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Corona-Krisenmanagement: Angela Merkel feiert ihre Wiederauferstehung


Corona-Management der Groko
Die Regierung hat unschätzbares Kapital aufgebaut

  • Gerhad Spörl
MeinungEine Kolumne von Gerhard Spörl

Aktualisiert am 23.03.2020Lesedauer: 4 Min.
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Angela Merkel: Die Bundeskanzlerin informiert über weitere Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus – und schafft somit Vertrauen.Vergrößern des Bildes
Angela Merkel: Die Bundeskanzlerin informiert über weitere Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus – und schafft somit Vertrauen. (Quelle: Michael Kappeler/dpa-bilder)

Die Bundesregierung wirbt angesichts der Corona-Krise um das Vertrauen der Bevölkerung. Doch um die Moral aufrechtzuerhalten, müssen auch ihre Maßnahmen Wirkung zeigen.

Aus zwei Gründen finde ich die verschärften Regeln gut, die uns die Kanzlerin mitgeteilt hat. Erstens behält sie die Haltung bei, an unsere Vernunft zu appellieren, und zweitens bleibt sie dabei, dass eine Ausgangssperre eine andere Qualität hätte als die Einschränkung unserer Bewegungsfreiheit.

Mein Sohn lebt in München und schickte mir gestern ein Video, auf dem ein Polizeiauto durch Haidhausen fährt und die Bürger per Megaphon auffordert, daheim zu bleiben, wobei Zuwiderhandlungen hart bestraft würden. Das Adjektiv hart schnarrte nur so heraus, bairisch mit 3r ausgesprochen: harrrt! Mir war das zu viel, es klang polizeistaatlich.


Bei der Schaltkonferenz am Sonntag las Armin Laschet dem Kollegen Markus Söder die Leviten, was mir gut gefiel. Zwei Tage nach der TV-Ansprache der Kanzlerin gab es keinen praktischen Grund, die Ausgangssperre auszurufen, abgesehen davon, dass der Ministerpräsident unbedingt ein Hochamt seiner Entschlossenheit zum Besten geben wollte.

In den letzten Tagen hat die Bundesregierung ein wichtiges Kapital angesammelt: Vertrauen. Es begann mit der Rede der Kanzlerin ans Volk, in der sie den richtigen Ton und das richtige Maß an Sachlichkeit und Empathie fand. Es setzte sich fort mit dem Ausschwärmen der Fachminister in Talkshows und Pressekonferenzen, bei denen Jens Spahn, Armin Laschet und Olaf Scholz eine gute Figur machten. Sie waren auf die Sache konzentriert und hielten ihr Ego im Zaum. Natürlich ziert es Armin Laschet im Kampf um den Parteivorsitz plus Kanzlerkandidatentum, dass er nationale Auftritte jenseits von Aachen und Dortmund bekommt, aber der Ehrgeiz tropft ihm nicht aus dem Hemdkragen. Er wirkt glaubwürdig.

Der Kapitalismus wird ins künstliche Koma gesetzt

Der spröde, aber fachlich hochkompetente Olaf Scholz trug zur Vertrauensbildung besonders bei. Er nimmt irrsinnig viel Geld in die Hand und berücksichtigt möglichst viele Zweige der Volkswirtschaft mit seinen Gaben, angefangen von Kleinunternehmern bis hin zur Lufthansa, die womöglich teilverstaatlicht werden muss. Dass Mieter ihre Mieten stunden dürfen und Kredite staatlich verbürgt werden, rundet die Kaskade von Subventionen ab, ergänzt um die 750 Milliarden Euro von der Europäischen Zentralbank für die Mitgliedstaaten. Mehr geht nicht, wenn vielleicht auch bald noch mehr folgen.

So erleben wir, dass der Kapitalismus ins künstliche Koma versetzt wird, dass die Globalisierung stillsteht, dass der Staat möglichst umsichtig möglichst viel Geld ausgibt, indem er Reserven anzapft, genauso wie die Institutionen des Sozialstaats ihr Angespartes in die Waagschale werfen.

