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Sachsen: Drei Herausforderungen für Michael Kretschmer


Vom Verlierer zum Hoffnungsträger
Kretschmer steht in Sachsen vor einem Berg von Problemen

Von t-online, jasch

13.12.2017Lesedauer: 4 Min.
Michael Kretschmer ist Sachsens neuer MinisterpräsidentVergrößern des BildesMichael Kretschmer ist Sachsens neuer Ministerpräsident . (Quelle: Ralf Hirschberger/dpa-bilder)
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Sachsens neuer Ministerpräsident Michael Kretschmer war ein großer Verlierer der Bundestagswahl. Nun muss ausgerechnet er den Freistaat und die CDU reformieren.

Vom großen Verlierer zum Gewinner in wenigen Wochen: Sachsen hat einen neuen Ministerpräsidenten. Michael Kretschmer erhielt bei seiner Wahl im Landtag 69 von 122 möglichen Stimmen. Vor wenigen Tagen hatte die sächsische CDU den 42-Jährigen bereits zum Landeschef gewählt. Kretschmer tritt damit die Nachfolge von Stanislaw Tillich an, der im Oktober zurückgetreten war.

Kretschmer steckt in einer skurrilen Lage. Als Generalsekretär der Sachsen-CDU verantwortete er den Bundestagswahlkampf im Freistaat, der mit einer desaströsen Niederlage endete: Die sächsischen Christdemokraten rutschten mit 26,9 Prozent der Wählerstimmen stark ab und landeten sogar hinter der AfD, die 27 Prozent erreichte. Der 42-Jährige ist also einer der größtmöglichen Verlierer der Bundestagswahl. Nun soll ausgerechnet er die am Boden liegende Sachsen-CDU wieder aufrichten. Nicht nur die sächsische CDU, auch der Freistaat insgesamt steht vor großen Herausforderungen. Ein Überblick:

Die Bildung

Sachsen leidet seit Jahren unter einem drastischen Lehrermangel. Zudem wurden seit der Wende etwa 1000 Schulen im Freistaat geschlossen. Als vor einigen Jahren wieder mehr Kinder in die Schulen drängten, fehlten die Plätze. Zwar gibt es nun ein millionenschweres Programm, mit dem Lehrer aus ganz Deutschland nach Sachsen gelockt werden sollen. Das Problem: Auch Länder wie Brandenburg, Berlin oder Mecklenburg-Vorpommern werben aggressiv um Pädagogen. Weil sie entweder mehr zahlen (Berlin) oder die Lehrer verbeamten (Brandenburg), haben die Schulen in Sachsen das Nachsehen.

Immerhin, auch Kretschmer ist sich der Problematik bewusst. Wenn sich in der Bildung nicht schleunigst etwas ändert, mache das die Populisten nur noch stärker, warnte er kürzlich. Zur Not, ließ Kretschmer in den Wochen zwischen Tillichs Rücktritt und seiner Wahl zum Ministerpräsidenten durchblicken, sollen Lehrer sogar wieder verbeamtet werden.

Die Wirtschaft

Wie andere Ost-Bundesländer hat auch Sachsen Jahrzehnte einer sogenannten Leuchtturmpolitik hinter sich. Das Prinzip beruht darauf, bestimmte Städte und Regionen wirtschaftlich zu stärken, die dann in die Umgebung abstrahlen sollen. Je nach persönlicher Betroffenheit führte diese Politik durchaus zum Erfolg: Städte wie Leipzig oder Dresden stehen heute wirtschaftlich gut da. Die Schattenseiten spüren vor allem diejenigen Menschen, die in der Fläche leben, etwa in Ostsachsen. Die Gegend ist strukturschwach, es gibt wenig Arbeit. Wie Ostsachsen sind einige Regionen des Freistaates wirtschaftlich abgehängt. Andere Gegenden hängen komplett von einem oder einigen wenigen Arbeitgebern ab.

Zum Beispiel Görlitz. Die östlichste Stadt Deutschlands liegt direkt an der polnischen Grenze. Seit der Wende hat die Stadt rund 20.000 Einwohner verloren, heute leben dort etwa 55.000 Menschen. Zu den größten Arbeitgebern zählen der Schienenfahrzeugbauer Bombardier und die Turbinenfertigung von Siemens. Umso drastischer ist der Einschnitt, der der Stadt nun bevorsteht. Siemens will sein Dampfturbinenwerk bis 2023 komplett schließen, hunderte Arbeitsplätze würden wegfallen. Bei Bombardier könnten in den nächsten Jahren ebenfalls hunderte Jobs gestrichen werden. Auch regionale Zulieferer würden darunter leiden.

Die nächste Landesregierung muss sich dringend um diese vernachlässigten Regionen kümmern. Sie muss die Abwärtsspirale zu stoppen, in der sich viele Gegenden befinden. Sie funktioniert oft nach dem ähnlichen Prinzip: Es gibt wenige Jobs, die Lebensbedingungen sind unattraktiv. Gerade junge Menschen verlassen die Region. Unternehmen siedeln sich in der Region nicht an, weil es zu wenig Fachkräfte gibt. Die Folge: Weitere Menschen ziehen weg oder gar nicht erst dorthin. Im November rief Kretschmer denn auch ein Ende der herkömmlichen Wirtschaftspolitik aus. "Leuchtturmpolitik? Ich kann es nicht mehr hören", sagte er auf einem CDU-Kreisparteitag. Was das konkret heißen könnte? Neue Straßen, besserer Nahverkehr, schnelleres Internet auch bis ins letzte Dorf. "Wir werden Geld in die Hand nehmen", versprach Kretschmer.

Die politische Unzufriedenheit

Die verzwickte Lage vieler Menschen in strukturschwachen Gegenden Sachsens ist ein Nährboden für Unzufriedenheit, Ressentiments und extreme politische Ansichten. Der Freistaat ist politisch tief gespalten. Dem Sachsen-Monitor 2017 zufolge finden 56 Prozent der Menschen, dass Deutschland in gefährlichem Maße "überfremdet" sei. Gefragt nach dem wichtigsten aktuellen Problem, nannte die Mehrheit der Befragten die Asylpolitik, noch vor den Themen Arbeitslosigkeit, Lehrermangel oder Armut. Dies ist umso erstaunlicher, da die Sachsen mit 2,8 Prozent Ausländern an der Gesamtbevölkerung deutlich weniger ausländische Mitmenschen haben als Deutsche in den meisten anderen Bundesländern.

Im Wahlkampf forderte der damalige Ministerpräsident Tillich von Kanzlerin Angela Merkel zwar einen Kursschwenk in der Flüchtlingspolitik, konnte sich aber nicht gegen die Parteichefin durchsetzen. Bei der Bundestagswahl im September kam die AfD in Görlitz und Umgebung auf mehr als 30 Prozent, noch einmal mehr als im ohnehin schon sensationell hohen Landesdurchschnitt von 27 Prozent. Der neue Ministerpräsident Kretschmer selbst verlor sein sicher geglaubtes Direktmandat in Görlitz an einen zuvor nahezu unbekannten AfD-Politiker.

"Wir müssen einen Plan für Sachsen machen"

Für Kretschmer und die Landes-CDU drängt nun die Zeit. Bis zur Landtagswahl im August 2019 müssen sie die drängendsten Probleme im Freistaat angehen und diese Bemühungen den Wählern auch glaubhaft vermitteln. "Wir müssen einen Plan für Sachsen machen", sagte Kretschmer nach dem Rücktritt von Amtsvorgänger Tillich. Nun ist der Moment gekommen, endlich damit zu beginnen.

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