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Europas Rechtsruck: Was die AfD von der FPÖ lernen könnte


Europas Rechte
Was die AfD von der FPÖ lernen könnte

  • Gerhad Spörl
MeinungEine Kolumne von Gerhard Spörl

Aktualisiert am 19.03.2018Lesedauer: 5 Min.
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Alexander Gauland und Alice Weidel bei einem Treffen mit Heinz-Christian Strache von der FPÖ am 02.06.2017 in Wien.Vergrößern des Bildes
Alexander Gauland und Alice Weidel bei einem Treffen mit Heinz-Christian Strache von der FPÖ am 02.06.2017 in Wien. (Quelle: Afd/dpa)

Von der FPÖ lernen, heißt siegen lernen: Die österreichische Rechte hat braunen Ballast abgeworfen, auch wenn ihr der Schwefelgeruch noch anhängt. So weit muss es die AfD erst einmal bringen. Will sie es?

In Europa gibt es zwei Vorbilder für die AfD, den Front National und die FPÖ. Marine Le Pen erlebt momentan eine Flaute, weil Emmanuel Macron eine eigene Bewegung hervorgezaubert hat und sie an den Rand drängt. Die FPÖ hingegen regiert in Wien wieder mit. Deshalb pilgern rechte deutsche Protagonisten immer mal dorthin, um heraus zu finden, was Heinz-Christian Strache richtig gemacht hat.

Selbstschwächung durch permanente große Koalitionen

Auf Österreich schauen wir Deutsche gelegentlich wie auf ein bekanntes Tier im Zoo, das sich erstaunlich benimmt. Wir nehmen das kleine Land nicht ganz ernst, den Opernball, die Fiaker, die Freunderl-Demokratie, die Fußballmannschaft. Österreich ist aber politisch weiter. Österreich hat die Selbstschwächung der beiden großen Parteien durch permanente große Koalitionen hinter sich. Der Niedergang beförderte die dritte Partei in stolze Höhen. Vieles, was die FPÖ von sich gegeben hat, gibt auch die AfD von sich: das Machtkartell der Altparteien, der Staatsfunk, Fake News, Flüchtlinge als Schmarotzer, der Islam als Gefahr, fremde Macht Brüssel, bedrohte Heimat und liebes Vaterland. Der Erfolg der rechten Parteien gründet auf der moralischen Panik, dass dem Volk das Land entwunden wird.

Die FPÖ gibt es schon lange. Sie häutete sich ins aggressiv Nationalkonservative, wodurch sie sich von der ÖVP unterschied, und hatte damit Erfolg. Die AfD ist jung und ungeformt, doch aggressiv und nationalkonservativ ist sie auch.

Österreich war innerhalb der Europäischen Union ein Paria

Beide Partei kamen ähnlich schnell unter ähnlichen Bedingungen in die Parlamente. Was macht man dann? Für die FPÖ stand nie infrage, dass sie mitregieren wollte, in Stadt, Land und Bund. Zum ersten Mal regierte sie in Wien schon im Jahr 1999 mit, der Kanzler hieß Wolfgang Schüssel. Jörg Haider war der große Zampano der FPÖ, blieb jedoch Landeshauptmann in Kärnten und trat nicht in die Regierung ein. Auch ohne ihn war der reaktionäre Koalitionspartner der konservativen ÖVP ein Ärgernis. Österreich war innerhalb der Europäischen Union ein Paria. In Wien fanden an jedem Donnerstag Demonstrationen gegen die Haider-Buberln statt.

Jörg Haider war auch als Person ein Skandal. Er spielte gern mit dem Feuer, mit dem Faschismus. Er sagte zum Beispiel, die Beschäftigungspolitik der Nationalsozialisten sei ordentlich gewesen. Er mochte Muammar al-Gaddafi und reiste im Jahr 2002 sogar zu Saddam Hussein. Ihm imponierten Diktatoren, weil sie machen können, was sie wollen, und auf niemanden Rücksicht nehmen müssen. Na ja, als Haider im Jahr 2008 betrunken bei einem Autounfall starb, hatten sie Saddam schon aus einem Erdloch gezogen und Gaddafi stand die Exekution bald bevor.

Aufschrei der Empörung ist gesichert

Provokante Reisen gehören zu den europäischen Rechten wie das Weihwasser zur Kirche. Einige AfD-Abgeordnete bewegten sich vor Kurzem nach Syrien und auf die Krim. Ich wette, der Besuch beim Großmufti in Damaskus war sturzlangweilig und der auf der Krim auch. Aber auf das Echo in der Heimat kommt es an. Ein Aufschrei der Empörung ist allenthalben gesichert, wenn ein paar deutsche Rechte behaupten, sie wollten sich persönlich davon überzeugen, ob Syrien als sicheres Herkunftsland eingestuft werden kann, in das die vielen Flüchtlinge dann aus Deutschland zurückfließen sollten, oder wenn sie die Bewohner der Krim um das Referendum beneiden, das den Anschluss an Russland einbrachte. Auch die AfD schätzt autokratische Stärke an Putin wie Trump und vermutlich auch Assad.

