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Auf Reise im Seehofer-Land: G20-Krawalle machen Schulz zu schaffen


G20-Krawalle machen Martin Schulz zu schaffen

Von dpa, pdi

10.07.2017Lesedauer: 4 Min.
Martin Schulz spricht in Köching (Bayern) auf dem Marktplatz mit Bürgern.Vergrößern des BildesMartin Schulz spricht in Köching (Bayern) auf dem Marktplatz mit Bürgern. (Quelle: Kay Nietfeld/dpa-bilder)
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Erst Audi, dann Feuerwehrfest mit Leberkäs: Martin Schulz ist auf Ochsentour in Bayern, um die Genossen im CSU-Stammland trotz mieser Umfragewerte für die Bundestagswahl zu motivieren. Die Hamburger G20-Krawallbilder bereiten der SPD aber Kopfzerbrechen.

Martin Schulz ist unterwegs nach Bayern. Früh morgens geht es von Würselen aus fast 600 Kilometer über die Autobahn. Auftakt der einwöchigen Sommerreise des SPD-Kanzlerkandidaten. Sie wird ihn in den Freistaat, nach Nordrhein-Westfalen und Hamburg führen. Im Autoradio gibt es keine angenehmen Nachrichten für die Genossen. Olaf Scholz, Hamburgs Bürgermeister und Reserve-Parteichef, ist nach den G20-Krawallen schwer unter Druck. Die ganze SPD ist nervös. Bei der inneren Sicherheit tut sie sich immer schwer gegen die Union.

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Schulz' Fahrer legt an einer Raststätte eine Pause ein. Vor einer Burger-King-Filiale kommt ein älterer Herr im weißen Hemd auf Schulz zu. "Kennen Sie mich?", fragt er den SPD-Chef. Der antwortet nach eigener Erzählung: "Nee." Auflösung: Vor Schulz steht Armin Hary. Der Sprinter holte zweimal Olympia-Gold, lief als Erster 1958 die 100 Meter in handgestoppten 10,0 Sekunden. Hary war ein Idol des jungen Martin Schulz. Ist das ein gutes Omen, zehn Wochen vor der Bundestagswahl? Schulz und seine SPD müssten dringend einen Sprint hinlegen. Merkel und die Union sehen in den Umfragen schon wie die sicheren Sieger aus.

Aber die Gewaltexzesse von Hamburg haben es wieder gezeigt: Ein Ereignis, brennende Autos und geplünderte Supermärkte - und nichts ist mehr wie vorher. Das bekommt Scholz zu spüren. Er gilt als Klassenbester in der SPD. Top-Arbeitsminister bis 2009, Chefverhandler der GroKo 2013, kluger Bund-Länder-Manager, beliebter Regierungschef an der Elbe. Scholz' übermütige Parole im Vorfeld, der G20-Gipfel mitten in der City werde so kuschelig wie der jährliche Hafengeburtstag, kratzt nun an seinem Image als kühler Stratege.

In Seehofer-Town

Schulz ist mittlerweile in Ingolstadt eingetroffen. Audi-Town ist Seehofer-Town. Der Ministerpräsident und CSU-Chef wohnt am Stadtrand. In Ingolstadt gab es bei der Bundestagswahl 2013 ein klares Stimmungsbild. CSU 55 Prozent, SPD 17 Prozent. Schulz schaut in den Werkshallen den Robotern zu, wie die an den neuesten Audi-Modellen herumschrauben. Der Parteichef gibt dem in Verruf geratenen Diesel noch ein paar Jahre (was die Audi-Mitarbeiter gerne hören), dann nutzt er die Gelegenheit, um für Scholz zu kämpfen. Die Schuldzuweisungen seien "dumm". Die Krawalle würden parteipolitisch ausgeschlachtet. Dabei hätten schlicht Gewalttäter eine ganze Stadt in Geiselhaft genommen: "Das hat Züge von Terrorismus."

Die SPD-Spitze ist mit knallharten Vokabeln unterwegs, fordert eine EU-Datenbank zu Extremisten, überbietet sich mit Vorschlägen, um bei der inneren Sicherheit ja nicht in die Defensive zu geraten. Seit Otto Schily gab es keinen prominenten Sozialdemokraten mehr, der bei Law and Order den schwarzen Sheriffs von CDU und CSU auf Augenhöhe begegnete. Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius soll der neue Schily werden. Das geht nicht über Nacht.

"Der Gerd, wunderbar!"

Empört ist Schulz, wie Unionspolitiker aus der zweiten und dritten Reihe versuchten, die Krawallos von Hamburg links und damit in angeblicher Nähe zur SPD zu verorten. Das sei weit unter der Gürtellinie. Zur Beruhigung von Schulz trägt dann bei, als Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) Scholz verteidigt. Die CDU weiß, auch an Merkel werden die hässlichen G20-Bilder kleben bleiben.

Nach Audi geht es für Schulz nach Kösching. Das kleine Nest im Landkreis Eichstätt sei eine "rote Insel im schwarzen (CSU-)Meer", sagt er. Denn in Kösching, wo einst der bekannte Kommunist Richard Scheringer agitierte, führt eine resolute SPD-Bürgermeisterin die Amtsgeschäfte. Schulz soll sich ins Goldene Buch eintragen. Er blättert versonnen die Seiten um, findet einen Eintrag vom 9. August 2005. "Der Gerd, wunderbar!" Schröder war sogar zweimal in Kösching. 1993 hinterließ er den Spruch: "Bayern ist zu schön, um schwarz zu bleiben."

Schulz wählt eine andere Ansprache. Er dankt den Bürgern, die nicht nur im Job schuften, sondern nebenbei ehrenamtlich bei Feuerwehr, Sportverein und Flüchtlingshilfe aktiv sind. "Das sind diejenigen, die den Laden in unserem Land am Laufen halten." Sie hätten Würde und Respekt verdient. Schulz will also da wieder hin, wo es Ende Januar für ihn losging. Der Ex-Bürgermeister aus Würselen als Kleine-Leute-Versteher, der Emotionen weckt. Dagegen die Kanzlerin, die sich aus SPD-Sicht den Niederungen der Innenpolitik verweigert und präsidial ihren vierten Wahlsieg einfahren will. In Hamburg jedenfalls ist Merkels Rechnung kaum aufgegangen.

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Aber kann Schulz, der viele rot-grüne Sympathisanten enttäuscht hat, die Zeit zurückdrehen, noch einmal an den Hype aus dem Frühjahr anknüpfen? Die SPD erträgt den Sturz in den Umfragen überraschend stoisch, die Parteiflügel halten still. Gelingt es dem 61-Jährigen, große Teile der Partei im Endspurt gegen Nato-Aufrüstung und gegen die AfD auf die Straße zu bekommen, könnte er vielleicht doch noch gegen alle Trends seinem früheren Idol Armin Hary nacheifern - von 0 auf 100 in zehn Wochen?

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