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Taurus-Abhörskandal: Olaf Scholz gerät immer mehr unter Druck


"Unfassbare Fahrlässigkeit"
Scholz in Abhöraffäre unter Druck – So reagiert das Ausland

Von t-online, cc

Aktualisiert am 04.03.2024Lesedauer: 5 Min.
Die Union fordert, dass der Kanzler sich vor dem Bundestag erklären muss: Olaf Scholz.Vergrößern des BildesDie Union fordert, dass der Kanzler sich vor dem Bundestag erklären muss: Olaf Scholz. (Quelle: Michael Kappeler)
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38 Minuten dauert das Gespräch, das die Bundesregierung blamiert. Darin diskutieren Bundeswehroffiziere Militärgeheimnisse. Nun steht auch der Kanzler in der Kritik.

Der in Russland veröffentlichte Mitschnitt ranghoher deutscher Luftwaffenoffiziere zum Thema Taurus-Lieferung sorgt nicht nur hierzulande für Entsetzen. Auch international ist das Erstaunen groß, dass sich die Regierung unter Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) derart von dem autoritären Regime Wladimir Putins vorführen lässt.

Von "Katastrophe" spricht die ARD, von einer "Riesen-Blamage" die Nachrichtenagentur AFP, und die Neue Zürcher Zeitung nennt die Abhöraffäre einen "politischen Skandal" und einen "Tiefpunkt" der Regierung Scholz.

Das Schweizer Blatt wirft den abgehörten Bundeswehrsoldaten zudem "unfassbare Fahrlässigkeit" vor und mutmaßt, dass Russland über noch viel mehr solcher kompromittierender Mitschnitte verfügen könnte.

Der FDP-Innenexperte Konstantin Kuhle sagte dem "Spiegel": Sollte sich bewahrheiten, dass die interne Kommunikation der Bundeswehr kompromittiert wurde, "bedarf es einer Generalrevision der gesamten internen Infrastruktur zur internen Kommunikation sicherheitsrelevanter Stellen in Deutschland".

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CSU: "Kanzler muss sich erklären"

Die Opposition fordert bereits einen Untersuchungsausschuss in der Sache. Der Chef der CSU-Bundestagsabgeordneten, Alexander Dobrindt, sagte dem "Spiegel", der Kanzler begründe seine Ablehnung von Taurus-Lieferungen "möglicherweise mit einer Falschdarstellung". Er forderte: "Der Bundeskanzler muss sich dafür vor dem Bundestag erklären."

Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen konstatierte einen schweren Schaden für Scholz persönlich: Es stelle sich die Frage, "warum der russische Geheimdienst und vielleicht sogar eine höhere Stelle durch die Veröffentlichung des Gesprächs den Bundeskanzler gerade jetzt so massiv beschädigt", sagte Röttgen dem "Tagesspiegel".

Ralf Stegner (SPD) wies die Forderung nach einem Untersuchungsausschuss umgehend zurück. Er halte das für nicht angemessen. "Die Forderung ist Oppositions-Klein-Klein", sagte Scholz' Parteifreund dem "Tagesspiegel". Gleichwohl kritisierte er die Bundeswehroffiziere dafür, dass sie in einem nicht geschützten Medium über einen möglichen Taurus-Einsatz "leichtfertig dahergeplappert" hätten.

Pistorius: "Dürfen Putin nicht auf den Leim gehen"

Dass es sich bei dem Lauschangriff womöglich nicht um einen Einzelfall handelt, diese Befürchtung teilt auch der deutsche Kontingentführer bei der Nato-Luftraumüberwachung im Baltikum, Swen Jacob. Er sagte der Nachrichtenagentur dpa, dass sich die Soldaten ohnehin schon auf einen russischen Lauschangriff einstellen.

"Wir müssen gerade hier vor Ort im Baltikum, wo die Russen so nah sind, davon ausgehen, dass wir abgehört werden. Wir wissen auch, dass wir abgehört werden." Vor Ort habe man daher erhöhte technische Maßnahmen getroffen, um solche Attacken zu verhindern. "Wir haben nach unserem Ermessen schon das Maximum gemacht, was wir tun können. Aber es zeigt eben auch: Der Russe hört mit."

Dass "der Russe mithört", wie Jacob es nennt, ist in einer solchen Situation prekär, wo Deutschland und Europa intensiv über eine verstärkte militärische Unterstützung der Ukraine diskutieren, um dem russischen Aggressor zu widerstehen.

Das sieht offenbar auch der Verteidigungsminister so. "Es handelt sich um einen hybriden Angriff zur Desinformation, es geht um Spaltung, es geht darum, unsere Geschlossenheit zu untergraben", sagte Boris Pistorius. "Wir dürfen Putin nicht auf den Leim gehen."

