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Ukraine-Krieg: Wenn Lebensmittel zur Waffe werden


Ukraine-Krieg
Wenn Lebensmittel zur Waffe werden

afp, Blaise Gauquelin

24.06.2022Lesedauer: 2 Min.
Zivilisten in Mariupol kochen draußen: Der Krieg verschärft die Hungersnot.Vergrößern des BildesZivilisten in Mariupol kochen draußen: Der Krieg verschärft die Hungersnot. (Quelle: Itar-Tass/imago-images-bilder)
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Der russische Angriffskrieg führt zu einer weltweiten Ernährungskrise. Die Ukrainer haben ein ähnliches Schicksal schon einmal erlebt – eine Zeitzeugin berichtet.

"Ich glaube, dass der Hunger wiederkommt", ist Maria Gontscharowa überzeugt. Die 93-jährige Ukrainerin hat die Hungersnot in den 1930er Jahren überlebt und fürchtet, Moskau werde nun wieder Nahrungsmittel als Waffe einsetzen. Durch die Kollektivierung der ukrainischen Landwirtschaft durch die Sowjetunion waren Millionen Menschen verhungert.

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"Damals haben wir überlebt, indem wir jeden Tag eine Kartoffel und Mehl kochten", erzählt Gontscharowa. Der russische Überfall auf die Ukraine weckt die Erinnerungen an den Hunger, den sie als kleines Mädchen litt. Deshalb hortet die alte Frau so viele Lebensmittel wie möglich in ihrem hübschen himmelblauen Holzhäuschen im Dorf Tscheremuschna in der ostukrainischen Region Charkiw. Durch den kleinen Garten laufen drei Hühner. Die Front ist nah, Gontscharowa hört die Raketen fliegen.

Angst vor einem zweiten Holodomor

Die alte Frau mit dem roten Kopftuch lebt bescheiden. 2.000 Hrywnja – etwa 65 Euro im Monat – beträgt ihre Rente. Sie kocht mit einem Holzofen, zum Fegen nimmt sie Birkenzweige. Die Russen "haben uns schon viel Getreide gestohlen und sie können uns auch alles nehmen", sagt Gontscharowa und bekreuzigt sich.

Sie hat wie viele Ukrainer Angst vor einem zweiten Holodomor. Der ukrainische Begriff bedeutet Tötung durch Hunger und bezieht sich auf die Jahre 1932 und 1933. "Lebensmittel wurden von der Sowjetregierung benutzt, um ihre Ziele zu erreichen", sagt Ljudmila Hrynewitsch, die Leiterin des Holodomor Forschungs- und Bildungszentrums.

Ukrainer, die sich ihr widersetzten, habe die Führung in Moskau massenweise verhungern lassen. Kiew spricht von einem Völkermord. Moskau und auch manche Historiker weisen den Vorwurf zurück und verweisen auf die vielen Hungertoten, die es zur gleichen Zeit auch in Russland und Zentralasien gab.

"1930er Jahre eignen sich sehr gut, um Parallelen zu ziehen"

Jetzt blockiert die russische Armee nicht nur Nahrungsmittelexporte aus der Ukraine, sondern bombardiert auch Getreidelager. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen beschuldigte Ende Mai den russischen Präsidenten Wladimir Putin, "Lebensmittel als Waffe zu benutzen". Moskau wolle den "Holodomor wiederholen", sagt Andrij Jermak, der Leiter des ukrainischen Präsidialamtes.

"Die 1930er Jahre eignen sich sehr gut, um Parallelen zu ziehen", sagt Hrynewitsch. "Auch damals handelte es sich um einen Versuch, die politische Nation der Ukraine zu vernichten. Den Ukrainern wurde ihr Getreide weggenommen und sie verhungerten. Dann schickten die sowjetischen Behörden einen Teil davon zurück – aber nur an diejenigen, die bereit waren, sich den Kolchosen anzuschließen."

Erfahrung der Hungerjahre prägen Familien bis heute

Charkiw, damals Charkow, war von 1919 bis 1934 die Hauptstadt der Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik und galt als eine der fruchtbarsten Regionen der Sowjetunion. In der Gegend rund um Gontscharowas Dorf "starb ein Drittel der Einwohner", sagt Tamara Polischtschuk, die ein Museum über den Holodomor leitet. Die Erfahrung der Hungerjahre präge die Familien bis heute.

Deshalb ist die alte Frau in dem hellblauen Holzhäuschen so froh über ihre Vorräte. "Es ist noch ein bisschen von allem da", freut sie sich und zeigt ihre Reserven. "Viele Länder helfen uns. Wir werden beliefert und die Sachen werden an die Leute verteilt", sagt Gontscharowa und setzt sich in den Schatten ihres Walnussbaumes. "Aber Gott weiß, wie lange noch?"

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur AFP
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