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Margot Käßmann zum Ukraine-Krieg: "Deutsche sollten zurückhaltender sein"


Margot Käßmann
"Da verschiebt sich etwas"

InterviewVon Tim Kummert

Aktualisiert am 09.09.2023Lesedauer: 3 Min.
Interview
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Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.

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Margot Käßmann: Die ehemalige EKD-Ratsvorsitzende kritisiert die deutsche Ukraine-Politik. (Quelle: Julian Stratenschulte/dpa)

Die ehemalige EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann ist gegen die Lieferung deutscher Waffen in die Ukraine. Ein Gespräch über gestiegene Unterstützung, die Möglichkeiten von Diplomatie und die Frage, ob Putin zu Verhandlungen bereit ist.

Margot Käßmann sieht die Verteidigungspolitik der Bundesregierung schon länger kritisch. Bereits im Februar hatte sie das umstrittene Manifest von Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht mit unterzeichnet, in dem ein Stopp der Waffenlieferungen an die Ukraine gefordert wird. Nun spricht Käßmann am Sonntag auf einer Demonstration in Stuttgart. Ein Gespräch über Panzerlieferungen, die Wirkung westlicher Waffen und Putins Verhandlungsbereitschaft.

t-online: Frau Käßmann, Sie sprechen am Sonntag bei der Kundgebung: "Stoppt das Töten in der Ukraine". Warum heißt die Veranstaltung nicht: "Stoppt das Töten Russlands"?

Margot Käßmann: Wir treten dafür ein, dass es einen Waffenstillstand gibt. Das Töten gegenwärtig betrifft Ukrainer wie Russen. Wobei klar ist, dass Putin der Aggressor ist. In unserem Positionspapier fordern wir explizit den Rückzug des russischen Militärs.

Und einen Stop der Waffenlieferungen in die Ukraine.

Ja, darüber wollen wir zumindest öffentlich diskutieren.

Weshalb?

Weil die Eskalation doch immer weiter geht: Am Anfang haben wir über Helme geredet, dann über Verteidigungswaffen, mittlerweile liefern wir aus Deutschland auch Panzer und denken über Taurus-Flugkörper nach.

Video | So funktioniert die Hightech-Waffe Taurus
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Quelle: t-online

Warum sind Sie gegen solche Lieferungen aus Deutschland?

Weil sich die Diskussion immer nur um Waffen dreht. Ich frage mich, wo unter den vielen Militärstrategen eigentlich die Diplomatie-Strategen sind. Wir können die diplomatischen Initiativen, um diesen Krieg zu beenden, doch nicht Ländern wie China, Saudi-Arabien und der Türkei überlassen.

Sogar der türkische Präsident Erdogan, der noch vor einigen Monaten mit Putin ein Getreideabkommen schließen konnte, ist mit seinen Verhandlungen für eine Fortsetzung dieser Vereinbarung gerade gescheitert.

Trotzdem ist doch die Frage: Welche Rolle spielt dabei Deutschland? Mit den Waffenlieferungen befeuert Deutschland den Krieg auf Dauer und gerät in Gefahr, Kriegspartei zu werden.

Putin will nicht verhandeln. Das hat er Anfang August wieder öffentlich erklärt.

Ich zitiere da mal den ehemaligen Politikchef der "Süddeutschen Zeitung", Heribert Prantl: "Auch Verhandlungen können herbeiverhandelt werden". Genau das ist Aufgabe von Diplomatie.

Aber wie sieht Ihr Vorschlag dann konkret aus: Deutschland liefert keine Panzer mehr und Kanzler Scholz ruft mehrmals am Tag bei Putin an, bis der ans Telefon geht?

Das klingt seltsam ironisch. Wir haben bereits für 22 Milliarden Euro Material in die Ukraine geliefert – damit machen wir einfach weiter und weiter? Und streichen gleichzeitig im Bundeshaushalt Gelder für soziale Dienste, Entwicklungshilfe? Das kann nicht wahr sein. Da verschiebt sich etwas, was lange Zeit anders gehandhabt wurde.

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Was meinen Sie?

Es war bis zum 24. Februar 2022 Konsens, dass Deutschland keine Waffen in Krisen- und Kriegsgebiete liefert.

Und dann überfiel Putin mit einem brutalen Krieg die Ukraine. Ein Nachbarland der EU.

Ja.

Verändert das nicht die Maßstäbe, nach denen europäische und deutsche Sicherheitspolitik gemacht werden muss?

Nein. Denn wir können uns fragen, wohin wir noch so Waffen liefern sollten: Die Uiguren, die Kurden, viele Menschen auf der Welt haben gerechte Gründe, für die sie kämpfen. Aber ist Deutschland das richtige Land, das Waffen in Kriegsgebiete liefern sollte? Wir haben zwei Weltkriege angezettelt, wir sollten zurückhaltender sein.

Die westlichen Waffen helfen aber der Ukraine.

Es ist Spekulation zu mutmaßen, was ohne diese Waffenlieferungen passiert wäre.

Das ist nicht wahr. Diverse Sicherheitsexperten sind sich einig, dass die Waffen die Ukraine schlagkräftiger in der Verteidigung machen.

Wir wissen es schlicht nicht. Aber weil mancher gern den deutschen Weg als alternativlos in Europa hinstellt: Man kann sich auch verhalten wie Österreich – und Waffen nicht in Kriegsgebiete liefern. Damit steht dieses Land doch nicht moralisch auf der schlechten Seite.

Die enge Verstrickung österreichischer Regierungen mit Russland in den letzten Jahren ist ja hinlänglich belegt. Die frühere Außenministerin tanzte noch 2018 mit Putin persönlich.

Und trotzdem denke ich, dass man sich wie die österreichische Regierung in der Frage nach Waffenlieferungen verhalten kann.

Frau Käßmann, herzlichen Dank für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Telefonisches Interview mit Margot Käßmann
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