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Spionage für China: Muss die Bundesregierung ihre Politik ändern?


Habeck zu Spionage-Vorwürfen
"Die Lage ist ernst"


23.04.2024Lesedauer: 4 Min.
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Robert Habeck: Der Vizekanzler mahnt zur Wachsamkeit. (Quelle: IMAGO/Jens Schicke/imago)

Die Behörden haben in kurzer Zeit mehrere mutmaßliche chinesische Spione festgenommen. Muss die Bundesregierung jetzt ihre Chinapolitik ändern?

Die Polizei kam in der Nacht zum Dienstag, durchsuchte seine Wohnung und nahm ihn fest: Jian G. soll für China spioniert haben. Der Generalbundesanwalt wirft ihm vor, Chinas Geheimdienst von Verhandlungen und Entscheidungen im Europaparlament berichtet zu haben. Auch die chinesische Opposition in Deutschland soll er ausgeforscht haben.

Jian G. ist nicht irgendjemand, sondern der Assistent von AfD-Spitzenkandidat Maximilian Krah. t-online hatte schon im Oktober exklusiv über die China-Verbindungen berichtet. Das macht den Fall politisch brisant. "Die AfD ist ein Sicherheitsrisiko für dieses Land", sagte die Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge am Dienstag im Bundestag.

Doch das Problem chinesischer Spionage ist größer als die AfD, auch das zeigt sich in diesen Tagen. Schon am Montag lässt der Generalbundesanwalt drei andere mutmaßliche Spione festnehmen. Sie sollen Informationen über Militärtechnik für den chinesischen Geheimdienst MSS beschafft haben. Und zwar mindestens seit Juni 2022.

Einmal mehr stellt sich deshalb die Frage: Ist Deutschland zu naiv wenn es um China geht?

Vizekanzler Habeck warnt

"Die Lage ist ernst", sagte Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) t-online. "Die Welt ist nicht nur freundlich zu Deutschland." Die Vorfälle müssten schnell aufgeklärt werden. Es sei gut und richtig, dass die Ermittlungsbehörden entschlossen handelten. "Die Ermittlungen zeigen, dass wir wachsam sein müssen. Deutschland und unsere Wirtschaft stehen im Fokus."

Doch ist die Bundesregierung wachsam genug? Die Opposition bezweifelt das. "Scholz' Führungslosigkeit und die Widersprüche der Ampel schwächen uns", kritisierte Unionsfraktionsvize Jens Spahn. "Die nationale Sicherheit und Souveränität muss neben unserer Wettbewerbsfähigkeit im Zentrum der China-Strategie stehen", sagte er t-online. "Die Ampel muss hier endlich zu einer einheitlichen Linie finden."

Auf dem Papier hat die Ampel diese gemeinsame Linie. Im vergangenen Juli sortierte sie ihre Beziehungen neu. In der damals beschlossenen China-Strategie wird das Land als "Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale" zugleich bezeichnet. Nur wann gilt was? Und was bedeutet das für die praktische Politik?

Darüber streitet die Ampel regelmäßig, wenn es konkret wird. Beim Einstieg des chinesischen Staatskonzerns Cosco am Hamburger Hafen waren sich Wirtschaftsministerium und Kanzleramt nicht einig. Beim deutschen 5G-Mobilfunknetz hält es das Innenministerium für bedenklich, wenn Bauteile chinesischer Hersteller wie Huawei oder ZTE verbaut sind – das Digitalministerium bislang nicht.

Grüne fordern Konsequenzen

Die Grünen wollen deshalb jetzt Konsequenzen ziehen. "Wir müssen endlich jegliche Naivität im Umgang mit China ablegen", sagte Grünen-Bundestagsabgeordnete Jamila Schäfer t-online. "Das gilt auch für Wirtschaftskooperationen und den Schutz kritischer Infrastruktur, wie zum Beispiel Häfen."

Auch Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge sieht Nachholbedarf. "In unserer Infrastruktur brauchen wir eine stärkere Risikoabwägung", sagte sie am Dienstag im Bundestag. "Das heißt zum Beispiel mit Blick auf unsere 5G-Netze, dass keine chinesischen Komponenten verbaut sein sollten." Auch bei den Häfen sei es "wichtig, den Einfluss von China zu minimieren", sagte Dröge und forderte: "Die Innenministerin sollte endlich das sogenannte Kritis-Dachgesetz vorlegen." Ein Gesetz zum besseren Schutz kritischer Infrastruktur.

Grünen-Chef Omid Nouripour sieht noch weitere Lücken. "Wir müssen einerseits die Spionage-Abwehr in den Nachrichtendiensten stärken", sagte Nouripour t-online. "Dazu zählt, dass wir auch über die Instrumente sprechen – die Verfassungsschutzbehörden müssen zum Beispiel Finanzflüsse besser nachvollziehen können." Andererseits "müssen wir unsere Resilienz stärken, vorsorgen und Abhängigkeiten verringern".

Auch die SPD fordert Verbesserungen bei den Sicherheitsbehörden. "Chinesische Spionage in Deutschland muss konsequent verfolgt werden", sagte der außenpolitische Sprecher der SPD, Nils Schmid, t-online. "Dazu muss die China-Kompetenz unserer Sicherheitsdienste dringend gestärkt werden; dies sollte auch die bessere Bezahlung von chinesischsprachigen Experten einschließen." Der BND weise seit Jahren darauf hin, "dass Spionage aus China die größte Bedrohung für Deutschlands Sicherheit darstellt".

Scholz und seine "Wohlfühlreise nach China"

Pikant sind die Festnahmen für die Bundesregierung noch aus einem weiteren Grund. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) war vor einigen Tagen von einer China-Reise zurückgekehrt, bei der er aus Sicht der Opposition und von Beobachtern eher wenig kritisch aufgetreten war.

"Die Festnahmen der mutmaßlichen Spione sind jetzt ein Denkzettel und hoffentlich ein schnelles Wachrütteln für Scholz nach seiner selbstgewählten Wohlfühlreise nach China", sagte CDU-Außenpolitiker Johann Wadephul t-online. Die Bundesregierung und allen voran der Bundeskanzler müssten "ihr Handeln an der in vielen Teilen richtigen China-Strategie ausrichten", forderte er.

"Scholz hat bei seinem jüngsten Besuch in China genau das Gegenteil getan", kritisierte Wadephul. Er habe ein "business as usual" insinuiert und in keiner Weise zum Ausdruck gebracht, dass China in den vergangenen Jahren immer aggressiver geworden sei, nach außen und nach innen. Deutschland müsse die Gefahren "sehr viel ernster nehmen und unsere Sicherheitsmaßnahmen deutlich verstärken".

Die Grünen sehen dabei auch die Wirtschaft in der Pflicht. Fraktionschefin Katharina Dröge sagte, die Reise des Kanzlers habe einen starken Wirtschaftsschwerpunkt gehabt. "Aus meiner Sicht wäre es sinnvoller gewesen, das Ganze etwas breiter aufzustellen, weil die deutsche Wirtschaft noch nicht flächendeckend die Schlussfolgerung aus der Russland-Krise gezogen hat, dass wir die Abhängigkeiten zu China reduzieren müssen." Es brauche "eine gemeinsame, klarere Haltung auch in der Bundesregierung, das mit der deutschen Wirtschaft so zu besprechen".

Man müsse zu einer "größeren Härte in Kombination mit Diplomatie kommen", forderte Dröge. "Weil das die einzige Sprache ist, die China versteht."

Verwendete Quellen
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