Die FPÖ ist der AfD weit voraus. Zu Recht nennt Alexander Gauland seine Partei einen gärigen Haufen. Damit meint er das Unausgegorene an der AfD, die mehr Bewegung als Partei ist. Sie hat keinen jungenhaften Caudillo wie Haider in seinen besten, wilden Zeiten, der alles an sich reißt und das Land verändert. Es gibt keine Familiendynastie wie in Frankreich. Die AfD hatte den biederen Bernd Lucke und dazu Frauke Petry, die keine Marine Le Pen ist, sonst hätte sie sich nicht so übel verrechnet. Jetzt hat sie Gauland und Alice Weidel und Björn Höcke.

Gauland ist Bildungsbürgertum in Reinkultur

Gauland ist deutsches Bildungsbürgertum in Reinkultur mit einer Vorliebe für das Britische. Hört man ihm zu, dann mischt sich kluge Analyse mit gezielten Hieben für die Journalisten zum Mitschreiben. Im vorigen Sommer hielt er eine Rede auf dem Kyffhäuser, wo sich seine Parteifreunde jährlich versammeln. Die Rede bestand aus einem Referat über die deutsche Geistesgeschichte von Luther über Lessing zu Goethe. Und dann fiel dieser Satz: Frankreich verehrt seinen Kaiser, England seinen Churchill und als Deutsche "haben wir das Recht, stolz zu sein auf Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen". Eigentlich hätte an dieser Stelle ein Name kommen müssen. Wer Gauland von früher kennt, hätte Bismarck erwartet. Wer Ihn in seiner neuen Rolle als AfD-Sprecher kennt, denkt automatisch Hitler mit und jubelt ihm zu, wie sie ihm auf dem Kyffhäuser zugejubelt haben.

Alice Weidel gab am Tag der Kanzlerinnenwahl der ARD ein Interview. Sie wurde in angemessenem Ton befragt und antwortete in angemessenem Ton. Sie steht für das Bürgerliche im gärigen Haufen. Perlenkette, Sinn für das Modische, eine internationale Karriere, eigentlich eine moderne Frau. Sie ist das weibliche Äquivalent zu Heinz-Christian Strache, dem weit weniger explosiven Nachfolger Haiders. Unschwer kann man sie sich in einer Regierung mit der Union vorstellen, falls sich die österreichischen Verhältnisse in Deutschland mit der Selbstzerstörung der großen Parteien fortsetzen sollten.

Noch fühlen sich die Rechten als Opfer

Wer Björn Höcke zuhört, hört ein fernes Echo aus der Weimarer Republik. Dieses Prophetengehabe, das Fiebrige, das Entrückte, die Vorliebe für Ernst Jünger und Oswald Spengler. Die AfD, sagt er, müsse eine Fundamentalopposition bleiben, bis sie 51 Prozent bei einer Wahl auf sich vereinigen kann; Koalition verbietet sich mit dieser Einstellung. Das Holocaust-Denkmal ist für ihn ein Denkmal der deutschen Schande, was es zweifellos auch ist. Nur meint er es anders: Die Schande besteht darin, dass die Deutschen ihrer Schande ein Denkmal setzen.

Die AfD ist auf dem Weg. Sie stellt die größte Oppositionsfraktion im Bundestag, bald wird sie auch in Bayern in den Landtag einziehen und der CSU die Alleinherrschaft verbauen. Noch fühlen sich die Rechten als Opfer von allen möglichen Kräften: der Regierung, der Medien, der anderen Parteien. Noch spielen sie liebend gern mit dem Feuer, mit dem Faschismus, das gehört für sie einfach dazu, teils aus Überzeugung, teils aus Provokation. Es wird weniger werden, der Front National und die FPÖ haben Ballast abgeworfen, auch wenn ihnen der Schwefelgeruch noch anhängt.

Die AfD wird auch Ballast abwerfen. Für viele ihrer Mitglieder ist das Leben als Parlamentarier verlockend, da es ein sicheres Einkommen gewährleistet und Bedeutung verleiht. Das läutert. Die AfD möchte bald das sein, was die FPÖ schon ist: eine Regierungspartei. Fragt sich nur, ob sie die Gelegenheit dazu bekommt.

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