t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomePolitikBundestagswahl 2021

Bundestagswahl: Ampel- oder Jamaika-Bündnis? So soll es nun vorangehen


Wer regiert Deutschland?
So soll es nun vorangehen


Aktualisiert am 27.09.2021Lesedauer: 6 Min.
Nachrichten
Wir sind t-online

Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.
Player wird geladen
Nach gewonnener Wahl: Olaf Scholz äußert sich nach der Wahl zu seinen Koalitionsplänen. (Quelle: reuters)

Olaf Scholz hat die Wahl gewonnen. Doch kann er jetzt auch regieren? Darüber entscheiden Grüne und FDP mit. Die müssen aber erst mal miteinander zurechtkommen.

Am Sonntagabend hat Christian Lindner seinen Kurs an die Ergebnisse angepasst. Er wirbt nicht mehr ganz so vehement für ein Bündnis mit der Union wie in den Monaten vor der Bundestagswahl. Da hatte er unter anderem gesagt, dass Armin Laschet mit "an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" nächster Kanzler werde und immer signalisiert, dass ihm ein Jamaika-Bündnis am liebsten sei.

Mit dieser Klarheit ist es nun erst einmal vorbei.

Als Lindner in der "Elefantenrunde" nach den ersten Hochrechnungen gefragt wurde, ob er sich nicht auch für eine Koalition mit SPD und Grünen erwärmen könne, sagte er allgemein: "Die FDP war und ist bereit, Verantwortung zu übernehmen, wir regieren in ganz unterschiedlichen Formaten in Deutschland." Er wies auf die Ampelkoalition in Rheinland-Pfalz hin, die es genauso gebe wie eine Deutschland-Koalition (Schwarz-Rot-Gelb) in Sachsen-Anhalt.

Eine Jamaika-Koalition ist eben nur noch eine von vielen Optionen, das war die Botschaft des Abends. Armin Laschet guckte nicht sonderlich begeistert, als Lindner dann erklärte, er wolle erst mal mit den Grünen reden.

Nach dieser Bundestagswahl verschieben sich die Machtverhältnisse: Die dritt- und die viertstärkste Partei setzen sich zunächst zusammen und sprechen über inhaltliche Schnittmengen. Und erst dann wollen sie auf SPD und Union zugehen und schauen, was sie in einer Koalition durchsetzen können. Zugespitzt könnte man sagen: Es wird derjenige Kanzler, der Grünen und FDP das bestmögliche Angebot machen kann.

Damit herrscht ein neues Selbstbewusstsein bei den kleineren Parteien. Grüne und FDP wissen: Ohne sie können weder Armin Laschet noch Olaf Scholz zum Kanzler gewählt werden, weil eine Ampel- und eine Jamaika-Koalition die realistischsten Szenarien sind. Die ursprüngliche Machttektonik wird damit erschüttert, und das hat Folgen für die Verhandlungen über die nächste Regierung.

FDP und Grüne verhandeln schon mal

FDP und Grüne wollen sich schon in den nächsten Tagen treffen, um sich zu beschnuppern. Wohl vorerst im kleinen Kreis, also zwischen den Parteispitzen. Die beiden Parteien seien "in sozial-, steuer-, finanzpolitischen Fragen wirklich konträr", sagte Grünen-Chef Robert Habeck bei NDR Info. Es ergebe deshalb Sinn, dass man erst mal schaue, "ob die das zusammen hinkriegen".

Aber es steckt natürlich mehr dahinter. Sowohl aus der FDP als auch von den Grünen heißt es am Montagmorgen, dass die Großen so groß eben nicht mehr seien. Nur noch rund 25 Prozent sind eben nicht mehr über 30 oder gar 40 Prozent, die Union und SPD früher mal erreicht haben.

"Es geht nicht darum, dass die Parteien auf Platz drei und vier den Ton angeben", sagte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter t-online. "Aber eine kanzlerstellende Partei hat noch nie so wenige Stimmen erhalten." Grüne und FDP hätten zusammen sogar mehr als Union oder SPD.

Ein bisschen den Ton anzugeben sollte also schon drin sein.

Oder wie FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann t-online sagte: "Weder CDU noch SPD können jetzt breitbeinig durch die Republik laufen." Und dieses neue Selbstbewusstsein wollen Liberale und Grüne sowohl inhaltlich als auch personell in einer neuen Regierung materialisieren.

Insofern ist es taktisch durchaus klug von beiden, sich erst einmal untereinander abzustimmen. Allein schon, damit der große Partner sie in Verhandlungen nicht so leicht gegeneinander ausspielen kann. Aber eben auch, um idealerweise mit gemeinsamen Projekten in die Gespräche über ein Ampel- oder Jamaika-Bündnis zu gehen – und so eine bessere Verhandlungsposition zu haben.

Die grüne Präferenz

Ob die Vorgespräche schon zu einer Vorfestlegung auf eine Koalition führen, ist bislang offenbar unklar. Es dürfte aber nicht besonders wahrscheinlich sein. Vor allem auch, weil es die Verhandlungsposition schwächen würde. Dass sich die beiden "Kleinen" ihren "Großen" am Ende aussuchen können, ist ja eine sehr komfortable Situation. In beiden Parteien geht man davon aus, dass sowohl Union als auch SPD ihnen deshalb weit entgegenkommen werden.

