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Muslimin appelliert: Lasst das Christkind in Ruhe!


Lasst das Christkind in Ruhe!

t-online, Lamya Kaddor

Aktualisiert am 24.11.2017Lesedauer: 3 Min.
Weihnachtsmarkt in Hamburg: Weihnachtsmärkte sollen auch weiterhin Weihnachtsmärkte genannt werden dürfen, findet t-online.de-Kolumnistin Lamya Kaddor.Vergrößern des BildesWeihnachtsmarkt in Hamburg: Weihnachtsmärkte sollen auch weiterhin Weihnachtsmärkte genannt werden dürfen, findet t-online.de-Kolumnistin Lamya Kaddor. (Quelle: Christian Charisius/dpa-bilder)
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Alle Jahre wieder diskutieren wir darüber, ob wir Weihnachtsmärkte aus Gründen der Toleranz in Lichtermärkte umbenennen sollten. Das ist fürchterlich absurd.

Dies hier ist der Appell einer deutschen Muslimin: Lasst die Finger vom Christkind, von St. Martin, dem Nikolaus und allen anderen aus der Familie.

Es gibt seit einiger Zeit gewisse Konstanten in den öffentlichen Diskussionen über Migration und Integration. Eine davon entfaltet sich stets zwischen November und Dezember über die Frage, ob Weihnachtsmärkte noch Weihnachtsmärkte heißen dürfen oder St. Martinszüge noch St. Martinszüge.

Ob man im Sinn von Toleranz, Antidiskriminierung, Pluralität, Political Correctness nicht besser zu neutraleren Namen kommen müsse wie Lichtermarkt, Laternenfest oder Sonne-Mond-und-Sterne-Fest. Die herkömmlichen Bezeichnung würde schließlich nur Christen ansprechen und damit alle anderen Menschen ausgrenzen.

Solche Traditionen sind schön und wichtig

Ich bitte inständig alle, die mit den Gedanken spielen, neue Bezeichnungen für alte Traditionen zu finden, nehmt Abstand davon! Gestern hat auch der Duisburger Weihnachtsmarkt eröffnet und ich als Muslimin freue mich wie jedes Jahr sehr darauf, dorthin zu gehen. Genauso wie ich mich als Muslimin gefreut habe, Anfang des Monats auf einen St. Martinszug zu gehen. Solche Traditionen sind schön und wichtig.

Wer in einem Kindergarten, einer Schule, einem Stadtmarketing, einem Verein, einer Partei Verantwortung trägt, und seinen Mitgliedern mit unterschiedlichen Herkünften und Religionen gerecht werden will, der möge lieber ein eigenes Fest erfinden. Oder er möge zu Chanukka, Ramadan, Newroz oder sonstige für andere zentrale Anlässe ein Zeichen setzen.

Das könnte eine Feier sein, ausgerichtet für alle, bei der die eigentlich Feiernden etwas von sich berichten oder etwas Gesellschaftliches gestalten. Manchmal reicht auch einfach eine Beglückwünschung, ein kleine Aufmerksamkeit, die zeigt, dass man sich bewusst ist, dass hierzulande noch andere Feste gefeiert werden.

"Niemanden in die Bredouille bringen"

Schon das reine Wahrnehmen des anderen, ist es, was Menschen, die sich mitunter fremd fühlen, glücklich macht. Es bringt niemanden in die Bredouille, weil sich Menschen wegen einem plötzlich in ihren Feiergewohnheiten beeinträchtigt fühlen.

Deutschland ist zu 60 Prozent von Christen bevölkert und hat eine lange christliche Vergangenheit. Es gibt keinerlei Veranlassung, die hieraus entstandenen Traditionen gezielt abzuschwächen oder gar zu tilgen. Die zweitgrößte Religionsgruppe sind die Muslime, und die machen gerade mal fünf bis sechs Prozent der Bevölkerung aus. Das ist keine Größe, an der sich andere universell orientieren müssten.

Und falls doch jemand unbedingt einen Lichtermarkt veranstalten will, dann nehmt weder Migranten im Allgemeinen noch Muslime im Speziellen pauschal als Gewährsleute, um solche Veränderungen zu legitimieren. Gleiches gilt für jene Kräfte, die Muslimen immer wieder unterstellen, sie würden die christlichen Traditionen untergraben, nur um am Ende über ein angebliches Einknicken vor „dem“ Islam oder eine angebliche Unterwerfung oder ein angebliches Appeasements zu zetern.

Die üblichen Verdächtigen

Jüngst war es die ehemalige CDU-Politikerin Erika Steinbach, die in diesem Kontext prominent erklärte: "Ich kenne kein Land außer Deutschland, das seine eigene Kultur und Tradition so über Bord wirft." Selbstverständlich kassierte sie dafür zahlreiche Likes von den üblichen Verdächtigen.

Niemand, den ich kenne, fühlt sich ernsthaft durch Weihnachtsmärkte gestört. Äußerungen in diese Richtung kommen allenfalls von der Minderheit der Fundamentalisten oder von Islamisten und Trollen, die auf Provokationen und öffentliche Aufmerksamkeit zielen. Solchen Leuten will man doch nicht auf den Leim gehen. Ich kenne auch keine Muslime, die eine Umbenennung von Weihnachtsmärkten oder St. Martinszügen verlangen würden. Im Gegenteil.

Als ich auf dem St. Martinszug war, gingen zahlreiche andere Musliminnen und Muslime mit - und das waren sicher nicht alles liberale. Trotzdem haben sie sogar die Lieder mitgesungen. Schon 2013 bekannte auch der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, gegenüber der "Welt": "Ich habe gerne mit meiner Mutter in der Grundschulzeit mitgemacht!" Dass St. Martin ein katholischer Heiliger sei, stelle für Muslime keinen Hinderungsgrund da.

Ich werde sogar am 24. Dezember, wenn der Heilige Abend gekommen ist, Weihnachtslieder mitsingen. Und trotzdem bleibe ich eine überzeugte Muslimin. "Alle Jahre wieder, kommt das Christuskind, auf die Erde nieder…"

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