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Annalena Baerbock in China: Schwierige Ausgangslage wegen Großmanöver


Baerbock fliegt nach China
Mission Schadensbegrenzung

  • David Schafbuch
Von David Schafbuch

Aktualisiert am 12.04.2023Lesedauer: 4 Min.
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Annalena Baerbock: Die Außenministerin wird zu ihrem Antrittsbesuch in China erwartet. (Quelle: Fabrice Coffrini/Getty Images)

Nach dem chinesischen Großmanöver vor Taiwan und den umstrittenen Aussagen des französischen Präsidenten ist die Ausgangslage für Baerbocks China-Reise schwierig. Was kann sie erreichen?

Mit heiklen Reisen kennt sich Annalena Baerbock mittlerweile aus: Ihren russischen Amtskollegen Sergej Lawrow traf die Außenministerin in Moskau noch kurz vor Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine. Seit der Krieg tobt, hat die Grünen-Politikerin schon viermal das umkämpfte Land besucht.

Wenn Baerbock allerdings in dieser Woche in China ankommt, wird es ihr erster Besuch dort als Außenministerin sein – und die Ausgangslage könnte kaum schwieriger sein. Das liegt nicht nur an den umstrittenen Taiwan-Äußerungen des französischen Staatschefs Macron oder an den Sticheleien von SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich. Wie wird China die deutsche Außenministerin in China aufnehmen und was kann Baerbock dort wirklich erreichen? Der Überblick.

Warum ist der Zeitpunkt der Reise schwierig?

Grundsätzlich bereitet vor allem der chinesische Konflikt um die Insel Taiwan nicht nur deutschen Diplomaten Kopfzerbrechen: Die Volksrepublik erkennt die Unabhängigkeit der Insel nicht an und droht immer deutlicher mit ihrer Eroberung. Gerade erst hat die chinesische Armee ein riesiges Militärmanöver vor der Insel beendet, wobei auch Angriffe geprobt wurden. Das Außenministerium in Peking sprach in dem Zusammenhang von einer "ernsten Warnung".

China betrachtet die Situation Taiwans als eine rein innenpolitische Angelegenheit und verbittet sich jede Einmischung von außen. Die USA haben sich dagegen dem Schutz der Insel verpflichtet.

Allein vor diesem Hintergrund wäre die Reise Baerbocks schon schwierig. Doch ein kürzlicher Besuch von Emmanuel Macron in China hat die Lage noch verkompliziert. Der französische Präsident war Ende der vergangenen Woche gemeinsam mit EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen zu Besuch – und sorgte im Nachgang für großes Aufsehen.

Auf seinem Rückflug forderte der Präsident in einem Interview mit "Politico" und "Les Échos" eine eigenständige europäische Haltung zum Taiwan-Konflikt. Europa dürfe in der Frage weder ein "Vasall" der USA noch von China, sondern eine "dritte Supermacht" werden.

Nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen westlichen Staaten sorgte das für viel Kritik. Unweigerlich wird daher die Außenministerin auch zu Macrons Aussagen Stellung beziehen müssen. Nicht unbedingt einfacher gemacht hat es der Ministerin Rolf Mützenich: Der Fraktionschef der Kanzlerpartei gab den umstrittenen Taiwan-Aussagen Macrons recht, ausgerechnet wenige Stunden vor Baerbocks Abflug ins Reich der Mitte.

Wie denkt Baerbock über China?

Grundsätzlich scheut die Ministerin keine klaren Worte, auch nicht gegenüber China: Die Lehre aus der aktuellen Situation mit Russland müsse sein, dass sich Deutschland nie wieder von einem Land so abhängig mache, sagte Baerbock im vergangenen Oktober der "Süddeutschen Zeitung": "Auch China hat sich in den letzten Jahren verändert, schottet sich von der Welt ab, droht mit militärischem Vorgehen gegen Taiwan und versucht, anstelle internationaler Normen seine eigenen Regeln zu setzen."

Gleichzeitig betonte die Ministerin in dem Gespräch, dass es Deutschland nicht möglich sei, sich komplett von der chinesischen Wirtschaft zu entkoppeln, aber man dürfe in der Region eben nicht nur auf Peking setzen. Auch die Unterdrückung der Uiguren durch China hatte die Außenministerin wiederholt kritisiert.

Problematisch für die Ministerin ist allerdings, dass die Bundesregierung noch immer keine einheitliche China-Strategie hat. Dabei wurde das eigentlich im Koalitionsvertrag vereinbart. Dort wird das Land als Partner, Wettbewerber und gleichermaßen strategischer Rivale bezeichnet. Das entspricht auch der Linie der EU-Kommission. Allerdings lässt ein konkret ausformuliertes Papier weiter auf sich warten.

Im vergangenen November zitierten mehrere Medien aus einem ersten Entwurf der Strategie, der in Baerbocks Ministerium erarbeitet wurde. Dort hieß es, dass die Menschenrechte Vorrang vor den Handelsbeziehungen haben müssten. Vor allem das Kanzleramt war damit nicht einverstanden: Nach Informationen des "Spiegel" wurde das Papier mittlerweile überarbeitet, fertig ist es allerdings immer noch nicht.

Was kann sie bei dem Besuch erreichen?

Welche konkreten Ergebnisse Baerbock in China erzielen kann, ist im Vorfeld schwer zu sagen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gelang es bei seiner Reise im vergangenen November, dass China vor einer atomaren Eskalation im Ukraine-Krieg warnte. Seitdem gibt sich der Kanzler bei dem Thema deutlich entspannter als noch in den ersten Kriegsmonaten. Scholz kritisierte auch offen Chinas Haltung zu Taiwan und die Menschenrechtslage in der Provinz Xinjiang, in der die unterdrückte muslimische Minderheit der Uiguren lebt.

Die deutschen Erwartungen an Baerbocks Besuch sind jedenfalls hoch: Aus mehreren Parteien war im Vorfeld zu hören, dass die Außenministerin den Eindruck des Besuchs von Macron wieder zurechtrücken müsse. Auch im eigenen Ministerium ist laut "Spiegel" von Schadensbegrenzung die Rede.

Soll heißen: Die Außenministerin solle deutlich machen, dass es in der Haltung zu Taiwan keinen Dissens innerhalb der EU gebe und dass Europa weiter in der Frage an der Seite der USA stehe. Ursprünglich sollte sie auch gemeinsame Termine mit dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell wahrnehmen. Doch der kann wegen einer Corona-Infektion die Reise nicht antreten.

Klar dürfte allerdings sein, dass Baerbock aufgrund ihrer kritischen Haltung zu China wohl weniger herzlich empfangen werden dürfte als der Kanzler oder Macron. Einen großen Streit kann sich Baerbock auch nicht leisten: In den kommenden Monaten wird eine chinesische Delegation in Berlin zu gemeinsamen Regierungskonsultationen erwartet.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa und Reuters
  • sz.de: "Unsere Waffenlieferungen schützen Leben" (kostenpflichtig)
  • spiegel.de: "Baerbock muss die Scherben zusammenkehren" (kostenpflichtig)
  • spd.de: "Mehr Fortschritt wagen"
  • commission.europa.eu: "EU-China – A strategic outlook" (englisch)
  • youtube.com: "Bundeskanzler Olaf Scholz in China" (Kanal von Phoenix)
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