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Impeachment-Verfahren gegen Donald Trump: So seltsam ist das Verfahren


Post aus Washington
Trumps Verhandlung: Und dann lagen die Nerven blank

MeinungEine Kolumne von Fabian Reinbold

Aktualisiert am 24.01.2020Lesedauer: 4 Min.
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US-Kapitol: Impeachment-Prozess mit eigentümlichen Regeln.Vergrößern des Bildes
US-Kapitol: Impeachment-Prozess mit eigentümlichen Regeln. (Quelle: Joshua Roberts/reuters)

Es wird gebetet, es wird geschummelt, nachts liegen die Nerven blank: Wer die Impeachment-Verhandlung gegen Donald Trump aus der Nähe verfolgt, erlebt einen Prozess, den man im Fernsehen nicht sieht.

Guten Tag aus Washington!

Seit Dienstag hält der US-Senat nun Gericht über Donald Trump – und zwar in einem ziemlich seltsamen Prozess.

Denn das Resultat steht so gut wie fest: Donald Trump muss nicht sonderlich fürchten, von einer Zweidrittelmehrheit verurteilt und aus dem Amt geworfen zu werden. Es nicht das kommende Urteil dieses Prozesses, das Washington gerade fesselt, sondern der Weg dorthin.

Zudem wird es vorerst – und vielleicht bis zum Ende – keine Zeugen geben, obwohl die Ankläger darauf drängen.

Und was man im Fernsehen über den Impeachment-Prozess gegen Donald Trump sieht, ist nur die halbe Wahrheit. Das hat mit den strikten Regeln des US-Senats zu tun.

Der Prozess läuft zwar live im TV, doch den Medien ist es untersagt, eigene Kameras aufzustellen. Die einzigen Bilder, die nach draußen dringen, stammen von den offiziellen Kameras des Senats – und die zeigen starr die Redner. Von der Pressetribüne sieht man dagegen die Redner nur von hinten, dafür aber etwas, was das Fernsehen nicht zeigt: die Senatoren. Und die geben in der fensterlosen Kammer des US-Senats ein wirklich seltsames Schauspiel ab.

Für 100 Senatoren, die die Rolle der Jury im Amtsenthebungsprozess einnehmen, herrscht Präsenzpflicht, während sie “unter Androhung von Gefängnisstrafe”, wie es zum Auftakt verlesen wurde, nicht reden dürfen. Nur Wasser und Milch sind von ihnen zu konsumieren, aber kein Kaffee. Ihre Handys und Geräte müssen sie vor den Türen abgeben und eine Woche lang still und stumm zuhören: drei Tage den Anklägern aus dem Repräsentantenhaus und drei Tage den Anwälten des Präsidenten. Kommende Woche dürfen sie dann Fragen stellen – schriftlich.

Von der Pressetribüne aus blicke ich auf die Senatoren, wie sie zunehmend leiden und dann immer mehr die Regeln brechen. Denn zweierlei mögen viele Senatoren gar nicht: Zuhören und Schweigen.

Schon nach zwei Stunden an Tag eins rutscht Trump-Unterstützer Lindsey Graham aus South Carolina nervös auf seinem Stuhl hin und her, während die Ankläger der Demokraten sprechen. Er leidet sichtbar, so wie drüben bei den Demokraten Bernie Sanders. Der würde lieber Wahlkampf machen in Iowa, wo bald die erste Vorwahl der Demokraten ansteht und er sich gute Chancen ausrechnet. Engagiert wirkt er nur, als er eine Serviette in sein Wasserglas tupft und einen Fleck auf seinem Hemd damit bearbeitet.

Das Leiden der Senatoren an ihrem Prozess steigt am Mittwoch im Viertelstundentakt. Das Rutschen nimmt zu, das Aufstehen, zwei Republikaner stellen sich hinter ihre Holzstühle und wippen auf den Füßen. Nachmittags leeren sich die Reihen immer wieder, trotz der strikten Anwesenheitspflicht. Mal huschen zwei, drei Senatoren hinaus, mal sind zehn Stühle leer. Andere tuscheln. Am Donnerstag haben dann zwei Republikaner plötzlich doch ein iPad auf ihrem Pult. Die Androhung der Gefängnisstrafe scheint nicht ernst genommen zu werden.