Die Präferenz bei den Grünen ist trotzdem relativ klar: die Ampel. Im Deutschlandfunk sagte selbst Habeck, der vielen eher als Jamaika-Freund gilt, dass Scholz einen "deutlichen Vertrauensvorschuss der Menschen" bekommen habe und die SPD "relativ deutlich vor der Union" liege.

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sagte t-online: "Schauen Sie sich die Werte von Herrn Laschet an und schauen Sie sich die Werte von Herrn Scholz an. Da ist der Weg zu Jamaika schwieriger." Man müsse eben auch sehen, was die Menschen wollten. Und Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner sagte t-online: "Wir sind natürlich programmatisch einer SPD näher als der CDU."

Hinter vorgehaltener Hand werden andere Grüne noch deutlicher – und sehen vor allem Armin Laschet als Bürde einer Jamaika-Regierung: Wie solle man denn den Menschen erklären, fragen sie, dass man einen Wahlverlierer zum Kanzler wähle, der noch nicht mal seinen Stimmzettel richtig falten könne?

Hält die FDP an Jamaika fest?

Bei der FDP sehen das naturgemäß längst nicht alle so. Sie werde sich nicht daran orientieren, ob die CDU nun "acht Prozentpunkte verloren hat oder nicht", sagte Strack-Zimmermann, die verteidigungspolitische Sprecherin ihrer Fraktion, t-online. Das sei das Problem der CDU. Soll heißen: Es kommt nicht unbedingt drauf an, wo du herkommst, sondern wo du hinwillst.

Strack-Zimmermann zeigte sich dann auch skeptisch, was die Zuverlässigkeit der SPD angeht. "So langsam kommt Kevin Kühnert hinter der Kulisse hervor und zeigt sein wahres Gesicht", sagte sie. Bei den Verhandlungen komme es aber auch auf die Personen hinter den Kulissen an.

Auch der innenpolitische Sprecher der FDP, Konstantin Kuhle, sagte t-online: "Eines ist gestern deutlich geworden: Jamaika ist sehr viel wahrscheinlicher geworden." Das sei die bevorzugte Koalition.

Doch in Wahrheit gibt es auch in der FDP einige, die lieber mit der SPD regieren würden. Immerhin hat die Partei eine lange sozialliberale Tradition. Und auch dort gibt es dann doch nicht so wenige, die es für ein zweifelhaftes Zukunftsprojekt halten, den glücklosen Laschet zum Kanzler zu machen. Mit einer Union dann auch noch, die ohnehin schon nicht als unglaublich zuverlässig gilt. Und in der der Machtkampf schon jetzt ausbricht.

Scholz hat "gut geschlafen"

In der SPD kursierte schon am Wahlabend die Deutung, dass es nun doch etwas seltsam wäre, den stolpernden Laschet jetzt auch noch in eine Regierung hineinstolpern zu lassen. Für die Grünen, so sind sich dort viele betont sicher, sei Jamaika ohnehin eine Katastrophe – als einziger linker Part in einer bürgerlichen Regierung.

"Für uns ist ganz klar, dass wir daraus jetzt einen Auftrag ableiten", sagte dann auch Olaf Scholz am Montagvormittag vor der Hauptstadtpresse. Er habe "gut geschlafen" nach dem Wahlsieg. Er habe sich immer Mühe gegeben, Verhandlungen so zu führen, dass es für alle Parteien passe.

Für die SPD wird es nun darauf ankommen, von FDP und Grünen nicht vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden. Zugute kommt ihnen, dass sie als stärkste Partei zumindest das Gewohnheitsrecht genießen, als erstes zu Gesprächen einzuladen. Das hat auch Grünen-Chef Habeck schon betont. Sie könnten Jamaika also zuvorkommen.

Loading...
Loading...
Loading...

Die Union beginnt zu zweifeln

Und sogar in der Union kommen erste Zweifel auf, ob man wirklich eine Regierungskoalition anführen kann. "Aus dem Wahlergebnis kann niemand einen Regierungsanspruch ableiten, das habe ich am Sonntag auch nicht gesagt", erklärte Laschet der Nachrichtenagentur AFP zufolge am Montag in einer CDU-Vorstandssitzung. "Wir stehen bereit für andere Konstellationen", wenn es mit einer Ampelkoalition nicht klappe. Das klang mehr nach Notfallplan als nach natürlichem Anspruch, selbst Kanzler zu werden. Noch am Wahlabend hatte Laschet dagegen einen klaren Regierungsauftrag für sich beansprucht.

Doch in der Union ist man auf eine Jamaika-Koalition angewiesen, es ist die einzige Machtoption, um sich weiterhin das Kanzleramt zu sichern. Auch weil die Chance darauf besteht, fällt die Revolte gegen Laschet bislang eher überschaubar aus. Und einflussreiche CDU-Politiker hoffen, dass Christian Lindner trotz seiner neuen Offenheit weiter zur Union hält.

Bereits am Sonntag hat Laschet nach eigenen Angaben ein längeres Gespräch mit Christian Lindner geführt. Am Montag erklärte er im Vorstand, er wolle zeitnah auch mit Annalena Baerbock sprechen.

Es wirkt, als wolle er signalisieren: Auch wenn es unwahrscheinlich ist, ich habe es wenigstens versucht.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen und Gespräche
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website