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Piraten-Erfolg im Saarland: Die neue Kraft


Politik
Die neue Kraft

Von Fabian Reinbold, Saarbrücken

Aktualisiert am 26.03.2012Lesedauer: 4 Min.
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Großer Jubel: Die Piratenpartei schafft bei der Landtagswahl im Saarland auf Anhieb 7,4 ProzentVergrößern des Bildes
Großer Jubel: Die Piratenpartei schafft bei der Landtagswahl im Saarland auf Anhieb 7,4 Prozent (Quelle: dpa-bilder)

Es ist ein Erfolg mit Signalwirkung. Die Piraten bejubeln ihren 7,4-Prozent-Wahlcoup im Saarland und beweisen, dass man weiter mit ihnen rechnen sollte. Die etablierten Parteien müssen bei den nächsten Wahlen die neue Konkurrenz fürchten.

Die Piraten drängen, aber Eileen Niederprüm kämpft um ihren Platz in der ersten Reihe. Als die ersten Hochrechnungen über die Leinwand flimmern, reißt die junge Piratin ihre Arme hoch, schwenkt ihre orangefarbene Handtasche in der Luft und gibt ihrer besten Freundin einen Kuss. "Völlig überrumpelt" sei sie und sehr stolz, sagt die 23-Jährige. "Jetzt sitzt Papa im Landtag!"

Ihr Vater, Michael Neyses, trat als Spitzenkandidat der Piraten in Saarlouis an. Vor vier Monaten erst ist der 43-jährige IT-Administrator in die Partei eingetreten, nun führt er sie in den Landtag. 7,4 Prozent holte die Partei. Es ist eine Politikerkarriere, die es so zurzeit nur bei der Piratenpartei zu geben scheint. Tochter Eileen feiert mit der Basis und sagt selbstbewusst: "Jetzt werden wir immer stärker."

Gut möglich, dass die junge Piratin recht behält. Für die Piraten hat die Wahl im kleinen Saarland wohl größere Bedeutung als für die anderen Parteien. Am Sonntag haben sie gezeigt, dass ihr überraschender Triumph bei der Berliner Abgeordnetenhauswahl im September 2011 keine Ausnahme war. Im äußersten Südwesten der Republik konnten sie klarmachen, dass sie auch abseits der Metropole punkten können.

Neben Neyses werden die 22-jährige Landeschefin Jasmin Maurer, Michael Hilberer, 32 Jahre alter Software-Entwickler, und der Pirat Andreas Augustin, ebenfalls 32, künftig im Landtag sitzen.

Die Saar-Piraten helfen jetzt dem Rest der Partei

Zusammen haben sie mit ihrem Erfolg ein Signal gesendet, das man weit über das Saarland hinaus hört. Auch in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen liegt die Partei über der Fünfprozenthürde, der Erfolg im Saarland dürfte den Piraten dort für die Abstimmungen im Mai noch einmal Rückenwind geben. Der kleine Haufen der Saar-Piraten hat der gesamten Bewegung geholfen, sich weiter als neue Kraft im politischen Spektrum festzusetzen.

Die etablierten Parteien schreckt der Durchmarsch der neuen Konkurrenz auf: Vor allem die Grünen müssen die bunte Truppe fürchten. Es zeigt sich: Die Piraten haben eine sehr junge Wählerschaft, bislang galt das stets als Markenzeichen der Grünen. Im Saarland haben die Piraten aber auch von der FDP Wähler abgezogen - mit Bürgerrechtsthemen, die bislang eher eine Domäne der Liberalen waren. Und: Die Piraten haben bei den Nichtwählern gepunktet. Offenbar sehen gerade die sogenannten Politikverdrossenen in ihnen eine Alternative zu den etablierten Parteien. Laut einer ZDF-Umfrage holten die Neulinge mehr als 20 Prozent ihrer Wähler bei der Gruppe, die zuvor der Wahl ferngeblieben war.

