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Große Koalition: Schulz erwartet Zustimmung von SPD-Basis


Abschluss der Sondierungen
Die Nacht der Entscheidung hat Spuren hinterlassen

Von dpa, rtr, afp, t-online
Aktualisiert am 14.01.2018Lesedauer: 5 Min.
CSU-Chef Seehofer, Kanzlerin Merkel und SPD-Chef Schulz: Die Spitzen der Parteien verhandelten die ganze Nacht über die mögliche Bildung einer Großen Koalition.Vergrößern des BildesCSU-Chef Seehofer, Kanzlerin Merkel und SPD-Chef Schulz: Die Spitzen der Parteien verhandelten die ganze Nacht über die mögliche Bildung einer Großen Koalition. (Quelle: Markus Schreiber/ap-bilder)
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Bis Karneval soll die neue Regierung stehen, sagt Angela Merkel. SPD-Chef Schulz will ins Kabinett. Nur die SPD-Basis muss die Große Koalition noch billigen. Ein Risikofaktor.

Am Freitagnachmittag hat es die Kanzlerin plötzlich eilig. Bis "Fastnacht“ soll die neue Regierung stehen, sagt Angela Merkel. Lange genug hat die Welt auf Deutschlands neue Regierung gewartet. Nun soll es schnell gehen. Am Aschermittwoch ist alles vorbei, zumindest die Koalitionsverhandlungen, wenn es nach dem Willen der Kanzlerin geht.

Die Verhandlungen dauern länger als der Grexit-Gipfel

Es hat ohnehin lange genug gedauert. Erst scheiterten die Gespräche der Union mit Grünen und Liberalen an FDP-Chef Christian Lindner. Dann zierte sich die SPD. Es war eine lange, letzte Sondierungsnacht am Freitag im Willy-Brandt-Haus, der Parteizentrale der SPD. 17 Stunden hatte Merkel einst in Brüssel über Griechenlands Zukunft im Euro verhandelt, 17 Stunden in Minsk mit Wladimir Putin gerungen, um den Frieden in der Ukraine zu sichern. Nun brauchte die Kanzlerin gut 24 Stunden, um die Sondierungen zwischen CDU, CSU und SPD zu einem Erfolg zu führen.

Die lange Nacht der Unterhandlungen hat Spuren hinterlassen. Angela Merkel, Horst Seehofer und Martin Schulz sehen müde und blass aus, als sie am Freitagmittag vor die Presse treten. Sie wolle nach den "intensiven, ernsthaften, sehr tief gehenden" Sondierungen über die Bildung einer "stabilen Regierung" verhandeln, sagt die CDU-Vorsitzende Merkel, räumt aber in ihrer trockenen Art ein: "Es hat einige Stockungen gegeben.“

Stockungen ist gut. CSU-Chef Horst Seehofe hat über das Scheitern von Jamaika sein Amt als bayrischer Ministerpräsident verloren. Nun zeigt er sich "hochzufrieden“. Und auch für SPD-Chef Martin Schulz ging es um mehr als einen Verhandlungserfolg. Der angeschlagene Parteivorsitzende kämpft auch um sein Amt. Er redet länglich und ausführlich, aber wenig substanziell. "Ich glaube, dass wir hervorragende Ergebnisse erzielt haben", sagt Schulz. Immerhin ein Pakt. Der Mann braucht Erfolge. Und so schonen ihn Merkel und Seehofer am Freitag. Am Abend erklärt der SPD-Chef dann seinen Wunsch, in der neuen Regierung ein Ministeramt anzustreben.

"Kontrovers“ habe der Parteivorstand am Freitag über das Sondierungsergebnis verhandelt, heißt es hinterher. Aber schließlich habe er der Aufnahme von Koalitionsgesprächen doch zugestimmt. Selbst Kritiker einer neuerlichen großen Koalition wie die rheinland-pfälzische Regierungschefin Malu Dreyer lenken ein. "Es war richtig, dass wir uns auf diesen Prozess eingelassen haben, Gespräche zu führen", sagt der neue Liebling der Genossen. Es wie so oft SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles, die den richtigen Ton findet. "Wir haben viel für die Bürger unseres Landes herausgeholt", sagt Nahles. Zwar bleibt der Spitzensteuersatz unberührt. Aber in der Krankenversicherung zahlen Arbeitnehmer und Arbeitgeber wieder gleich viel und auch das Rentenniveau bleibt bis 2025 unangetastet bei 48 Prozent. Und der Soli fällt – schrittweise.

