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Landtagswahl in Niedersachsen: FDP in der Krise – zum Regieren ungeeignet?


FDP in der Krise
Fürs Regieren ungeeignet

MeinungVon Miriam Hollstein

Aktualisiert am 10.10.2022Lesedauer: 4 Min.
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Auch FDP-Christian Lindner reiste zur Unterstützung des Wahlkampfs nach Niedersachsen. Am Tag nach der Wahl, zeigte er sich zerknirscht. (Quelle: imago-images-bilder)

Nicht die Niederlage bei der Landtagswahl in Niedersachsen ist das eigentliche Problem der FDP. Sondern ihr Umgang damit.

"Manchmal gewinnst du, manchmal verlierst du." Diese Lebensweisheit trifft nirgends mehr zu als in der Spitzenpolitik. Fast kein Spitzenpolitiker hat es ohne Brüche nach oben geschafft. Nehmen wir Angela Merkel, die 16 Jahre lang Kanzlerin war: 1991 kandidierte sie für den Landesvorsitz der CDU in Brandenburg – und unterlag Ulf Fink. 2002 verlor sie einen unionsinternen Machtkampf um die Spitzenkandidatur bei der Bundestagswahl gegen den damaligen CSU-Chef Edmund Stoiber. Hat sie damals beklagt, ihr Scheitern hänge damit zusammen, dass die Union ein Problem mit ostdeutschen Frauen in Führung habe? Grund hätte sie dafür gehabt. Aber sie schwieg.

Womit wir bei der FDP wären. Diese hat den Wiedereinzug in den Landtag von Niedersachsen gerade knapp verpasst. Trotz eines passablen Spitzenkandidaten. Das ist nicht nur eine schmerzhafte Erfahrung, sondern sie wirft existenzielle Fragen für die Liberalen auf. Zumal diese bereits bei den Wahlen in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein aus den jeweiligen Regierungen geflogen waren und herbe Verluste einstecken mussten. Was in solchen Situationen wichtig ist: eine schonungslose und (selbst-)kritische Analyse, was schief gelaufen ist und was geändert werden muss.

Was hingegen nicht weiterhilft, ist Opferlyrik, die die Schuld anderen zuschiebt. Exemplarisch wird das in einem Tweet des einstigen FDP-Abgeordneten und ehemaligen Staatssekretärs im Bundesbildungsministerium, Thomas Sattelberger, deutlich: "Mir blutet das Herz!", twitterte der frühere Telekom-Manager am Sonntagabend: "Die Ampel–Koalition ist politische Vergewaltigung der FDP." Nach der Bundestagswahl sei der Eintritt in das Regierungsbündnis wegen einer schwächelnden Union alternativlos gewesen. Nun aber legt Sattelberger seiner Partei den Ausstieg aus der Regierung nahe: "Ich würde jetzt aber die Koalition auf spitz und Knopf stellen!"

Ein Tweet verharmlost sexuelle Gewalt

Abgesehen von der völlig inakzeptablen Wortwahl ("Vergewaltigung"), die sexuelle Gewalt verharmlost: Sattelbergers Interpretation der Ereignisse, die von vielen in der Partei geteilt wird, wirft die Frage auf, ob diese Partei überhaupt fürs Regieren geeignet ist. Denn dazu gehört, Verantwortung für seine Entscheidungen (und seine Niederlagen) zu übernehmen, statt wehklagend mit dem Finger auf andere zu zeigen.

Zum ersten Mal stellte sich die Frage bereits im November 2017, als FDP-Chef Christian Lindner die wochenlangen Sondierungsgespräche für ein Jamaika-Bündnis mit den Worten platzen ließ: "Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren." Es mutet wie eine Pointe an, dass sich sein Spruch am Sonntag für die FDP in Niedersachsen bewahrheitet hat. Diese scheiterte nicht an sich selbst, sondern daran, dass die FDP im Bund wie eine Getriebene eines rot-grünen Bündnisses wirkt. Das war aber nicht immer so: Zu Beginn der Ampelzeit konnten die Liberalen vor Kraft kaum gehen, weil sie als kleinster Partner die größten Gewinne feiern konnten.

Und noch aus einem anderen Grund ist Lindners Spruch falsch: Denn eine Partei, die nicht den Anspruch hat, auch politisch zu gestalten, bleibt am Ende nichts anderes als ein leeres Versprechen. Regierungsverantwortung zu übernehmen, bedeutet immer auch, dass man einen Teil seiner Anhängerschaft enttäuschen wird. Weil die Realpolitik Kompromisse erfordert. Aber es ist auch unumgänglich, wenn man seinen Anspruch, das Leben der Menschen verbessern zu wollen, umsetzen will.

Die FDP in der Zwickmühle

Die FDP steckt in einer Zwickmühle. Bleibt sie in der Ampel, wird sie immer wieder in Kauf nehmen müssen, dass sie angesichts der rot-grünen Übermacht einschneidende Kompromisse eingehen muss. Verlässt sie die Regierung, würde sie das Land in einer Krise instabilisieren und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bei der anschließenden Wahl abgestraft.

Trotzdem bleibt richtig: Wer im entscheidenden Moment keine Verantwortung übernehmen kann, der ist fürs Regieren nicht geeignet. Aber der muss sich auch klarmachen, dass sich das lautstarke Lärmen in der Opposition immer nur kurz- und mittelfristig auszahlt. Langfristig werden die Wähler und Wählerinnen das Interesse verlieren. Sie brauchen Macher, keine Schwadronierer.

Ein Ergebnis ist positiv für die Liberalen

Statt sich als Opfer zu gerieren, sollte die FDP lieber wieder ihr Kernprofil schärfen. Die derzeitige Schwäche von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck lässt Raum für Profilierung für eine Partei, die immer auch als wirtschaftspolitische Kraft gesehen wurde. Vor allem aber muss die FDP aufhören, sich die ganze Zeit über ein Bündnis zu beklagen, in das sie freiwillig eingetreten ist. Das wirkt wie ein Mann, der Ja zu einer Ehe gesagt hat, dann aber die ganze Zeit erzählt, dass er in ihr nicht glücklich ist. Da nutzt auch die Ausrede nichts, er sei in die Vermählung quasi hineingetrieben worden.

Und dann lohnt noch ein genauerer Blick auf die Resultate der Landtagswahl in Niedersachsen. Bei den jungen Wählerinnen und Wählern haben die Liberalen – neben den Grünen – erstaunlich gut abgeschnitten. Das mag am Gesamtergebnis nichts ändern. Aber es ist ein Hinweis, dass die Partei eine Zukunft hat. Wenn sie diese jetzt nicht verspielt. Es gibt eine Variante von "Manchmal gewinnst du, manchmal verlierst du", die die FDP sich jetzt hinter die Ohren schreiben sollte: Manchmal gewinnst du, manchmal lernst du.

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Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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