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Ägypten: Welche Rolle spielt Kairo im Nahostkonflikt?


Solidarität mit Grenzen
Darum will Ägypten die Palästinenser nicht


Aktualisiert am 18.10.2023Lesedauer: 4 Min.
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“Wenn Rafah nicht geöffnet wird, stecken wir in ernsthaften Schwierigkeiten": 13-Jähriger berichtet von Lage in Gaza. (Quelle: t-online)

Ägypten kommt im Nahostkonflikt eine Sonderrolle zu. Das Land versucht zu vermitteln, löst aber auch Kritik aus. Was will Kairo wirklich?

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock sowie ihr US-amerikanischer Amtskollege Antony Blinken waren bereits da, Bundeskanzler Olaf Scholz ist am Mittwoch angereist: Ägypten entwickelt sich angesichts des Konflikts zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas zu einem Drehkreuz der internationalen Politik.

Als einziges arabisches Land wird Ägypten immer wieder als Vermittler zwischen Israel und den Palästinensern eingespannt – und das bereits seit mehr als 40 Jahren. Auch jetzt ist es für viele andere Staaten in dem Konflikt ein Ansprechpartner. Die Regierung in Kairo spricht mit starker Stimme, ist jedoch auch nicht unumstritten. Welche Rolle kommt Ägypten im Nahostkonflikt zu und welche Ziele verfolgt die ägyptische Regierung? t-online gibt einen Überblick über die Motive eines der bedeutendsten Länder der Region.

Warum hat Ägypten als arabisches Land überhaupt Beziehungen zu Israel?

Ägypten kommt im Nahostkonflikt eine Schlüsselrolle zu. Das Land grenzt sowohl an Israel als auch den Gazastreifen. Zudem gehört Ägypten zu den führenden Staaten der arabischen Welt. Und nicht zuletzt haben das nordostafrikanische Land und Israel eine bewegte Geschichte: 1948 beteiligte sich Ägypten am Angriff der Allianz arabischer Staaten auf Israel. 31 Jahre später erkannte die Regierung in Kairo dann mit dem israelisch-ägyptischen Friedensvertrag von 1979 als erstes arabisches Land den Staat Israel an.

"Nach 30-jähriger Feindschaft und Misstrauen ist die Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und Ägypten ein langwieriger Prozess", gesteht das israelische Generalkonsulat in Deutschland auf seiner Internetseite ein. Dennoch kommt es regelmäßig zu Treffen von Diplomaten und Regierungsvertretern und auch Reisen zwischen beiden Ländern sind problemlos möglich.

Wie positioniert sich Ägypten im Nahostkonflikt?

Ägypten unterhält sowohl zu Israel als auch zu den Palästinensern Beziehungen. Dabei verfolgt das Land das Ziel einer Zweistaatenlösung. Damit nimmt es eine Sonderrolle im Nahostkonflikt ein, denn nur wenige arabische Staaten erkennen Israel überhaupt an und haben diplomatische Kontakte zu dem Land.

Zurzeit nutzt Kairo seine Kontakte nach Jerusalem vor allem, um zu vermitteln, aber auch um Kritik an Israel zu üben. So hat die Regierung von Präsident Abdel Fattah al-Sisi für diesen Samstag zu einem Gipfel zum Nahostkonflikt geladen. Dabei soll es unter anderem um die "Zukunft der Palästinenserfrage" gehen. Bundeskanzler Olaf Scholz hat seine Teilnahme angekündigt und ist bereits am Mittwoch in Kairo gelandet.

Im Nahostkonflikt sei es sehr wichtig, Spannungen abzubauen und die Lieferung von Hilfsgütern in den abgeriegelten Gazastreifen zu erleichtern, so al-Sisi. Dazu arbeitet Ägypten mit der EU zusammen. In dieser Woche soll eine Luftbrücke für Hilfsgüter eingerichtet werden. Diese sollen in Ägypten landen, von wo aus sie in das Palästinensergebiet geliefert werden sollen.

Welche Kritik äußert Ägypten gegenüber Israel?

Kritik übt Ägypten insbesondere an der Antwort Israels auf den Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober. Mit Blick auf die Luftangriffe und eine möglicherweise bevorstehende Bodenoffensive kritisierte Präsident al-Sisi am Samstag, dass dies über das Recht auf Selbstverteidigung hinausgehe. Die israelische Reaktion komme einer "kollektiven Bestrafung" der Palästinenser für die Gräueltaten der Hamas gleich.

Im Gegenzug steht das Land jedoch nicht der Terrororganisation Hamas nahe. Ägypten hat selbst Probleme mit Terrorismus: Es stuft die radikale sunnitische Gruppierung Muslimbruderschaft als Terrororganisation ein. Die Hamas hat gute Beziehung zu den Muslimbrüdern.

