ins Amt trug, war europäisch. Aber Berlin, die CDU, hat den Moment, mit ihm europäische Reformen und Projekte voranzubringen, vorbei ziehen lassen wie einen überfüllten Bus – als käme in zehn Minuten ein besserer. Kam aber nix. Heute ruht der deutsch-französische Motor. Die größten Länder Europas improvisieren, dümpeln so herum, schauen bang nach Osten und hoffen auf die USA.

In Frankreich jedenfalls, so mein Eindruck, wird heute schon die Zeit nach Macron vorbereitet, der als große Koalition auf zwei Beinen fungiert. Zwei Menschen laufen sich schon warm: Édouard Philippe, der Bürgermeister von Le Havre und ehemalige Premierminister und aus Toulouse die Sozialistin Carole Delga. "

►"Le Figaro" aus Paris: "Als umgekehrter Spiegel der Präsidentschaftswahlen ähnelte die zweite Runde der Parlamentswahlen einem Anti-Macron-Referendum. Der Preis für das "Sowohl-als-auch": Macron hatte sich vorgenommen, die Extreme auszutrocknen, aber sie waren noch nie so stark: die Nupes natürlich, aber auch der RN, deren historischer Durchbruch eine weitere Überraschung darstellt. Die Rechte ist zwar auf dem absteigenden Ast, konnte den Schaden aber besser begrenzen, als sie es sich je hätte erhoffen können."

►"El País" aus Madrid: "In den vergangenen fünf Jahren hat die Konzentration der Macht im Elysée-Palast die Rolle des Parlaments konterkariert. Aber die allgemeine Unzufriedenheit hat Ventile auf der Straße oder in den Parteien und Kandidaten gefunden, die das System am rechten und linken Rand herausfordern. Macron muss sich nun mit anderen Kräften abstimmen und aus dem Elysée herauskommen, weniger von oben regieren und mehr auf die Bürger hören."

►"The Times" aus London: "Macrons Regierung räumte ein, was Finanzminister Bruno Le Maire als "demokratischen Schock" bezeichnete, und versprach, die in seinem Manifest vom April angekündigten Reformen "härter und schneller" voranzutreiben.

Allerdings kündigten sowohl die Führer der radikalen Linken als auch der radikalen Rechten an, der Regierung das Leben so schwer wie möglich zu machen. Diese muss nun Verbündete im Mitte-Rechts-Lager der Konservativen suchen, um Gesetze durchzubringen, da Macrons Parteienbündnis Ensemble nur noch über eine relative Mehrheit verfügt. [...]

Für den 44-jährigen Präsidenten ist das Ergebnis ein Rückschlag, besonders nachdem er letzte Woche die Lage stark dramatisiert hatte. Seine Gegner hatte er als gefährliche Extremisten bezeichnet und das Land aufgefordert, ihm zu Beginn seiner zweiten Amtszeit eine "solide Mehrheit" zu geben, denn "nichts wäre schlimmer, als eine französische Unordnung zur globalen Unordnung hinzuzufügen."

Verwendete Quellen
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