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Feministische Außenpolitik: Das steckt hinter Annalena Baerbocks Plänen


Nur noch Frauen im Ministerium?
Feministische Außenpolitik? Das hat Baerbock vor


Aktualisiert am 01.03.2023Lesedauer: 4 Min.
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Annalena Baerbock mit anderen Außenministerinnen auf der Münchner Sicherheitskonferenz.Vergrößern des Bildes
Annalena Baerbock mit anderen Außenministerinnen auf der Münchner Sicherheitskonferenz. (Quelle: Kira Hofmann/imago-images-bilder)

Außenministerin Annalena Baerbock will die "feministische" Außenpolitik stärken. Doch was ist darunter zu verstehen?

Annalena Baerbock und Svenja Schulze haben Großes vor: 88 Seiten umfassen ihre am Mittwoch präsentierten "Leitlinien feministischer Außenpolitik". Darin legen die Außen- und die Entwicklungshilfeministerin dar, wie Diplomatie und Außenpolitik der Bundesregierung künftig die Themen Gleichstellung und Teilhabe, Gerechtigkeit und Frieden verstärkt in den Fokus rücken wollen.

Doch was genau verbirgt sich hinter dem Konzept der feministischen Außenpolitik? Sollen nun künftig alle Dokumente gegendert oder Posten nur noch mit Frauen besetzt werden? t-online beantwortet die wichtigsten Fragen.

Was ist feministische Außenpolitik?

Feministische Außenpolitik beschäftigt sich, anders als man vielleicht denken mag, nicht mit Gendersprache oder Ähnlichem. Vielmehr geht es um über Jahrhunderte gewachsene ungleiche Verteilung von Rechten, Ressourcen und Chancen.

Ziel ist eine Welt, die auf Inklusion und Gleichstellung aller Menschen in allen Bereichen der Gesellschaft basiert. Diskriminierung, Ungerechtigkeit und Unterdrückung aufgrund von Geschlecht, sexueller Orientierung, Herkunft, Hautfarbe, Behinderung oder Religion will sie bekämpfen.

In den Leitlinien des Auswärtigen Amtes, die Baerbock und Schulze jüngst vorstellten, heißt es dazu: "Feministische Außenpolitik gründet auf der Überzeugung, dass alle Menschen die gleichen Rechte genießen und die gleichen Freiheiten und Möglichkeiten verdienen." Es geht also weniger als bislang darum, Machtinteressen durchzusetzen, sondern um die Menschenrechte aller, auf nationaler und globaler Ebene.

Auch den Begriff "Sicherheit" will die feministische Außenpolitik neu denken. Die außenpolitischen Interessen eines Staates waren in der Vergangenheit überwiegend die Verteidigung des Landes im Kriegsfall oder die Rüstungsstärke. Mittlerweile spielen friedliche Kooperationen und Partnerschaften mit anderen Ländern ebenso eine große Rolle.

Konkret bedeutet das eine Abkehr von Sicherheit durch Waffen und globale Aufrüstung, insbesondere in Form von Atomwaffen. Feministische Außenpolitik strebt das Konzept eines sogenannten positiven Friedens an. Armut, Hunger, strukturelle Gewalt und Ungleichheit sollen überwunden werden.

Und dabei können Frauen, ein weiblicher Ansatz in der Außenpolitik, eine große Rolle spielen – dies zeigt eine Studie der Vereinten Nationen, in der Forscher mehr als 180 Friedensprozesse untersucht haben. Das Ergebnis: Wenn Frauen an den Verhandlungen beteiligt waren, war die Wahrscheinlichkeit für einen mindestens zwei Jahre anhaltenden Frieden um 20 Prozent höher – weil Perspektiven berücksichtigt wurden, die sonst gefehlt hätten oder zu kurz gekommen wären.

Was plant Baerbock ganz konkret?

Seit Beginn ihrer Amtszeit versucht Baerbock Frauen ins Zentrum ihrer Reisen zu stellen. Dafür besucht Baerbock immer wieder Frauenorganisationen und tauscht sich mit Frauen aus – zum Beispiel in Bosnien, Äthiopien oder auf Palau inmitten des Pazifischen Ozeans.

Außerdem will die Ministerin unter anderem den Posten einer Botschafterin des Auswärtigen Amts für feministische Außenpolitik schaffen. Bis 2025 will das Entwicklungsministerium (BMZ) den Anteil neu zugesagter Projektmittel für die Förderung der Gleichberechtigung der Geschlechter von 64 auf 93 Prozent erhöhen. Dabei sollen 85 Prozent der Projekte Gleichberechtigung als Nebenziel und 8 Prozent als Hauptziel haben.

