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AfD-Netzwerker Manuel Ochsenreiter kämpft für ein russisches Europa


Nach Anschlag unter Verdacht
AfD-Netzwerker kämpft für ein russisches Europa

  • Jonas Mueller-Töwe
  • Lars Wienand
Von Jonas Mueller-Töwe, Lars Wienand

30.01.2019Lesedauer: 6 Min.
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Ochsenreiter auf dem AfD-Russland-Kongress: Er will die deutsche Außenpolitik "de-amerikanisieren" – und pflegt gleichzeitig enge Kontakte nach Russland.Vergrößern des Bildes
Ochsenreiter auf dem AfD-Russland-Kongress: Er will die deutsche Außenpolitik "de-amerikanisieren" – und pflegt gleichzeitig enge Kontakte nach Russland. (Quelle: Jonas Mueller-Töwe/T-Online-bilder)

Manuel Ochsenreiter knüpfte enge Kontakte bis in Spitzen der AfD. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen ihn. Recherchen von t-online.de und dem ARD-Politikmagazin "Kontraste" zeigen ein Moskauer Netzwerk des Hasses.

Russland-Experte, politischer Analyst, Chefredakteur: Manuel Ochsenreiter firmiert in Deutschland unter vielen Bezeichnungen. Sie ermöglichten es ihm, ein Netzwerk von Kontakten in der AfD aufzubauen. Sie ermöglichten seinen Aufstieg in den Bundestag. Bis vor Kurzem arbeitete er als Referent im Büro des AfD-Abgeordneten Markus Frohnmaier.

Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft Berlin wegen eines Brandanschlags in der Ukraine gegen Ochsenreiter. t-online.de und das ARD-Politikmagazin "Kontraste" stießen bei den Recherchen dazu auf ein Netzwerk des Hasses auf westliche Werte und Lebensart.

Das Ziel: Europa als russisches Protektorat

Denn wenn Ochsenreiter auf Reisen geht, hat er andere Gesprächspartner als die Anzug tragenden Politiker in Berlin: Dazu gehören Paramilitärs, Separatisten und Freischärler, Neonazis und Holocaustleugner, Gelbwesten und Stalinisten. Die Recherchen belegen: Ochsenreiter ist seit Jahren eine wichtige Schlüsselfigur einer Bewegung, die ein Europa unter russischer Herrschaft anstrebt. Sie setzt auf Destabilisierung und Chaos – und ist den Ideen des faschistischen Ideologen Alexander Dugin verpflichtet.

Der Philosoph mit Sitz in Moskau gibt den radikalsten Anti-Demokraten in ganz Europa seit Jahren eine gemeinsame Ideologie: ein Eurasien von Lissabon bis Wladiwostok unter autoritärer Vorherrschaft Russlands. "Wir müssen Europa erobern, eingliedern und anschließen", führte er bereitwillig in einem Interview aus. Europäische Streitkräfte seien kaum vorhanden. "Wir würden Europa einfach zu unserem Protektorat machen." Dann erklärte er, wie Minderheitenrechte abgebaut und staatliche "patriotische Zensur" eingeführt werden sollen.

Dugins Verbündete im Bundestag

Unterstützung für diese Idee erhofft sich Dugin aus Europa selbst: "Dass es eine prorussische fünfte Kolonne in Europa gibt, steht fest. Das sind europäische Intellektuelle, die ihre europäische Identität stärken wollen." Es spricht vieles dafür, dass einige seiner Ansprechpartner mittlerweile im deutschen Bundestag ein- und ausgehen.

Denn Manuel Ochsenreiter – den ehemaligen Mitarbeiter des AfD-Bundestagsabgeordneten Markus Frohnmaier – verbindet seit Jahren mit Dugin und seiner Ideologie vieles. So vieles, dass sich ernsthafte Fragen stellen. Weder Ochsenreiter noch Frohnmaier wollen sie gegenüber t-online.de und "Kontraste" beantworten. Auf Anfragen reagieren sie ebenso wenig wie Dugins Organisation.

Dugin führt einen sogenannten Thinktank in Moskau an, der seine Ideologie verbreiten und fördern soll: "Katehon". Ochsenreiter ist Autor und gern gesehener Interviewgast für das zugehörige Internetportal – er verwaltete sogar den deutschen Facebook-Auftritt als Administrator, wie ein Screenshot belegt.

