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EU-Afrika-Gipfel: Warum sind Menschen auf der Flucht?


Fluchtursachen weltweit
Deshalb sind Menschen auf der Flucht

t-online, Patrick Diekmann

29.11.2017Lesedauer: 5 Min.
Flüchtlinge an der deutsch-österreichischen Grenze.Vergrößern des BildesFlüchtlinge warten an der deutsch-österreichischen Grenze – die Bundesregierung versucht Fehlinformationen von Schleusern entgegenzutreten. (Quelle: Sebastian Kahnert/dpa-bilder)
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Keine Abschottung vor Flüchtlingen, keine Deals mit Diktatoren und kein Handel zulasten von Kleinbauern: Hilfsorganisationen haben vor Beginn des EU-Afrika-Gipfels eine radikale Abkehr von der bisherigen Politik Europas gefordert. Die EU möchte Fluchtursachen bekämpfen. Aber was treibt die Menschen eigentlich zur Flucht? Wollen alle Flüchtlinge nach Europa? t-online.de beantwortet die elf wichtigsten Fragen zum Thema "Flucht".

von Patrick Diekmann

Im Jahr 2016 erreichte das Ausmaß von Flucht ein Rekordniveau. Laut einem UN-Bericht gab es insgesamt 65,6 Millionen Menschen, die von Flucht und Vertreibung betroffen waren. Die Hälfte der weltweiten Flüchtlingsbevölkerung sind Kinder. Deutschland und die anderen EU-Staaten dürften die Menschen auf dem Nachbarkontinent nicht der Schutzlosigkeit ausliefern, heißt es in Stellungnahmen zu dem EU-Afrika-Gipfel in Abidjan (Elfenbeinküste).

Kanzlerin Angela Merkel und die anderen Staats- und Regierungschefs der EU wollen sich für bessere Bildungschancen für junge Menschen in Afrika einsetzen. Voraussetzung dafür sind Erfolge im Kampf gegen Korruption und die Einhaltung von Menschenrechten. Um mehr private Investitionen anzukurbeln, dürfte Berlin auch den EU-Afrika-Fonds nochmals aufstocken. Doch wie hilfreich ist Entwicklungshilfe?

Drei von vier Deutschen finden es richtig, dass ihr Land finanzielle Hilfen leistet. Laut einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Allensbach wäre allerdings nur jeder Fünfte mit einer Erhöhung der staatlichen Ausgaben in diesem Bereich einverstanden. Gelder an die Regierungen der afrikanischen Länder führen die Länder in die Abhängigkeit von europäischen Devisen. Dabei ist unklar, ob die Gelder die Bedürftigen erreicht, durch Korruption entfremdet werden oder in der Verwaltung versickern.

Aus welchen Ländern fliehen die meisten Menschen?

Mehr als die Hälfte der weltweiten Flüchtlinge kommt aktuell aus drei Ländern. 5,5 Millionen Menschen sind 2016 aus Syrien, 2,5 Millionen aus Afghanistan und 1,4 Millionen aus dem Irak geflohen

Warum fliehen die Menschen?

Geflüchtete Menschen verlassen ihr Zuhause meistens nicht freiwillig. Für Flucht gibt es viele Gründe: Krieg, Armut, Hunger, Verfolgung und Umweltkatastrophen. Manchmal kommen auch mehrere dieser Faktoren zusammen. Krieg ist weltweit die wichtigste Fluchtursache und auch mehr 70 Prozent der Flüchtlinge, die im Jahr 2016 nach Deutschland kamen, sind laut dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) aus Ländern, die unmittelbar von bewaffneten Auseinandersetzungen betroffen sind. Diese Menschen haben oft Angst vor Gewalt oder Zwangsrekrutierung. Allgemein fliehen Menschen häufig vor lebensbedrohlichen Situationen. In Ländern, in denen kein Krieg herrscht, ist oft eine Verfolgung auf Grund ihrer Religion, politischen Überzeugung oder wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit der Grund.

Welche Rolle spielt Hunger?

Viele Menschen fliehen auch vor Armut und Arbeitslosigkeit, die zu Hunger und zu einer mangelnden Gesundheitsversorgung führt. Der Zugang zu sauberem Trinkwasser spielt besonders in Afrika eine wichtige Rolle. Immer wichtigere Faktoren werden außerdem die Folgen der globalen Erwärmung und der Landraub. Umweltkatastrophen wie Stürme oder Überschwemmungen oder anhaltende Dürren treiben immer mehr Menschen in die Flucht. Doch teilweise ist der Mangel an Nahrungsmitteln auch menschengemacht: Laut "Brot für die Welt" sind schon mehrere Millionen Hektar Ackerfläche in Afrika an Investoren verkauft worden, wodurch die Menschen von ihren fruchtbaren Böden vertrieben werden.

Möchten alle Flüchtlinge nach Europa?

Nein. Ein Großteilteil der Flüchtlinge sind Binnenflüchtlinge. Das heißt, dass diese zwar ihr Zuhause verlassen mussten, aber in ihrem Heimatland bleiben. Laut UN gab es Ende 2016 insgesamt 40,3 Millionen Binnenflüchtlinge. 22,5 Millionen Menschen sind anerkannte Flüchtlinge. Lediglich 17 Prozent dieser Flüchtlinge sind in Europa, 1,2 Millionen Flüchtlinge befinden sich zurzeit in Deutschland.