Alles beginnt mit den Verfahrensfragen. Die “impeachment manager” der Demokraten, sieben Abgeordnete aus dem Repräsentantenhaus, wollen Zeugen berufen – Trumps Stabschef Mick Mulvaney und Ex-Sicherheitsberater John Bolton etwa, ohne Zweifel zentrale Figuren in der Ukraine-Affäre. Sie wollen Dokumente einklagen – die Trump-Regierung hat schließlich kein einziges herausgerückt. Nur so könne es ein gerechtes Verfahren geben.

Die Republikaner blocken mit ihrer Mehrheit alles ab. So geht es Antrag um Antrag, Debatte um Debatte. Beim letzten Impeachment-Prozess, 1999 gegen Bill Clinton, einigte sich der Senat überparteilich und einstimmig auf Verfahrensregeln. Doch diese Zeiten sind längst vorbei – nun verläuft jede Abstimmung nach Parteigrenzen.

Interessieren Sie sich für US-Politik? Unser Washington-Korrespondent Fabian Reinbold schreibt über seine Arbeit im Weißen Haus und seine Eindrücke aus den USA unter Donald Trump einen Newsletter. , die dann einmal pro Woche direkt in Ihrem Postfach landet.

Am Dienstagnachmittag wird es laut und scharf – Trumps Privatanwalt Jay Sekulow ergreift das Wort. Sekulow spricht nicht zu den Anträgen, stattdessen zeichnet er eine Verschwörung gegen Trump nach, die ihn von Anfang an habe stürzen wollen. In der altehrwürdigen Kammer wirkt der scharfe Ton fehl am Platz, doch dem wichtigsten Publikum Sekulows dürfte er gefallen: Dabei handelt es sich, draußen am Bildschirm, um Donald Trump.

Später, tief in der Nacht, liegen erstmals die Nerven blank. Die Republikaner schmettern Antrag um Antrag ab, da spricht für die Ankläger Jerrold Nadler, der Justizausschusschef im Repräsentantenhaus, und wirft den Republikanern vor, mit ihren Voten eine Vertuschung zu betreiben. Trumps Anwälte beschuldigt er der Lüge. Ein Rüffel vom Vorsitzenden Richter des Supreme Courts, John Roberts, der den Prozess leitet, folgt: Man sei hier schließlich in der "großartigsten beratenden Versammlung auf Erden."

Am Mittwoch ist die Anstrengung der Demokraten förmlich zu greifen, freundlicher und disziplinierter zu sein. Trump hingegen ätzt aus der Ferne über ihre Abstimmungspleiten: "Wir haben das ganze Material, und sie haben kein Material", sagt er aus Davos.

Nach den Scharmützeln der Nacht geht es am Mittwochmittag mit einem Gebet weiter. Die Senatoren erheben sich, der Senatskaplan zitiert aus dem ersten Korintherbrief und erbittet Erleuchtung für die Senatoren: "Hilf ihnen sich zu erinnern, dass es Patrioten auf beiden Seiten des Ganges gibt und dass Worte Folgen haben." Stehenbleiben, Hand aufs Herz, jetzt folgt der gemeinsame Treueschwur auf die US-Fahne: "Eine Nation unter Gott, unteilbar…"

Dann kriecht wieder die Spaltung in die Kammer.

Die Demokraten um Adam Schiff tragen noch einmal ihre gesammelten Belege zusammen, spielen Videoclips von Trump und seinen Helfern ab, zeigen aberdutzende Schaubilder auf Monitoren. Trumps versuchte Erpressung der Ukraine und seine Vertuschungsaktionen zeichnen sie anschaulich nach – aber es wird ihnen wenig nützen. Denn alle Argumente sind längst ausgetauscht, alle Meinungen gefasst.
Sie können nur hoffen, vielleicht doch noch Zeugen vorladen zu dürfen, sind aber dabei von den Stimmen von mindestens vier Republikanern abhängig.

Die Republikaner dürften am Ende sagen: Nicht schön, was unser Präsident da gemacht hat, aber das ist doch kein Grund, ihn des Amtes zu entheben. Das Kalkül ist simpel. Sie wissen: Ihre Wähler stehen hinter Donald Trump, da werden sie den Teufel tun, ihn aus dem Amt zu werfen.

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