Was für die Zerstörung der Krim-Brücke notwendig wäre

Während der Bundeskanzler von einer "sehr ernsten Angelegenheit" spricht, schlachten russische Medien und Propagandisten das Thema möglicher Taurus-Lieferungen an die Ukraine seit Tagen weidlich aus. Sie werfen Deutschland vor, einen Krieg gegen Russland vorzubereiten. Das Gespräch belege die "Planungen von Kampfhandlungen gegen Russland, einschließlich der Zerstörung der zivilen Infrastruktur", schimpfte die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa. "Wir fordern von Deutschland Erklärungen."

Es handelt sich bei dem 38 Minuten langen Leak um ein Vorbereitungsgespräch von vier Bundeswehroffizieren für ein Briefing für Verteidigungsminister Pistorius, wohl im Februar. Auf dem Audiomitschnitt ist zunächst eine lockere Plauderei zu hören, einer der Beteiligten erklärt, gerade in Singapur zu sein. Er schwärmt von der Aussicht vom Hotelzimmer. "Ich schicke dir vielleicht später mal ein Foto. Das ist schon mega."

Aber es geht dann auch um militärisch sensible Informationen. Einer der Beteiligten – wohl Luftwaffeninspekteur Gerhartz – erklärt, er könne sich vorstellen, dass in einer ersten Tranche 50 und dann noch einmal 50 Flugkörper geliefert würden, was aber das Geschehen des Krieges nicht ändern würde. Diskutiert wird die Frage, wie viele Flugkörper für die Zerstörung der Krim-Brücke nötig wären.

Wie sorglos agieren die deutschen Behörden?

Der Abhörskandal entlarvt nach Meinung vieler Sicherheitsexperten die Sorglosigkeit, mit der bei deutschen Behörden gearbeitet wird. Offenbar hätten Teile der Bundeswehr "immer noch nicht verstanden, dass eine Tankfüllung von Berlin entfernt ein Krieg tobt", schreibt die "NZZ".

Das habe auch Auswirkungen auf die Zusammenarbeit zwischen den Geheimdiensten, wie ein Insider gegenüber der "Bild"-Zeitung sagt: "Wir werden in der Welt der Nachrichtendienste als zweitrangig angesehen und auch so behandelt: Wir sind nicht erste Liga." Demnach würden westliche Geheimdienste wie CIA oder der britische MI5 die deutschen Partner immer seltener mit vertraulichen Informationen versorgen, aus Angst, dass diese an die Öffentlichkeit geraten könnten.

Als Kanzler Scholz seine Ablehnung der Taurus-Lieferung vergangene Woche auch damit begründete, dass man anders als etwa Briten oder Franzosen zur Zielsteuerung der Waffen keine eigenen Soldaten in die Ukraine schicken wolle, löste der Sozialdemokrat fast eine diplomatische Krise aus.

Die Briten bestritten, mit eigenen Soldaten vor Ort zu sein, sie warfen Scholz vor, das westliche Verteidigungsbündnis mit solchen Indiskretionen zu beschädigen. Der britische Ex-Verteidigungsminister Ben Wallace sagte gegenüber britischen Medien, Scholz sei "der falsche Mann im falschen Job zur falschen Zeit". Und Unionsfraktionsvize Johann Wadepuhl fragt in einem Gastbeitrag für t-online: "Weiß der Bundeskanzler, welchen Schaden er in dieser Woche für die nationale Sicherheit und die europäische Zusammenarbeit angerichtet hat?".

CDU: "Bundeskanzler muss sich erklären"

Dass das nun geleakte Gespräch eine Sicherheitslücke deutscher Behörden entlarvt, sieht auch die Wehrbeauftragte Eva Högl so. Die SPD-Politikerin fordert sofortige Maßnahmen. "Erstens müssen umgehend alle Verantwortlichen auf allen Ebenen der Bundeswehr umfassend zu geschützter Kommunikation geschult werden", sagte sie den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Zweitens müsse sichere und geheime Kommunikation stabil gewährleistet sein. Drittens forderte Högl, mehr in die Spionageabwehr zu investieren und den Militärischen Abschirmdienst (MAD) dafür zu ertüchtigen.

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CDU-Verteidigungspolitiker Roderich Kiesewetter wurde gegenüber t-online noch deutlicher. "Es werden sicher noch etliche andere Gespräche abgehört worden sein und gegebenenfalls zu späteren Zeitpunkten im Sinne Russlands geleakt werden".

Falls das zuträfe, könnte das Regime von Wladimir Putin noch mehr kompromittierendes Material besitzen, um die Bundesregierung von Olaf Scholz in wichtigen Entscheidungen unter Druck zu setzen. Ähnlich sieht das auch die FDP-Außenpolitikerin Agnes Strack-Zimmermann: "Nachdem der Kanzler die Lieferung des Marschflugkörpers erneut ausgeschlossen hat, die Gründe für seine Ablehnung aber binnen 24 Stunden von Fachleuten widerlegt worden sind, möchte man ihn offensichtlich davon abschrecken, doch noch grünes Licht zu geben, denn Russland fürchtet den Taurus, eben weil er so wirksam ist."

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