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Grünen-Parteitag in Berlin: Sie haben sich lieb, aber keinen Plan


Parteitag der Grünen
Sie haben sich lieb, aber keinen Plan

t-online, Jonas Schaible

Aktualisiert am 26.11.2017Lesedauer: 4 Min.
Özdemir, Göring-Eckardt auf dem Parteitag: Harmonie statt Streit.Vergrößern des BildesÖzdemir, Göring-Eckardt auf dem Parteitag: Harmonie statt Streit. (Quelle: Kay Nietfeld/dpa)
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Liebe statt Streit: Die Grünen feiern sich trotz der gescheiterten Jamaika-Sondierungen. Ihre Zukunft hängt an anderen.

Dass die Gespräche zu nichts führten? Dass Deutschland keine Regierung hat und die Grünen statt Regierungspartei nun womöglich kleinste Oppositionsfraktion werden? Egal. Für den Moment jedenfalls.

Am Ende der Danksagung gibt es Geschenkkörbe und ein Gruppenfoto, "weil wir am Ende der Sondierungen so beschissen aussahen", sagt Katrin Göring-Eckardt, die Spitzenkandidatin. Jetzt ist auch das besser. Hinter der Gruppe prangt da ein großes Transparent, darauf eine Baumkrone, eine Sonnenblume und der Spruch: "Zukunft ist, was wir draus machen."

An diesem Parteitag wird aber klar: So ganz richtig ist das nicht. Jedenfalls nicht für die Partei.

Geplant war etwas ganz anderes

Eigentlich hatte dieser Tag viel kontroverser verlaufen sollen und gleichzeitig viel hoffnungsvoller: Die "Wilden 14" hätten ihren Sondierungskompromiss präsentieren und den Delegierten zur Abstimmung übergeben sollen. Nur deshalb gibt es diesen Parteitag überhaupt. Dann hätte es hitzige Debatten gegeben, Streit, Anklage. Die Basis hätte entschieden: Jamaika – ja oder nein? Am Ende: ja. So war es geplant.

Aber weil Christian Lindner seine FDP in die Opposition führte, kam alles anders. Die Grünen wurden vom abrupten Ende der Verhandlungen überrumpelt. Zukunft ist manchmal, was Christian Lindner draus macht.

Was also tun mit dem anberaumten Parteitag? Die Grünen entscheiden sich für Glückwünsche an sich selbst. Zum Beispiel von den Spitzenkandidaten an die anderen Unterhändler, wie die von Katrin Göring-Eckardt an den "herausragendsten" Bundesgeschäftsführer Michael Kellner. Oder von Kellner an die Spitzenkandidaten.

Begeisterter dürften gescheiterte Verhandlungen selten gefeiert worden sein. Sehr viel mehr passiert allerdings nicht.

Der Feind ist gelb

Die Grünen machen also da weiter, wo sie während der Sondierungen aufgehört hatten. Obwohl die Partei Wert darauf legt, die offene Debatte nach Vorbild eines WG-Plenums zu pflegen, obwohl sich Fundis und Realos inhaltlich oft uneins sind, obwohl also vieles für Zank sprach, traten ihre Unterhändler überwiegend einig auf.

Die anderen Parteien trafen auf extrem gut vorbereitete, detailversessene Grüne. Sie trafen nicht auf Störfeuer, inneren Streit, Machtkämpfe.

Einige mahnen auf dem Parteitag vorsichtig, jetzt nicht den Eindruck zu erwecken, der Sondierungskompromiss beschreibe die neue Position der Grünen. Andere weisen darauf hin, wie schwer die Arbeit in der Opposition werde. Canan Bayram, die linke Direktkandidatin aus Friedrichshain-Kreuzberg, übt deutlichere Kritik, bekommt aber vom linken Jürgen Trittin sofort eine scharfe Entgegnung. Kein Flügelstreit also, nur eine kurze Irritation der Außenseiterin Bayram.

Dass es trotz aller Einigkeit nicht für eine Koalition reichte, schieben sie an diesem Samstag auf die FDP. "Christian Lindner ging es um Christian Lindner", sagt Göring-Eckardt. "Wenn Christian Lindner Kompromisse für eine Demütigung hält, dann fehlt es ihm offenbar an der notwendigen Demut vor Dingen, die größer sind als er selber", sagt Özdemir. Und er donnert in die extrem laut eingestellten Lautsprecheranlage, er habe genug von "testosterongesteuerten Alphatierchen": "Wer weiß, wie die Sondierungen ausgegangen wären, wenn die FDP nicht so ein Männerclub gewesen wäre?"

Eine Minderheitsregierung bleibt möglich

Auffallend ist dagegen, wie sanft die Grünen mit der Union umgehen. Der Delegierte Memet Kilic nutzte seine Rede für einen Witz auf Kosten der CSU: "Wie kann ein Zitat auch relevant sein, wenn es von Alexander Dobrindt stammt?". Kein Lachen, nur ganz vereinzelt Applaus. Zu anderen Zeiten hätte allein die Erwähnung des CSU-Ministers für Lacher gesorgt.

Nicht, dass die Grünen jetzt plötzlich Dobrindt-Fans wären. Das nicht. Aber der Gegner ist zur Zeit eindeutig gelb, nicht schwarz. Zumindest mit den Unterhändlern der CDU habe man sich wirklich gut verstanden, ist oft zu hören. Schwarz-Grün, langfristig das einzige aussichtsreiche Zweierbündnis für die Grünen, ist heute wahrscheinlicher als vor den Sondierungen.

Aktuell fehlt dem Bündnis aber die Mehrheit. Nur eine Minderheitsregierung wäre möglich. Die schlossen die Delegierten nicht aus – einen entsprechenden Antrag lehnten sie ab. "Es liegt jetzt überhaupt nicht bei uns, das zu entscheiden", sagte Fraktionschef Anton Hofreiter. Wenn die Union anfragen sollte, heißt das, wird man mit ihr sprechen.

Einen echten Plan für diesen Fall, sagen Teilnehmer, gebe es allerdings nicht. Man glaubt nicht daran. Man setzt darauf, dass die SPD schon in eine Große Koalition gehen werde. Zukunft ist erst einmal, was die SPD draus macht.

Wer führt die Partei?

Schließlich geht es auch um die Frage, wer die Partei künftig führen soll. Cem Özdemir hat in den vergangenen Tagen in Interviews klar gemacht, er werde nicht mehr antreten, wenn demnächst eine neue Spitze gewählt wird – im Januar, sofern dann nicht schon wieder Neuwahlen anstehen. Özdemir nannte als mögliche Kandidaten: den Landwirtschaftsminister aus Schleswig-Holstein Robert Habeck, den Europa-Parlamentarier Sven Giegold und den Bundesgeschäftsführer Michael Kellner.

Auf dem Parteitag dominiert aber die Einschätzung, wenn Robert Habeck wirklich wolle, werde er Özdemirs Nachfolger. Nur ob Habeck will und vor allem zu welchen Bedingungen, das ist so klar nicht.

Zukunft ist also auch, was Robert Habeck draus macht.

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