Noch muss ein SPD-Parteitag das Bündnis billigen. Ob die Ergebnisse der SPD-Linken reichen? Von einem "beschämenden Ergebnis" spricht der SPD-Politiker Marco Bülow und fordert: "Die große Koalition muss gestoppt werden." Auch Juso-Chef Kevin Kühnert lehnt das Bündnis ab. Seine Vorgängerin Johanna Uekermann äußert sich differenzierter. "Große Koalitionen müssen die Ausnahme bleiben", sagt sie. Bei drei solchen Bündnissen seit 2005 klingt das schon sehr dialektisch. Die Ausnahme wird zur Regel. Uekermann und fünf weitere Mitglieder des SPD-Parteivorstands stimmen am Freitag gegen das Bündnis. es bleibt spannend, ob die SPD-Basis ein neues Bündnis mit der Union billigt. Führende Vertreter von CDU und CSU senden am Freitag schon mal versöhnliche Zeichen.

Einer der Sondierungsgewinner heißt Europa

Der große Gewinner ist Europa. Und Frankreichs umtriebiger Präsident Emmanuel Macron. Befürwortet wird ein Investivhaushalt für die Eurozone, wie ihn Macron wünscht. Der zeigt sich am Freitag "glücklich und zufrieden". Merkel spricht von einem "neuen Aufbruch für Europa". SPD-Chef Schulz erklärt am Abend sogar, er gehe fest von einem festen Finanzminister für die Eurozone aus. Das hat die Union bislang strikt abgelehnt. Am Freitagabend aber geht die Kanzlerin auf Frankreich und seinen agilen Präsidenten zu: "Wir haben uns vorgenommen als eine mögliche neue Regierung, den Vertrag zu überarbeiten und neue Projekte zu definieren", konkretisiert sie Pläne den Freundschaftsvertrag mit Frankreich zum 55. Jahrestag am 22. Januar zu erneuern. Zu lange war Merkel nur mit Innenpolitik beschäftigt. Zu lange musste die Welt auf Merkels neue Regierung warten. Auch Europa.

Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger sagt t-online.de: Die Ergebnisse seien weitaus "besser als das, worauf sich Jamaika beinahe geeinigt hätte". Bofinger: "Die Ergebnisse in den Sondierungen kommen den Plänen Macrons für eine stärkere Integration in Europa und für eine Reform der Eurozone sehr weit entgegen", so der Ökonom.

Die Zeit für EU-Reformen drängt. Bis Oktober müssen die Brexit-Verhandlungen abgeschlossen sein. Die Reform der Eurozone muss bis zum Frühjahr 2019 stehen, denn dann kommen Europawahlen und ein neues Führungsteam in Brüssel.

Drastische Einschnitte in der Flüchtlingspolitik

Zu den Verlierern zählen die Flüchtlinge. Der Familiennachzug wird ausgehebelt, bestätigt Innenminister Thomas de Maizìere am Freitagnachmittag. Zur Freude der CSU kommt passend zur Landtagswahl in Bayern in diesem Jahr eine Art Obergrenze. So soll die Zahl der Flüchtlinge aus humanitären Gründen die Spanne von 180.000 bis 220.000 pro Jahr nicht übersteigen. Pro Monat soll zudem nur tausend Menschen der Nachzug nach Deutschland gewährt werden. Ferner wird die freiwillige monatliche Aufnahme von ebenso vielen Migranten aus Griechenland und Italien auslaufen. Die große Koalition rüttelt also kräftig an der europäischen Verteilerquote.

Kritik kam von den Grünen: "Mit Kindern und Familien schachert man nicht", sagte die aufstrebende Grünen-Abgeordnete Annalena Baerbock. Auch die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl lehnte die Ergebnisse von Union und SPD ab.

Für die Linkspartei erklärte Fraktionschefin Sahra Wagenknecht, Union und SPD stabilisierten die "krasse soziale Ungerechtigkeit in diesem Land". Die AfD-Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel und Alexander Gauland warfen Union und SPD Unglaubwürdigkeit bei der Zuwanderung vor.

FDP-Chef Christian Lindner vermisst den großen Wurf: Dies sei "nicht das Erneuerungsprojekt für das Land, das wir brauchen", sagt er am Freitag.

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Zunächst schauen alle auf die SPD und ihre Basis. Merkel und Seehofer wünschen Schulz nicht ganz uneigennützig viel Glück für den Parteitag. "Das werden noch schwere...", sagt Merkel, stutzt und sucht nach einem Wort, "...Dinge", schiebt sie nach. Die Koalitionsverhandlungen würden sicher auch nicht einfacher als die Sondierungen. "Und dann spüren wir eine Aufgabe." So lässt sich das nach den dunklen Wochen des Wartens und Verhandelns auch formulieren. SPD-Chef Martin Schulz gab sich am Freitagabend im ZDF schon einmal selbstbewusst. Er rechne fest mit einer Zustimmung des Parteitags am 21. Januar in Bonn. Und dann muss die SPD-Basis per Mitgliedervotum noch den Koalitionsvertrag billigen. Die Große Koalition muss kräftig um ihre Mehrheit kämpfen.

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