Darüber hinaus traf er Dugin mehrfach und lud ihn zum Lesertreffen seiner rechten Zeitschrift "Zuerst!" ein. Ein Buch Dugins, das in der gleichen Verlagsgruppe wie "Zuerst!" erschien, enthält ausführliche Gespräche der beiden.

Ochsenreiters Kontakte in der AfD

Sein politisches Engagement reichte allerdings darüber hinaus: Gleichzeitig knüpfte Ochsenreiter Kontakte zu Gleichgesinnten in der AfD. Das fiel auch dem Bundesamt für Verfassungsschutz auf, das seine Kontakte dorthin im kürzlich erstellten Gutachten über die Partei erwähnt.

Über den heutigen Bundestagsabgeordneten Markus Frohnmaier ging Ochsenreiter auf Tuchfühlung mit höchsten Parteikreisen, denn der junge Politiker war zunächst Sprecher der damaligen Vorsitzenden Frauke Petry, später der Spitzenkandidatin Alice Weidel. Ochsenreiter war vor Ort, als alle AfD-Landtagsfraktionen eine gemeinsame Erklärung zur Abschaffung der Russland-Sanktionen in Sachsen unterschrieben. Mit Sachsen-Anhalts damaligem Parteichef André Poggenburg saß er beim Russland-Kongress des Landesverbands sogar gemeinsam auf einem Podium.

Das Netzwerk der "Eurasischen Bewegung"

"Wenn wir uns zu Dienern und Fußsoldaten einer Macht außerhalb Europas machen – den USA – dann schadet das uns und unseren Nachbarn", sagte er dort. Die deutsche Außenpolitik müsse "de-amerikanisiert" werden. "Ihre Partei kann mit dafür sorgen, dass ein solches Deutschland Wirklichkeit wird." In der Ost-Ukraine nannte er die "völlige De-Amerikanisierung Europas" sogar das wichtigste Zukunftsprojekt des Kontinents.

Ochsenreiters Kontakte reichen auch weit über die deutschen Grenzen hinaus – zur Eurasischen Bewegung im Ausland. Seine Reisen haben Spuren in sozialen Medien, auf Nachrichtenseiten und in den pro-russischen Thinktanks hinterlassen, die es t-online.de und "Kontraste" ermöglichten, das Netzwerk zu skizzieren. Bitte klicken Sie auf die Markierungen auf der Karte:

STORYMAP

Als im Oktober 2016 unweit von Moskau junge Männer in militärischem Camouflage durch die Wälder streifen und den Umgang mit Kriegswaffen trainieren, nehmen sie an einem "Kriegscamp" der "Eurasischen Jugend Bewegung" von Alexander Dugin teil. Sie steht unter US-Sanktionen, da sie Kämpfer für die Ostukraine rekrutiert haben soll. Die Associated Press berichtete ausführlich über das Lager. Das Emblem der Bewegung ist ein achtzackiger Stern aus goldenen Pfeilen.

Und Manuel Ochsenreiter und seine politischen Verbündeten sind häufig mit diesem Stern zu sehen. Der ehemalige AfD-Mitarbeiter unterhält offenbar engste Beziehungen zur Bewegung.

Ein Vereinsvorstand – zwei Strafverfahren

Als Ochsenreiter ebenfalls im Jahr 2016 gemeinsam mit dem AfD-Politiker Markus Frohnmaier und dem mutmaßlichen russischen Spion Mateusz Piskorski das "Deutsche Zentrum für Eurasische Studien" in Berlin gründet, taucht wenig später auf der Internetseite des Vereins ein Mann als "Experte" auf, der eigentlich Verwaltungschef der "Eurasischen Bewegung" ist: Es ist Leonid Savin, die rechte Hand des Ideologen Dugin.

Ochsenreiter trifft ihn in Serbien, wo sie gemeinsam mit der Flagge der "Eurasischen Bewegung" posieren. Ochsenreiter trifft ihn in Teheran auf einer Konferenz von Holocaust-Leugnern, wo sie mit der Flagge posieren. Ochsenreiter führt ein Interview mit ihm für seine Zeitschrift "Zuerst!". Bei einer der Bewegung angeschlossenen "Künstler-Vereinigung" wird Ochsenreiter als Mitglied geführt.

Wo Ochsenreiter im Ausland auftaucht, ist das Emblem der "Eurasischen Bewegung" meist nicht weit. In Polen liegt es auf dem Tisch, als er politische Verbündete der faschistischen "Falanga" trifft. Die rechtsextreme ungarische Jobbik, zu deren langjährigem Chef Ochsenreiter Kontakte unterhielt, setzt Schulungsmaterial mit dem Emblem ein. Und überall dort, wo das Emblem erscheint, setzen sich auffällig viele Aktivisten für den separatistischen Aufstand in der Ukraine ein. Dort wird die Idee der Destabilisierung politische Praxis. Ochsenreiter reist mehrfach in die Gebiete – auch gemeinsam mit dem AfD-Politiker Markus Frohnmaier.