So erleben wir, wie die Demokratie ihr höchstes Gut abriegelt, die Öffentlichkeit, und die Grundrechte einschränkt und ihre Liberalität auf Zeit opfert. Darin liegt übrigens der wesentliche Unterschied zur bayerischen Ausgangssperre, die ohne Angabe von Dauer auskommt. Die Kanzlerin begrenzte die Kontakteinschränkung auf zwei Wochen. Dann wird geprüft, was sie bewirkt hat, ob sie sinnvoll ist oder nicht. So muss man das machen. Wir wollen wissen, wie lange wir so leben müssen, wie wir es müssen. Und wenn die Kontaktsperre verlängert werden sollte, wollen wir wissen, warum.

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Merkel zeigt sich der Herausforderung gewachsen

Nun endet die erste Phase unter Corona-Kuratel. Die Bundeskanzlerin feierte eine Wiederauferstehung und zeigt sich der beispiellosen Herausforderung gewachsen. Zudem beweist sie Konsequenz: Direkt nach ihrer Ansprache am Sonntag begibt sie sich in häusliche Quarantäne, als bekannt wird, dass sie mit einem Corona-Infizierten Kontakt hatte.

Neben ihr stand in den letzten Tagen oft genug der andere Bundeskanzler, nämlich der Virologe Christian Drosten, der die Argumente lieferte: Wir müssen die ansteigende Covid-19-Kurve abflachen, wir müssen soziale Kontakte reduzieren und die Krankenhäuser aufs Schlimmste vorbereiten. Auch Drosten trug zum Vertrauensaufbau bei.

Vertrauen ist gut. Vertrauen ist ein unschätzbares Kapital, das man mehren kann, genauso wie man es verspielen kann. Vertrauen ist nicht alles, aber ohne Vertrauen ist alles nichts.

In der zweiten Phase werden die Fallzahlen steigen und noch viel mehr Menschen sterben, weil sie alt sind und ihr Immunsystem zu schwach für die Abwehr der Lungenkrankheit oder weil sie jünger sind und an einem Nierenleiden oder einer Herzkrankheit leiden. Wenn es stimmt, dass sich 60 bis 70 Prozent von uns das Virus einfangen, dann sorgen wir durch Hinauszögern dafür, dass unser Gesundheitssystem länger mit der Masse ernsthaft Infizierter klar kommt – dass es länger dauert, bis es an seine Grenzen gelangt. Mehr Hoffnung machen uns weder die Kanzlerin noch die Ärzte noch die Wissenschaftler.

Die Kanzlerin muss Entscheidungen weiterhin begründen

Bisher waren die Deutschen in ihrer überragenden Mehrheit verständig und geduldig. Sie haben hingenommen, was ihnen auferlegt wurde, weil Spahn/Scholz/Merkel erklärten, warum sie was tun. Ich wünsche mir, dass die Kanzlerin weiterhin in Ansprachen begründet und rechtfertigt, was geschieht, und auf diese Weise unser Vertrauen in sie stabilisiert. Solange die Regierung die Kontrolle behält, so lange ist nicht alles gut, aber vieles.

Diese Krise ist Neuland. Die Politik zieht Konsequenzen aus wissenschaftlichen Empfehlungen. Das gibt ihr eine angenehme Sachlichkeit. Ihre Maßnahmen müssen allerdings früher oder später wenigstens Teilerfolge haben. Die Demokratie hält nur eine bedingte Anzahl niederschmetternder Nachrichten innerhalb kurzer Zeit aus.

Eine gute Nachricht kommt aus Tübingen. Dort steht der Technologiekonzern Curevac, der so gut arbeitet, dass ihn Donald Trump unbedingt mit irrwitzig viel Geld nach Amerika verpflanzen wollte, was der deutsche Curevac-Investor Dietmar Hopp kühl ablehnte. Jetzt ist aus Tübingen zu hören, dass ein Impfstoff schon bis Herbst gefunden werden könnte.

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