Außerdem sollen mindestens 50 Prozent der Führungspositionen im Entwicklungsressort mit Frauen besetzt werden. In internationalen Organisationen wie den UN, der Weltbank und der EU will das Ministerium die feministische Entwicklungspolitik auf die Tagesordnung setzen.

In der Entwicklungs- und humanitären Hilfe zielt eine feministische Außenwirtschaftspolitik darauf ab, dass Frauen erwerbstätig sein können und faire Löhne erhalten. Dabei geht es auch um den Schutz vor Menschenrechtsverletzungen entlang globaler Lieferketten, von denen Frauen überproportional häufig betroffen sind.

Die Schutzinteressen von Frauen und Mädchen weltweit sollen besonders gestärkt werden, denn Frauen sind besonders von Armut, physischer und sexualisierter Gewalt und Flucht betroffen. Beispielsweise will Baerbock Frauen weltweit vor weiblicher Genitalverstümmelung schützen. Baerbock möchte Frauen besser in Friedensprozesse integrieren und entschiedener gegen sexualisierte Gewalt in bewaffneten Konflikten vorgehen. Außerdem setzt sie sich im Rahmen der feministischen Sicherheitspolitik für Rüstungskontrolle und gegen Atomwaffen ein. Auch der Fokus auf die Rechte queerer Menschen ist Teil des feministischen Ansatzes.

Welche Kritik gibt es an feministischer Außenpolitik?

Ukraine-Krieg, Taliban-Regime in Afghanistan und Nahostkonflikt – überall, wo es derzeit in der Welt kracht, wirkt es fast illusorisch, mit dem Ansatz der feministischen Außenpolitik vorwärtszukommen. "Die hundertprozentige Umsetzung der Menschenrechte ist genauso eine Utopie wie die hundertprozentige Umsetzung eines feministischen Ansatzes – und trotzdem geben wir das nicht auf", sagt auch Claudia Zilla von der Stiftung Wissenschaft und Politik.

Kritik an den Konzepten äußerten aus der Opposition unter anderem die Union, die Linksfraktion sowie Koalitionspartner FDP. "Ich halte wenig vom Konzept der feministischen Außenpolitik, weil es weniger darauf abzielt, diplomatische Verbesserungen zu erwirken als auf die emotionale Befriedigung innenpolitischer Akteure", sagte der stellvertretende FDP-Parteichef Wolfgang Kubicki dem Branchendienst "Table.Media".

Janine Wissler, Parteivorsitzende der Linken äußerte sich ebenfalls kritisch: "Solange deutsche Waffen mit Genehmigung der Außenministerin in Länder verschickt werden, wo Frauen- und Menschenrechte mit Füßen getreten werden, kann man weniger von einer 'wertebasierten' und feministischen Außenpolitik sprechen."

Welche Länder verfolgen bereits eine solche Außenpolitik?

Baerbock und Schulze sind nicht die ersten Politikerinnen, die eine feministische Politik verfolgen. Bereits im Jahr 2014 erklärte sich Schweden zu einem Land mit feministischer Regierung. "Als ich 2014 Schwedens feministische Außenpolitik als damalige Außenministerin verkündete und Schweden damit zum ersten Land der Welt machte, das eine feministische Außenpolitik einführte und verfolgte, hätte ich mir nicht vorstellen können, dass viele Länder, darunter Mexiko und Kanada, diesem Beispiel folgen würden", schreibt die ehemalige Außenministerin Schwedens, Margot Wallström, im Vorwort des Buches "Die Zukunft der Außenpolitik ist feministisch".

Als Schweden 2017 und 2018 Mitglied im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen war, wurden von der Delegation immer wieder Frauengruppen zu den Treffen eingeladen, um deren Belange zu hören. In dieser Zeit brachte Schweden eine Resolution in den UN-Sicherheitsrat ein, mit dem Ziel, sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt als Grund für Wirtschaftssanktionen anzuerkennen.

Doch auch innerpolitisch hatte das Konzept positive Folgen. 2000 war nur jeder zehnte schwedische Botschafterposten von einer Frau besetzt. 2019 sind es fast die Hälfte der Posten. Bis heute verfolgen Kanada (2017), Frankreich (2018), Luxemburg (2019), Mexiko (2020), Spanien (2021), Norwegen (2021) und Libyen (2021) eine feministische Außenpolitik.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Leitlinien zur Feministischen Außenpolitik des Auswärtigen Amtes
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