Wie viele Menschen kommen aus Afrika?

Bis Ende 2016 waren aus dem Südsudan wegen dem bewaffneten Konflikt über 1,4 Millionen Menschen geflohen. Aber die meisten Flüchtlinge, die über das Mittelmeer versuchen, nach Europa zu kommen, stammten 2017 aus Nigeria, Guinea und der Elfenbeinküste. In Guinea trieb die Ebola-Seuche die Menschen in die Flucht, in Elfenbeinküste und Nigeria kämpfen die Regierungen gegen Terror und Islamismus. Ein weiteres Herkunftsland ist Eritrea: 360.000 Menschen aus dem westafrikanischem Land sind nach UN-Angaben derzeit in Europa als Flüchtlinge registriert. Die Menschen fliehen von dort wegen Armut und Perspektivlosigkeit.

Über welche Routen kommen die Menschen nach Europa?

Nach Schließung der Balkanroute versuchen größtenteils syrische Flüchtlinge aus der Türkei auf dem Seeweg nach Griechenland zu gelangen. Auf diesem Weg kamen laut Frontex Anfang bis September 2017 mehr als 27.000 Flüchtlinge nach Europa. Die meisten Flüchtlinge (105.000) reisten in diesem Jahr aber über das Mittelmeer aus Libyen oder Tunesien nach Italien. Eine Minderheit (13.000) kam aus Marokko nach Spanien.

Wie viele Menschen sterben auf der Flucht?

Genaue Zahlen über umgekommen Flüchtlinge gibt es nicht. Laut der Initiative "IOM Missing Migrants" sind von 2014 bis Oktober 2017 über 14.000 Flüchtlinge bei der Überquerung des Mittelmeers gestorben.

Welche Länder nehmen am meisten Flüchtlinge auf?

Wenn Flüchtlinge ihr Heimatland verlassen, bleiben sie oft in benachbarten Ländern. Laut des Jahresberichts des UN-Flüchtlingskommissariats (UNHCR) kamen 2,9 Millionen Flüchtlinge im Jahr 2016 in die Türkei. 1,4 Millionen Menschen flohen nach Pakistan und eine Millionen in den Libanon. In Afrika nahmen 2016 Uganda (940.000) und Äthiopien (791.000) die meisten Flüchtlinge auf.

Was tut die EU?

Die EU schottet sich ab. Nach der Flüchtlingskrise 2015 haben viele europäische Länder ihre Flüchtlingspolitik geändert. Frontex soll die EU-Außengrenze schützen und einige Mitgliedsstaaten haben ihre Grenzkontrollen verstärkt. Der EU-Türkei-Deal führt dazu, dass Flüchtlinge in die Türkei zurückgeschickt werden können. An der afrikanischen Küste arbeitet die EU mit den Küstenwachen der nordafrikanischen Staaten zusammen. Auf dem Meer aufgelesene Flüchtlinge werden in Lager gebracht. Hier herrschen beispielsweise in libyschen Internierungslagern "menschenverachtende Zustände", wie "Spiegel Online" mit Berufung auf ein vertrauliches EU-Protokoll berichtete.

Was könnte die EU tun?

Viele der Fluchtursachen sind auch "Made in Europe", wie eine Analyse der Friedrich-Ebert-Stiftung vom November 2016 feststellte. Europa muss aufhören, die Lebensgrundlagen der Menschen zu zerstören. Europäische Unternehmen sorgen mit dem massenhaften Ankauf von Agrarflächen und Rohstoffabbau für Vertreibung und Flucht. Fischereiunternehmen fischen den Menschen an den Küsten Afrikas die Lebensgrundlage weg und die europäische Nahrungsmittelindustrie trieb besonders afrikanische Länder in die Abhängigkeit von billigen Lebensmittelimporten aus der EU. Zur Bekämpfung der Fluchtursachen müsse laut der Studie die Landwirtschaft in Afrika gestärkt werden, sodass sich der Kontinent selbst versorgen kann. Dazu könnten auch große Unternehmen daran gehindert werden, Land in Afrika zu erwerben. Der Landraub könnte auch von der EU politisch unterbunden werden.

Doch die Hauptursache für Flucht bleibt Krieg – und Deutschland, Frankreich und Großbritannien gehören zu den größten Waffenexporteuren der Welt. Mit einer stärkeren Regulierung dieser Exporte könnte das Kriegsrisiko abgeschwächt werden.

"Auch europäische Waffen kommen in den Gewaltkonflikten in Europas Nachbarschaft zum Einsatz. Die Ursachen für diese Konflikte und daraus resultierende Fluchtbewegungen liegen tiefer und lassen sich nicht durch die Begrenzung von Waffenlieferungen beseitigen", schreibt Felix Braunsdorf von der Friedrich-Ebert-Stiftung in der Studie. Man dürfe die Verfügbarkeit der Gewaltmittel aber nicht ausblenden. "Ohne Waffenlieferungen hätten die Akteure in diesen Konflikten ihre Gewaltstrategien so nicht anwenden können."

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