Ägypten bemüht sich überdies nach eigenen Angaben, andere Parteien davon abzuhalten, in den Konflikt einzugreifen. Das Land fordert einen Waffenstillstand. Welche Feinde Israel in der Region hat, lesen Sie hier.

Warum wird der wichtige Grenzübergang Rafah nicht geöffnet?

Ägypten sendet mit Blick darauf äußerst widersprüchliche Signale. Die prekäre humanitäre Lage im Gazastreifen rückt immer mehr in den Fokus der Weltöffentlichkeit. Israel hat rund eine Million Menschen im Norden Gazas dazu aufgefordert, Richtung Süden zu fliehen. Viele würden gern über den Grenzübergang Rafah nach Ägypten ausreisen, stehen dort aber vor verschlossenen Toren. Mehr zu der Situation in Rafah lesen Sie hier.

Bei ihrem Angriff auf Israel attackierten die Terroristen der Hamas den Grenzübergang Erez im Norden des Gazastreifens. Wenige Tage später schloss Israel diesen sowie den Grenzübergang Kerem Schalom im Süden bis auf Weiteres. Rafah ist für die Palästinenserinnen und Palästinenser somit der einzige Ausweg aus dem Gazastreifen.

Offiziell wird die Schließung des Übergangs Rafah damit begründet, dass noch Reparaturarbeiten daran durchgeführt werden müssten. Israelisches Bombardement in dem Gebiet soll eine Zufahrtsstraße beschädigt haben. Zudem verbietet Israel bisher die Lieferung humanitärer Güter, um den Druck auf die Hamas zur Freilassung der rund 200 im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln aufrechtzuerhalten. Auch hier bietet sich Ägypten als Vermittler an. Mehr zu den Szenarien für eine Geiselbefreiung lesen Sie hier.

Laut dem Welternährungsprogramm (WFP) gibt es jedoch keine überzeugende Erklärung dafür, dass Rafah geschlossen bleibt. "Wir hören von Ägypten, dass die Sicherheitssituation an der Grenze die Bewegung der Lastwagen nicht erlaubt", sagte die Sprecherin des WFP für die Region, Abeer Etefa. Sie fügte aber hinzu: "Es gibt keine klare Erklärung oder Kommunikation, was genau das Problem ist." Rund 150 Hilfslastwagen sowie Krankenwagen sollen an der Grenze stehen beziehungsweise auf dem Weg dorthin sein.

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Warum nimmt Ägypten bisher keine palästinensischen Geflüchteten auf?

Angesichts der schlechten wirtschaftlichen Situation im eigenen Land fürchtet Ägypten Beobachtern zufolge eine massenhafte Einreise von Palästinensern, die diese Probleme noch verschärfen könnten. Ägypten krankt derzeit besonders an der Jugendarbeitslosigkeit. Auch im Gazastreifen leben voranging junge bis minderjährige Menschen. Zudem fürchtet Ägypten offenbar die Einreise von Hamas-Terroristen, die – einmal im Land – Kontakt zur Muslimbruderschaft aufbauen könnten.

"Es ist wichtig, dass die Menschen in ihrem Land standhaft und präsent bleiben, und wir werden unser Möglichstes tun, um Hilfe zu leisten", betonte Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi. Als Willkommensgeste für die Palästinenser kann diese Aussage kaum gewertet werden.

Al-Sisi warnte beim Besuch von Bundeskanzler Scholz zudem vor einer militärischen Auseinandersetzung zwischen seinem Land und Israel, sollte Ägypten Palästinenser aus dem Gazastreifen aufnehmen und auf der Halbinsel Sinai ansiedeln. "Sinai würde dann die Basis für weitere Angriffe gegen Israel", sagt er bei einem Auftritt mit Scholz. "Israel wird sich dann bestimmt wehren." Die Folge dürften Angriffe auf ägyptisches Territorium sein. Deshalb sei eine Evakuierung der Palästinenser aus dem Gazastreifen nach Ägypten unmöglich.

Verwendete Quellen
  • embassies.gov.il: "Israel und die arabische Welt"
  • zeit.de: "Ägypten lädt zum Gipfel zur Lage der Palästinenser"
  • bpb.de: "Israel und Ägypten: Ein Frieden auf Umwegen"
  • bbc.com: "What is the Rafah crossing and why is it Gaza's lifeline?" (englisch)
  • n-tv.de: "Rafah bleibt für Doppelstaatler geschlossen"
  • zeit.de: "Warum Ägypten die Grenze nicht öffnet"
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und Reuters
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