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Migrationspolitik: Deutschland sorgt für Unmut unter EU-Partnern


Streit um EU-Asylreform
Brüssel: Unmut über die Bundesregierung wächst

Von dpa
Aktualisiert am 26.09.2023Lesedauer: 4 Min.
imago images 0305094529Vergrößern des BildesAnnalena Baerbock (Archivbild): Sie überrascht mit ihren Aussagen zur Reform der EU-Migrationspolitik. (Quelle: IMAGO/Thomas Trutschel/imago)
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Das Europaparlament will die Verhandlungen über eine Reform der Migrationspolitik blockieren. Verantwortlich dafür soll vor allem die Position der Bundesregierung sein.

Die Bundesregierung gerät wegen ihrer Ablehnung von Vorschlägen zur geplanten Reform des EU-Asylsystems zunehmend unter Druck europäischer Partner. Die Position Berlins sei maßgeblich dafür verantwortlich, dass notwendige Verhandlungen mit dem Europaparlament derzeit blockiert seien, sagten mehrere Diplomaten und EU-Beamte der Deutschen Presse-Agentur vor einem Innenministertreffen an diesem Donnerstag.

Wenn es eine Chance geben solle, die Asylreform noch vor der Europawahl zu beschließen, müsse sich die Bundesregierung bewegen und dem Vorschlag für die sogenannte Krisenverordnung zustimmen. Unter Druck geraten damit vor allem die deutschen Grünen. Sie gelten als entscheidend für die bislang unnachgiebige Positionierung der Bundesregierung.

Bundesregierung gegen Krisenverordnung

In dem Streit geht es konkret darum, dass die Regierung aus SPD, Grünen und FDP im Juli einen Vorschlag der spanischen EU-Ratspräsidentschaft für die Krisenverordnung nicht unterstützen wollte. Die EU-Staaten konnten sich deshalb nicht für Verhandlungen mit dem Europaparlament positionieren.

Berlin begründete dies in Brüssel insbesondere damit, dass EU-Staaten über die Verordnung die Möglichkeit bekämen, die Schutzstandards für diese Menschen in inakzeptabler Weise abzusenken, wenn besonders viele Migranten auf einmal in der EU ankommen.

So soll etwa in Krisensituationen der Zeitraum verlängert werden können, in dem Menschen unter haftähnlichen Bedingungen festgehalten werden können. Zudem könnte der Kreis der Menschen vergrößert werden, der für die geplanten strengen Grenzverfahren infrage kommt.

Verhandlungen auf Eis gelegt

Aus Ärger über den Stillstand kündigte das Europaparlament in der vergangenen Woche an, andere Teile der Verhandlungen über die geplante Asylreform bis auf Weiteres zu blockieren. Brisant sind die Verzögerungen vor allem wegen der nahenden Europawahl im Juni 2024. Projekte, die bis dahin nicht mit den Regierungen der Mitgliedstaaten ausgehandelt sind, könnten anschließend wieder infrage gestellt werden und sich lange verzögern.

Im Fall der geplanten Reform des Asylsystems wäre dies ein besonders großer Rückschlag. An dem Projekt wird bereits seit Jahren gearbeitet. Es soll auch dazu beitragen, die irreguläre Migration zu begrenzen und dürfte deswegen auch bei anstehenden Wahlen in den Mitgliedstaaten und der Europawahl eine Rolle spielen. Vor allem rechte Parteien wie die AfD werfen der EU seit Langem Versagen im Kampf gegen irreguläre Migration vor.

Asyl-Paket droht zu platzen

Eine schnelle Einigung in dem Streit ist nicht in Sicht. Ein Diplomat sagte der dpa, südliche EU-Staaten hätten andere Teile der geplanten Reform nur akzeptiert, weil sie sich sicher gewesen seien, im Gegenzug in Krisensituationen mehr Flexibilität zu bekommen. Wenn dies nun infrage gestellt werde, könne das ganze Paket platzen.

