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Merkel vs. Schulz - TV-Duell 2017: Einigkeit, Recht und weiter so


TV-Duell Merkel/Schulz
Einigkeit und Recht und weiter so

MeinungEin Kommentar von Florian Harms

Aktualisiert am 04.09.2017Lesedauer: 3 Min.
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Bundeskanzlerin Angela Merkel und SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz haben im TV-Duell mehr Gemeinsamkeiten als Gegensätze aufgezeigt.Vergrößern des Bildes
Bundeskanzlerin Angela Merkel und SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz haben im TV-Duell mehr Gemeinsamkeiten als Gegensätze aufgezeigt. (Quelle: Herby Sachs/ARD-Pool/dpa-bilder)

Kanzlerin Merkel und ihr Herausforderer Martin Schulz zelebrieren beim sogenannten TV-Duell die Große Koalition. Interessant? Ja. Kontrovers? Nein.

Nein, das war keine schlechte TV-Debatte. Die Moderatoren stellten kluge Fragen, ohne sich selbst in den Vordergrund zu drängen; die beiden Kontrahenten argumentierten sachlich, verständlich und kompetent. Das im Vorfeld umstrittene starre Prozedere tat der Debatte gut. Ja, das war ein interessanter politischer Fernsehabend, nach dem sich die Frage stellt: Warum gibt es so was nicht öfter statt all der Durcheinanderrederei und dem Parolengeblöke in vielen Talkshows?

Aber hat diese Debatte auch ihren Zweck erfüllt, das Profil der beiden Spitzenkandidaten geschärft, klare Gegensätze aufgezeigt? Kaum. Denn Angela Merkel (CDU) und Martin Schulz (SPD) demonstrierten in der gut anderthalbstündigen Diskussion über weite Strecken vor allem eines: Einigkeit.

Die Kanzlerin machte dem „streitbaren Koalitionspartner“ SPD vor laufender Kamera Komplimente und begann Sätze wie „Herr Schulz hat mit Recht darauf hingewiesen…“ Der wiederum flötete zurück „Da sind wir uns ja einig“ und sagte tatsächlich auch den Satz: „Frau Merkel, das finde ich gut.“ So spricht man nicht über einen politischen Gegner, den man im Kanzleramt ablösen beziehungsweise dessen Einzug in dasselbe man unbedingt verhindern will. So spricht man über einen Partner, mit dem man auch nach der Wahl weiterregieren möchte. Stellenweise wirkte es so, als stünden da eine Kanzlerin und ihr künftiger Außenminister.

Schon zu Beginn war es dem ehemaligen EU-Strippenzieher Schulz anzusehen, wie unwohl er sich in der Rolle des attackierenden Herausforderers fühlt. Während die Kanzlerin beim ersten Thema Migration ruhig, staatstragend-souverän und ein bisschen langweilig dozieren durfte, stockte Schulz häufig mitten im Redefluss, verlor sich in Details und reagierte auch noch patzig, als ihn Maybrit Illner bat, sich für die Fragen der Moderatoren nicht ständig zu bedanken. Bezeichnend, dass der Herausforderer es nicht schaffte, bei diesem Thema, das Merkels Kanzlerschaft wie kein anderes gefährdet hat, zu punkten. Die Runde ging klar an sie.

Und das, obwohl auch Merkel kein langfristiges Konzept für die Migrationspolitik hat. Um drei Prozent wächst die Bevölkerung Afrikas jedes Jahr, bis 2050 wird sie sich auf mehr als zwei Milliarden verdoppelt haben. Da der Klimawandel die Lebensgrundlagen in vielen Regionen zerstören dürfte, ist laut Entwicklungshilfeministerium mit 100 Millionen Menschen zu rechnen, die sich auf den Weg nach Europa machen. Dagegen wird die „Flüchtlingskrise“ 2015 ein laues Lüftchen sein, und der von Merkel propagierte „Marshall-Plan für Afrika“ ist bisher kaum mehr als PR. Aber Schulz nutzte diese offene Flanke der „Flüchtlingskanzlerin“ nicht aus.

Es dauerte tatsächlich eine halbe Stunde, (eine halbe Fernsehewigkeit), bis er endlich klare Kante zeigte: Die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei würde er abbrechen, weil dieser Erdogan eben nur klare Ansagen verstehe. Trotzdem konnte auch Merkel punkten, als sie ihre Taktik im Umgang mit dem Autokraten erklärte: Um den 12 in der Türkei inhaftierten Deutschen zu helfen, brauche es eben vor allem eines: Diplomatie.

So ging das hin und so ging das her, Merkel gab die unerschütterliche Weltenlenkerin, Schulz mühte sich ab, aber als schließlich das Thema soziale Gerechtigkeit aufgerufen wurde, war man als Zuschauer bereits so eingelullt, dass die Positionen und Meinungen fast zu verschwimmen schienen. Das mag in einer TV-Debatte noch zu verkraften sein, würde das Problem nicht tiefer reichen: Die beiden größten politischen Parteien des Landes haben sich offenkundig entschieden, ihre politischen Konzepte auf kurze Sicht zu planen. Diesen Eindruck hinterließen Merkel und Schulz, und diesen Geist strahlen auch die Wahlprogramme von Union und SPD aus. Die SPD will ganz viel auf einmal: ein neues Bildungssystem, ein neues Gesundheitssystem und ganz viel Zukunft. Zwischen zahllosen Forderungen scheint die Partei das Gespür für die Stimmung im Land verloren zu haben und damit auch einen klaren Fokus auf ein, zwei Kernbotschaften, die sich jeder Wähler merken könnte.

Merkels Union dagegen hat eine Kernbotschaft, und deshalb wird sie am 24. September wohl jubeln dürfen. Diese Botschaft versteht jeder, der der Kanzlerin auch nur fünf Minuten zuhört oder sich die Mühe macht, das Wahlprogramm zu lesen: weitermachen wie bisher. Ein paar tausend Polizisten mehr hier, etwas weniger Steuern dort, aber ansonsten setzt die Kanzlerinnenpartei auf das bewährte Hypnosekonzept: einlullen, am besten so wenig wahlkämpfen wie möglich und dem Gegner damit die Angriffsflächen verweigern.

Am Sonntagabend hat das bestens funktioniert. Gut für die Kanzlerin, schade für das Land.

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