Jetzt wollen die anderen Parteien die Piraten massiv angreifen: FDP-Generalsekretär Patrick Döring kündigte noch am Sonntagabend an, man werde die Partei an ihren Schwachpunkten attackieren - vieles, was die Piraten diskutierten, sei schlicht falsch.

Die Piraten lassen sich davon nicht schrecken. Sie geben sich selbstbewusst. Vor allen natürlich die Gewinner im Saarland. Sie versammeln sich am Sonntagabend im Canossa, einer Saarbrücker Studentenkneipe in einem grauen Betonbau aus den Siebzigern. Es sind viele Männer über 30, gemütlich, kaum jemand würde sich hier als "hip" bezeichnen. Besonders laut jubeln sie, als um kurz vor 20 Uhr die Basis zwei ihrer neuen Abgeordneten begrüßt.

Neben dem Neu-Parlamentarier Neyses kommt Andreas Augustin zurück vom Messegelände, wo der Landtag sein Medienzentrum aufgebaut hat, zurück zur Basisfeier an den Stadtrand. Die Piraten johlen, Dutzende klatschen Augustin ab, rufen "Go, go, go!" in Anlehnung an Augustins Nickname beim Kurznachrichtendienst Twitter, gobold 1979. So ist das bei den Piraten.

Augustin ist seit 2009 Pirat - damit ist der IT-Systemadministrator Urgestein der Partei. Die Newcomer selbst scheinen überhaupt nicht überrascht zu sein von ihrem Erfolg: Augustin hatte am Nachmittag schon gesagt, er wäre etwas enttäuscht, wenn es weniger als sieben Prozent werden. Die baldige Abgeordneten-Tochter Eileen Niederprüm sagt, sie hätte eigentlich mit neun Prozent gerechnet.

Der Spitzenkandidatin wurde offenbar alles zu viel

Nur Spitzenkandidatin Maurer, das Gesicht der Partei, auf die sich in den vergangenen Wochen die Medien stürzten, wurde alles zu viel. Am frühen Abend machte der Kreislauf schlapp, die Piraten müssen ohne ihre Chefin feiern.

Und weil der Last-Minute-Wahlkampf so viel Kraft gekostet hat, ist an diesem Abend in Saarbrücken nicht nur Euphorie greifbar, sondern auch die Erleichterung darüber, dass die letzten Wochen nun vorbei sind. Piraten aus der ganzen Republik kamen zum Helfen, doch letztendlich haben die Saar-Piraten ihren Last-Minute-Wahlkampf selbst gestemmt: Sie entwarfen ihre Plakate, die Kandidaten klebten nach Feierabend die Wahlplakate, schickten die Wahlkampfzeitung nicht per Post, sondern warfen zehntausende Exemplare eigenhändig in die Briefkästen.

Und jetzt - was kann das Saarland von den Piraten erwarten? In ihrem Programm führen sie die Transparenz ganz oben: Sie verlangen, dass Abgeordnete ihre Nebeneinkünfte offenlegen müssen. Sie sind für die Schuldenbremse, aber auch für neue Nahverkehrsverbindungen nach Luxemburg und Frankreich. Spitzenkandidatin Maurer trommelt für den Tierschutz. Ein buntes Programm, das weit über Netzthemen hinausgeht.

Doch die künftigen Abgeordneten betonen, dass sie vor allem pragmatisch sein wollen. "Das Wichtigste ist die Schuldenbremse", ruft Andreas Augustin am Abend dem Jubel der Basis entgegen, "da müssen wir uns konstruktiv einbringen." Sein künftiger Abgeordnetenkollege Michael Hilberer sagt, man müsse überhaupt erst mal arbeitsfähig werden. Die erste inoffizielle Fraktionssitzung ist bereits für Montagabend angesetzt: offen für alle - und seit langem geplant. So sicher waren sich die Piraten ihrer Sache.

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