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Fast alle zentralen Figuren dieses Netzwerks sind im Dugin'schen Thinktank "Katehon" organisiert, dessen deutschen Facebook-Auftritt Ochsenreiter verwaltet. Selbst Frohnmaier taucht als Autor und Interviewpartner auf.

Hinter Dugin steht ein russischer Oligarch

Hinter "Katehon" steht als Gründer und Finanzier der russische Oligarch Konstantin Malofejew. Der angeblich rund zwei Milliarden Euro schwere Russe ist seit Jahren mit Sanktionen belegt: Sowohl die USA als auch die Europäische Union werfen ihm vor, die Separatisten in der Ukraine maßgeblich zu finanzieren und die Propaganda für die Krim-Annexion zu unterstützen. Über die Hintergründe seines Engagements für Dugin sprach er im Interview mit dem österreichischen Nachrichtenmagazin "Profil".

"Ich habe den TV-Sender Tsargrad und den Thinktank Katehon.com gegründet. Bei beiden Organisationen ist Dugin der Chefredakteur. Das heißt, wir stehen ständig in direkter Beziehung zueinander und teilen auch dieselbe Weltanschauung." Unter der Moskauer Adresse des Senders residiert auch Dugins "Eurasische Bewegung".

Es gibt keine Erkenntnisse über mögliche finanzielle Zuwendungen an Ochsenreiter für seine Arbeit im Thinktank "Katehon". Ochsenreiter reagierte nicht auf Anfragen von t-online.de und "Kontraste". Gegenüber der britischen Zeitung "Guardian" bestreitet eine Sprecherin von Malofejew etwaige Zahlungen. Ob der AfD-Politiker Frohnmaier den Ideen Dugins nahesteht, ist ebenfalls unklar. Sein gemeinsamer Verein mit Ochsenreiter und Piskorski bot aber sowohl Dugin als auch seiner rechten Hand eine Bühne. Frohnmaier hat seine Mitgliedschaft im Verein stets als privat bezeichnet.


Ochsenreiter und Piskorski haben die strafrechtlichen Vorwürfe bestreiten lassen. Piskorski könnte bald das Gefängnis in Polen gegen Zahlung einer Kaution verlassen – das Land hingegen nicht. Die Anklage läuft weiter. Wo sich Manuel Ochsenreiter derzeit aufhält, ist laut Angaben der Staatsanwaltschaft Berlin unbekannt.

Das ARD-Politikmagazin Kontraste zeigt am heutigen Donnerstag, 31.1.2018, um 21.45 Uhr einen Beitrag zur Affäre Ochsenreiter.

Update, 23. Mai 2019: Nachdem zwischenzeitlich seine Verbindungen nach Russland Gegenstand zahlreicher kritischer Medienberichte waren, hat Frohnmaier über seinen Anwalt eine Erklärung abgegeben. Frohnmaier war bei der Vereinsgründung mit Mateusz Piskorski im April 2016 anwesend und hat selbst ein wenig später aufgenommenes Foto von ihm mit Piskorski auf der Krim veröffentlicht. In der Erklärung heißt es dennoch, Piskorski sei ihm weder bei der Gründung des Vereins noch im Nachhinein persönlich bekannt gewesen.

Frohnmaier erklärt weiter, er habe nichts mehr mit dem Verein zu tun haben wollen und auf die Liquidierung gedrängt, nachdem die Vorwürfe bekannt wurden. Erste Berichte über die Vorwürfe gab es am 16. August 2017. In einem Interview mit dem russischen Nachrichtenportal “Sputnik” am 18. August 2017 verteidigte Frohnmaier allerdings den Verein und erklärte, das Zentrum werde in Sippenhaft genommen. Das Portal zitierte ihn wie folgt: „Wir prüfen derzeit, ob wir als Zentrum rechtliche Schritte gegen die Medienberichte einleiten.“ Im Mai 2018 teilte er t-online.de mit, der Verein sei privat. Die mutmaßlichen Aktivitäten Dritter lasse er sich nicht zurechnen. Der Verein besteht, Stand 23. Mai 2019, laut Vereinsregister weiterhin.

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