Zu diesem gehört neben den Regeln für Krisensituationen, dass Erstaufnahmestaaten Asylanträge von Geflüchteten aus Herkunftsländern mit einer Anerkennungsquote von weniger als 20 Prozent in Zukunft innerhalb von zwölf Wochen prüfen sollen. In dieser Zeit will man die Schutzsuchenden verpflichten, in streng kontrollierten Aufnahmeeinrichtungen zu bleiben. Wer keine Chance auf Asyl hat, soll umgehend zurückgeschickt werden.

Politisches Kalkül vor Landtagswahlen?

Unverständnis über die deutsche Positionierung gibt es insbesondere, weil die Standardregeln dem aktuellen Vorschlag zufolge gar nicht automatisch, sondern erst nach Zustimmung des Rates der Mitgliedstaaten und unter strenger Aufsicht der EU-Kommission aufgeweicht werden dürften. Es blieben demnach auch in einer Krisensituation noch etliche Kontrollmöglichkeiten, um Missbrauch zu verhindern.

Als mögliches politisches Manöver vor den Landtagswahlen in Bayern und Hessen wird deswegen auch gesehen, dass die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock die Haltung der Bundesregierung am Wochenende überraschenderweise nicht mehr mit Menschenrechtsbedenken, sondern damit erklärte, dass so noch mehr Geflüchtete nach Deutschland kommen könnten.

So hatte die Grünen-Politikerin am Wochenende ohne Erklärungen im Kurznachrichtendienst X (vormals Twitter) geschrieben: "Statt geordneter Verfahren würde insbesondere das große Ermessen, das die aktuelle Krisenverordnung für den Krisenfall einräumt, de facto wieder Anreize für eine Weiterleitung großer Zahlen unregistrierter Flüchtlinge nach Deutschland setzen."

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Zudem kritisierte sie, eine zusätzliche Krisenverordnung "nachzuschieben", drohe neue geordnete Verfahren "durch die Hintertür" kaputt zu machen – obwohl der grundlegende Vorschlag der EU-Kommission dazu bereits seit September 2020 auf dem Tisch liegt.

Öffentliche Kritik an Bundesregierung zu erwarten?

Mit Spannung wird nun erwartet, ob der Unmut über die Bundesregierung beim Innenministertreffen auch vor laufenden Kameras geäußert wird und ob dies dann möglicherweise zu neuen Diskussionen innerhalb der Koalition führt. Dagegen spricht, dass die Grünen schon mit den im Juni vereinbarten Plänen für eine Verschärfung der regulären Asylverfahren Dinge akzeptierten, die sie eigentlich nicht akzeptieren wollten und es im Anschluss heftige parteiinterne Diskussionen über die Zustimmung gab.

Für Deutschland wird zu den EU-Beratungen in Brüssel Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) erwartet, die derzeit auch Spitzenkandidatin für die hessische SPD bei der Landtagswahl am 8. Oktober ist. Sie hat sich öffentlich bislang nicht zu möglichen Kompromissen geäußert.

Der CSU-Europapolitiker und Chef der christdemokratischen europäischen Parteienfamilie, Manfred Weber, übte daran zuletzt scharfe Kritik. "Ich frage mich, ob die Bundesregierung den Ernst der Lage erkannt hat und die EU-Asylreform wirklich will", sagte er jüngst dem "Tagesspiegel".

Die vielleicht einzige gesichtswahrende Lösung für die Bundesregierung wäre es, wenn die spanische EU-Ratspräsidentschaft doch noch ohne Deutschland die notwendige qualifizierte Mehrheit für die Krisenverordnung organisieren könnte. Dass dies gelingt, galt zuletzt allerdings als äußerst unwahrscheinlich, weil die anderen Gegner den spanischen Vorschlag für zu schwach halten und sich noch für den Fall, dass viele Migranten nach Europa kommen, mehr Freiheiten wünschen würden. Dazu gehören Polen, Ungarn, Österreich und Tschechien.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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