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Terror: Umstrittene Übung von Bundeswehr und Polizei


Umstrittene Übung
Soldaten und Polizisten sollen Terroristen gemeinsam bekämpfen

Von dpa, afp
07.03.2017Lesedauer: 3 Min.
Bundeswehr und Polizei üben den gemeinsamen Anti-Terror-Einsatz im Inland.Vergrößern des BildesBislang ein ungewohnter Anblick in Deutschland: bewaffnete Soldaten bei einer Antiterror-Übung im Inland. (Quelle: Archivbild/dpa-bilder)
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Polizei und Bundeswehr sollen gemeinsam zum Einsatz kommen, falls Terroristen in Deutschland zuschlagen. Dieses Szenario wird heute geprobt. Doch die Übung ist umstritten und befeuert die Diskussion um den Einsatz von Soldaten im Inland.

Seit Jahren streitet die Republik über Bundeswehreinsätze im Inneren. Terroranschläge wie auf dem Berliner Breitscheidplatz verleihen dem Thema neue Brisanz. Bei der Großübung von Polizei und Bundeswehr werden den Soldaten in dem Szenario erstmals auch Zwangsmaßnahmen übertragen – bis zum Einsatz ihrer Waffen.

Grundlage der Übung ist folgender Fall: Terroristen verüben Anschläge in mehreren Bundesländern gleichzeitig. Das Szenario wird aber nur in der Theorie durchgespielt. Weder werden Straßen abgesperrt noch Panzer aufgefahren. Es geht vor allem darum, Alarmketten zu testen und Kommunikationsabläufe zu üben. Dies soll in Echtzeit und möglichst praxisnah simuliert werden.

Durchgespielt werden könnten Attentate von Einzeltätern oder von Terrorkommandos. Ziele der Attacken könnten etwa Bahnhöfe oder Schulen sein. Einen Bezug zu existierenden Orten gibt es aber nicht. So soll vermieden werden, dass eine konkrete Bedrohungslage abgeleitet wird.

De Maizière: "Auf das Undenkbare vorbereiten"

"Ein Übungskrisenstab ist gebildet und wird laufend tagen", sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) in Berlin. An der Übung von Bundeswehr und Polizei sind 360 Soldaten beteiligt. Der Minister betonte, dass zum ersten Mal die Zusammenarbeit von Polizei und Bundeswehr im Terrorfall geprobt werde. Beim Katastrophenschutz gebe es dagegen bereits viel Erfahrung mit der Kooperation. Auch bei einem Terrorangriff bleibe die Führung aber in den Händen der Polizei. Die Bundeswehr sei "unterstützend" tätig - weil die Kapazitäten nicht ausreichten oder spezielle Fähigkeiten nicht vorhanden seien.

"Ein solches Zusammenwirken muss geübt werden, die Räder müssen ineinander greifen, die Meldewege müssen funktionieren", sagte der Minister. "Es ist wichtig, dass wir uns auch auf Undenkbares vorbereiten, damit in einer solchen Lage agiert werden kann", fügte er hinzu.

Erlaubt das Grundgesetz Bundeswehreinsätze im Inland?

Ja, und zwar gleich dreifach:

  • Artikel 35, Absatz 1, sieht die gegenseitige Amtshilfe aller Behörden des Bundes und der Länder vor. Das heißt: Wenn eine Behörde überfordert ist, springt eine andere ein. Die Bundeswehr gilt als Behörde des Bundes. Sie kann dann etwa mit Logistik, Sanitätern oder Personal aushelfen.
  • Artikel 35, Absatz 2, erlaubt den Einsatz der Streitkräfte bei einer Naturkatastrophe oder bei einem besonders schweren Unglücksfall.
  • Artikel 87a, Absatz 4, erlaubt den Einsatz von Soldaten "zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes" (Notstand). Die Bundeswehr darf dann sogar "beim Schutze von zivilen Objekten und bei der Bekämpfung organisierter und militärisch bewaffneter Aufständischer" mitwirken.

Gibt es nicht schon längt Bundeswehreinsätze im Inland?

Ja. Schon fast so lange wie die Bundeswehr selbst. Bei der Flutkatastrophe in Hamburg 1962 und später bei Hochwasserkatastrophen an Oder und Elbe bauten tausende Soldaten Dämme und halfen bei Evakuierungen. Solche Einsätze können sowohl unter Amts- als auch unter Katastrophenhilfe nach Artikel 35 laufen.

Während der Flüchtlingskrise half die Bundeswehr bei der Unterbringung, beim Transport und der Registrierung von Flüchtlingen. Auch das ist Amtshilfe. Nur nach Artikel 87a wurde die Bundeswehr noch nie eingesetzt. Bisher wurde auch noch nie der Notstand ausgerufen.

Darf die Bundeswehr bei Terroranschlägen im Inland eingesetzt werden?

An dieser Stelle wird es kompliziert. Im Grundgesetz gibt es dafür keine klare Regelungen. Seit 2012 gibt es aber eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, nach der auch ein Terroranschlag ein "besonders schwerer Unglücksfall" nach Artikel 35 sein kann. Das muss dann ein Ereignis "katastrophischen Ausmaßes" sein.

Dafür kommen nach Ansicht der Bundesregierung auch terroristische Großlagen in Betracht. Streiten kann man allerdings darüber, wie groß ein Terroranschlag sein muss, damit die Bundeswehr eingreifen darf und welche Mittel sie dann anwenden darf.

Warum ist der Einsatz der Bundeswehr im Inneren so heikel?

Bewaffnete Soldaten auf den Straßen – in Brüssel und Paris ist dies ein normales Bild. Doch in Deutschland löst diese Vorstellung mulmige Gefühle aus. Die Aufgaben von Militär und Polizei sind hierzulande besonders strikt getrennt: Die Streitkräfte verteidigen das Land grundsätzlich nach außen, die Polizei wehrt Gefahren im Inland ab.

Die strenge Trennung von Armee und Polizei in Deutschland hat historische Gründe. Das geht auf den Machtmissbrauch der bewaffneten Kräfte in der Zeit der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus zurück.

Ist dies die erste Anti-Terror-Übung von Polizei und Bundeswehr?

Nein. Seit 2004 laufen unter dem Namen "Lükex" etwa alle zwei Jahre große Katastrophenschutzübungen von Polizei, Technischem Hilfswerk, Rettungsdiensten, Feuerwehr und eben auch der Bundeswehr. Dabei ging es auch schon um Terror, 2010 etwa um eine Anschlagserie in mehreren Bundesländern.

Neu ist diesmal, dass die Bundeswehr mit Zwangs- und Eingriffsbefugnissen ausgestattet wird. Sie darf hoheitlichen Zwang anwenden, das heißt: Wenn es ernst wird, dürfen die Soldaten die Terroristen mit allen militärischen Mittel bekämpfen. Die Anwendung von Gewalt bleibe aber "Ultima Ratio", sagt das Bundesinnenministerium.

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